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»Ich glaube, du warst neun, Robbie.«

»Wirklich? Lass mich nachdenken. O je, Sigfrid, ich glaube, du hast Recht.« Und dann versuche ich, einen Klumpen Spucke zu schlucken, der sich auf irgendeine Weise schlagartig in meiner Kehle gebildet hat, und ich verschlucke mich und huste.

»Sag es, Rob!«, meint Sigfrid drängend. »Was willst du sagen?«

»Hol dich der Teufel, Sigfrid!«

»Los, Rob, sag es!«

»Was soll ich sagen? Mensch, Sigfrid, du treibst mich die Wand hoch! Dieser Dreck tut uns beiden nicht gut!«

»Sag, was dich bedrückt, Bob, bitte.«

»Halt dein blödes Blechmaul!« Der ganze sorgfältig zugedeckte Schmerz quillt hervor, und ich kann es nicht aushalten, werde nicht fertig damit.

»Ich schlage vor, Bob, dass du versuchst …«

Ich zerre an den Gurten, reiße Fetzen aus dem Schaumgummi und schreie: »Halt’s Maul, du! Ich will nichts hören. Ich werde nicht fertig damit, begreifst du denn nicht? Ich kann nicht! Ich kann nicht! Ich kann nicht!«

Sigfrid wartet geduldig, bis ich zu weinen aufhöre, was ziemlich plötzlich geschieht. Und dann, bevor er etwas sagen kann, erkläre ich müde: »Ach, zum Teufel, Sigfrid, das Ganze bringt uns nicht weiter. Ich glaube, wir sollten es aufgeben. Es gibt sicher andere Leute, die deine Dienste dringender brauchen als ich.«

»Was das betrifft, Rob«, antwortet er, »bin ich durchaus fähig, allen Ansprüchen, die man zeitlich an mich stellt, gerecht zu werden.«

Ich trockne meine Tränen an den Papierhandtüchern, die er neben die Matte gelegt hat, und antworte nicht.

»Tatsächlich bin ich nicht ausgelastet«, fährt er fort. »Aber ob wir diese Sitzungen fortsetzen oder nicht, musst du entscheiden.«

»Hast du im Erholungsraum etwas zu trinken?«, frage ich.

»Nicht in dem Sinn, wie du es meinst, nein. In der obersten Etage dieses Gebäudes gibt es aber, wie ich höre, eine sehr gemütliche Bar.«

»Tja«, sage ich, »ich frage mich nur, was ich hier mache.«

Und fünfzehn Minuten später, nachdem ich meinen Termin für die nächste Woche bestätigt habe, trinke ich in Sigfrids Erholungskabine eine Tasse Tee. Ich lausche, um zu hören, ob sein nächster Patient schon anfängt zu schreien, aber ich kann nichts hören.

So wasche ich mir das Gesicht, rücke den Schal zurecht und streiche die Haartolle zurück. Ich gehe hinauf zur Bar, um schnell einen Schluck zu trinken. Der Oberkellner, ein Mensch, kennt mich und gibt mir einen Platz mit Blick nach Süden zur Unteren Bucht am Rand der Kuppel. Er sieht zu einem hoch gewachsenen Mädchen mit kupferfarbener Haut und grünen Augen hinüber, die allein sitzt, aber ich schüttle den Kopf. Ich trinke ein einziges Glas, bewundere die Beine des kupferhäutigen Mädchens und halte meinen Termin für meine Gitarrenlektion ein, wobei ich in erster Linie daran denke, wohin ich zum Abendessen gehen soll.

Mein ganzes Leben lang, so weit ich zurückdenken kann, wollte ich Prospektor werden. Ich kann nicht mehr als sechs gewesen sein, als mein Vater und meine Mutter mich in Cheyenne zu einem Jahrmarkt mitnahmen. Hot Dogs und Puffsoja, Wasserstoffballons aus buntem Papier, ein Zirkus mit Hunden und Pferden, Glücksrädern, Spielen, Karussells. Und es gab ein Druckzelt mit undurchsichtigen Wänden, ein Dollar Eintritt, und im Inneren hatte jemand Importe aus den Hitschi-Tunnels auf der Venus aufgebaut. Gebetsfächer und Feuerperlen, echte Hitschi-Metallspiegel, die man für fünfundzwanzig Dollar das Stück kaufen konnte. Papa sagte, sie seien nicht echt, aber für mich waren sie echt. Wir konnten uns fünfundzwanzig Dollar für das Stück nicht leisten. Und wenn man es genau nahm, brauchte ich eigentlich auch keinen Spiegel. Sommersprossiges Gesicht, vorstehende Zähne, Haare, die ich glatt zurückkämmte und festband. Man hatte Gateway gerade erst entdeckt. Als wir an diesem Abend mit dem Flugbus heimfuhren, hörte ich meinen Vater davon sprechen. Sie dachten wohl, ich schliefe, aber der sehnsüchtige Ton in seiner Stimme hielt mich wach.

