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»Ich möchte nur wissen«, sagte David zu Nancy, »warum du in die Stadt gefahren bist, um Larry zu suchen.«

»Weil ich fand, daß Larry von Lilas Verschwinden informiert werden müßte.«

»Verdammt noch mal, was ist denn so ungewöhnlich daran, wenn jemand nicht zu Hause ist? Ich kann einfach nicht verstehen, weshalb du dir darüber Gedanken machst. Ist das auch bestimmt der einzige Shaker Gin-Tonic, den du dir gemacht hast?«

»Ich glaube kaum, daß ich immer wieder darauf zurückkommen würde, David, wenn ich mir nicht Gedanken machte wegen der Klimaanlage. Sie war abgestellt und das Haus unerträglich heiß. Dir kommt es vielleicht normal vor, daß man seine Klimaanlage abstellt, wenn man für kurze Zeit das Haus verläßt, mir aber nicht. Ich habe das Gefühl, da stimmt etwas nicht.«

»Die Klimaanlage abgestellt, wie?« meinte Jack weise.

»Oder eine Sicherung durchgebrannt«, sagte David.

»Das glaube ich nicht.«

»Du sagst, Larry ist gestern abend verschwunden?« sagte Jack. »Dann möchte ich wetten, daß Lila gleich danach gegangen ist. Wenn du mich fragst, haben sich beide verdrückt und das beste ist, wir lassen die Finger von der Sache.«

»Richtig«, sagte Jack. »Ganz und gar.«

»Findet ihr das wirklich?« fragte Nancy. »Vielleicht interessiert es euch aber zu hören, daß ich nicht damit einverstanden bin. Ich finde, wir sollten ‘rübergehen und uns mal im Haus umsehen. Und genau das werde ich jetzt tun, ob ihr nun mitkommt oder nicht.«

»Entschuldige bitte, wenn ich das sage«, entgegnete Jade, »aber ich halte es für klüger, wenn wir uns um unsere eigenen Angelegenheiten kümmern.«

»Ich unterstütze den Antrag«, sagte David. »Wie wär’s mit noch ‘nem Bier, Jack?«

»Ich…«, begann Jade.

Nancy sagte: »Ich gehe jetzt ‘rüber. David, kommst du mit oder nicht?« Energisch erhob sie sich und wartete.

David seufzte und stand ebenfalls auf. »Jack, nimm dir noch ein Bier. Wir sind gleich wieder da.«

»Ach, dann komme ich auch mit.« Jack erhob sich seufzend. »Als guter Nachbar sollte ich mich wohl gemeinsam mit euch den Unannehmlichkeiten stellen, die euch erwarten.«

Sie stiegen über die Hecke, und Jack und David folgten Nancy durch die Hintertür des Connorschen Hauses auf einen kleinen Treppenabsatz, von dem aus drei Stufen hinauf zur Küche und sechs Stufen hinunter in den Keller führten. Nancy schlug vor, daß die Männer die Sicherungen im Keller prüfen sollten, und blieb wartend auf dem Treppenabsatz stehen. Als sie zurückkamen, sagte David: »Alles in Ordnung mit den Sicherungen. Die Anlage ist abgeschaltet worden. Lila ist verschwunden, ihr werdet sehen. Kommt, wir machen, daß wir hier ‘rauskommen.«

Nancy sagte: »Ich gehe noch schnell nach oben und sehe in Lilas Zimmer nach, und dann hat sich’s.«

Das tat sie, zögernd gefolgt von David und Jack, doch damit hatte sich’s nicht – ganz und gar nicht. Durch vor Hitze siedende Räume gelangten sie zur Treppe und stiegen hinauf in einen Flur, der ebenfalls kochte, gingen ihn entlang bis zu Lilas Schlafzimmer. Die Tür war geschlossen. Nancy stieß sie auf und sah ihr unheilvolles Gefühl bestätigt.

Lila war in ihrem Zimmer, und sie war tot. Sie lag auf dem Boden neben dem Bett, als sei sie sterbend herunter- oder dagegengefallen. Sie trug ein durchsichtiges, blaßrosa Nachthemd, und aus ihrer Brust ragte der Griff einer Waffe, die nur ein Messer sein konnte, und die offenbar ihr Herz durchbohrt hatte. Rund um den Griff hatte sich auf dem dünnen Stoff des Nachthemdes ein unregelmäßiger, dunkelroter Fleck ausgebreitet, der jetzt steif und trocken aussah.

Nancy hatte ein Gefühl, als habe ihr jemand einen Schlag in den Magen versetzt. Sie stieß einen rauhen, keuchenden Schrei aus, der in einem Wimmern endete, und sank in den Armen ihres Mannes zusammen.

»Mein Gott«, sagte Dr. Jack Richmond heiser, »jetzt hat es Larry also doch getan. Der Arme! Gott weiß, daß Lila ihn dazu getrieben hat.«

6

Wenn die Türen, die vom Hauptraum des Polizeipräsidiums zu den Nebenbüros führten, offenstanden – und das taten sie meist bei der großen Hitze – , war jedes Geräusch, das aus dem Hauptraum drang, überall zu vernehmen, auch von denjenigen, die sich vielleicht lieber um ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert hätten.

Als das Telefon klingelte und der diensttuende Beamte antwortete, ertappte sich Leutnant Augustus Masters, eingepfercht in sein winziges, zum Schwitzbad gewordenes Büro, dabei, daß er unwillkürlich die Ohren spitzte. Jahrelange Erfahrung mit den Nuancen in der Stimme des Beamten sagte dem Leutnant, daß eine Meldung von ungewöhnlicher Bedeutsamkeit durchkam, ein logischer Schluß, der auf der Stelle Bestätigung fand, denn der Beamte rief den Chef an und bat ihn, das Gespräch zu übernehmen. Gleich darauf hörte Masters die Stimme des Chefs aus dessen Büro auf der anderen Seite des Hauptraumes. Lauschen auf eine derartige Entfernung verlangt äußerste Konzentration, und hätte Masters sich angestrengt, so hätte er Aufschlußreiches erfahren können; doch er machte sich die Mühe nicht.

Er machte sich die Mühe nicht, weil er wußte, daß der Chef ihn in jeder Angelegenheit von einiger Bedeutung sofort konsultieren würde. Der Polizeichef, reich an Jahren und auf ehrbare Senilität zusteuernd, war ein hilfloser Krüppel in bezug auf sämtliche Polizeivorgänge, die einige Geistesschärfe erforderten, und Masters war seine wertvollste Krücke.

Hier und da dachte Masters sehnsüchtig an die Möglichkeit, selbst Nachfolger des Chefs zu werden, doch es schien, als werde der Alte, von keinem Pensionierungsgesetz gezwungen, sich zur Ruhe zu setzen, ewig leben. Überdies sah Masters ein, daß er den Posten sowieso nicht bekommen würde. Er hatte nämlich ein einziges Handicap, doch das war entscheidend: Er sah aus wie ein Clown. Er wirkte in den Augen anderer stets so, als werde er sich gleich in eine Sahnetorte setzen oder der Länge nach hinfallen.

Als er merkte, daß der Chef aufgehört hatte zu sprechen, begann er zu zählen – pro Sekunde eine Zahl. Gewöhnlich dauerte es neun Sekunden, doch in letzter Zeit war der Chef langsamer geworden. Er brauchte jetzt etwa vierzehn Sekunden. Er war jedoch erst bei zwölf, als der Chef schon hereinkam und sich in den zweiten Stuhl fallen ließ. Masters stieß einen leisen Pfiff aus. Das mußte ja ein dickes Ding sein!

Ein Blick in das gefurchte, krebsrote Gesicht, und Masters wußte, daß der Anruf nicht nur etwas Wichtiges, sondern direkt eine Katastrophe betreffen mußte. Der Chef war nahezu hysterisch. Es ist eine Schande, dachte Masters, daß die hiesigen Bösewichter nicht einen Waffenstillstand ausriefen und dem alten Mann seinen Frieden ließen, bis die Totengräber ihre Pflicht an ihm tun konnten.

»Was ist es denn?« fragte Masters. »Ein Mord?«

Die Stirn des Alten, zerfurcht wie das ausgedörrte Bett eines trockenliegenden Arroyo, wurde plötzlich so glatt wie seine Schädeldecke.

»Woher wissen Sie das?« fragte er erstaunt.

»Ich bin ein Medium«, seufzte Masters. »Wer ist es denn?«

Mit einer altmodischen Bandana tupfte sich der Chef den Schweiß vom Gesicht. »Eine Frau namens Connor, Mrs. Lila Connor. Wohnt draußen in Shady Acres. Ihr Mann ist Larry Connor, der Wirtschaftsprüfer. Er ist verschwunden, und es scheint, daß er sie umgebracht hat.« Einen Augenblick machte der Alte ein gut gelauntes Gesicht. »Scheint ein ganz einfacher Fall zu sein, Gus. Wir brauchen nicht mehr als ein paar Einzelheiten, dann können wir gleich die Verhaftung vornehmen.«

»Wenn wir Connor gefunden haben, meinen Sie.«

»Natürlich. Die Connors sind ziemlich bekannt bei den jüngeren Leuten. Da werden die Zeitungen den Fall vermutlich ganz groß ‘rausbringen.«