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Wären meine Mutter und ich nicht gewesen, er hätte vielleicht einen Weg gefunden, aber er bekam nie Gelegenheit dazu. Ein Jahr später war er tot. Alles, was ich von ihm erbte, war sein Posten – sobald ich groß genug war, ihn einzunehmen.

Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal in den Nahrungsgruben gearbeitet haben, aber Sie haben sicher schon davon gehört. Viel Freude gibt es da nicht. Ich fing, halbtags und mit halbem Lohn, als Zwölfjähriger an. Bis ich sechzehn war, hatte ich die Einstufung meines Vaters: Beschickungsbohrer  – gute Bezahlung, harte Arbeit.

Aber was kann man mit dem Geld anfangen? Für medizinischen Vollschutz reicht es nicht. Es genügt nicht einmal, um damit aus den Gruben herauszukommen, was schon eine Art lokaler Erfolgsstory wäre. Man arbeitet sechs Stunden innen und zehn Stunden außen. Acht Stunden Schlaf, dann fängt man wieder an, und die Kleidung stinkt unaufhörlich nach Schiefer. Man kann nicht rauchen, außer in abgedichteten Räumen. Der Öldunst lagert sich überall ab. Die Mädchen sind so stinkig und glitschig und übermüdet wie man selbst.

So taten wir alle das Gleiche, wir arbeiteten und jagten uns gegenseitig die Frauen ab und spielten in der Lotterie. Und wir tranken in großen Mengen den billigen, starken Schnaps, der keine zehn Meilen entfernt gebrannt wurde. Manchmal hieß er Scotch, manchmal Wodka oder Bourbon, aber er stammte immer von denselben Schlammdestillier-Säulen. Ich unterschied mich nicht von den anderen … außer dass ich einmal in der Lotterie gewann. Und das war mein Freifahrtschein.

Bis dahin lebte ich einfach dahin.

Meine Mutter war auch Grubenarbeiterin. Nachdem mein Vater bei dem Schachtbrand umgekommen war, zog sie mich mithilfe der Firmenkrippe auf. Wir kamen gut miteinander aus, bis zu meiner Psychosenzeit. Ich war damals sechsundzwanzig. Ich hatte Probleme mit meinem Mädchen, dann kam ich eine Weile morgens nicht mehr aus dem Bett. Man brachte mich unter. Ich war fast ein Jahr aus dem Verkehr gezogen, und als man mich aus dem Psychotank wieder herausließ, war meine Mutter gestorben.

Man muss ehrlich sein: Das war meine Schuld. Ich meine damit nicht, dass ich das geplant hatte; ich meine, sie wäre am Leben geblieben, wenn sie nicht meinetwegen solche Sorgen gehabt hätte. Es war nicht genug Geld da, um die Behandlungskosten für uns beide zu bezahlen. Ich brauchte Psychotherapie. Sie brauchte eine neue Lunge. Sie bekam sie nicht, also starb sie.

Es war mir verhasst, in unserer Wohnung zu bleiben, nachdem sie tot war, aber entweder das oder Junggesellenunterkünfte. Der Gedanke, mit vielen Männern so eng zusammenzuleben, gefiel mir nicht. Natürlich hätte ich heiraten können. Ich tat es nicht – Sylvia, das Mädchen, mit dem ich die Probleme gehabt hatte, war inzwischen längst fort –, aber es lag nicht daran, dass ich etwas gegen die Ehe gehabt hätte. Vielleicht möchte man das meinen, wenn man an meine psychiatrische Vorgeschichte denkt und noch berücksichtigt, dass ich mit meiner Mutter zusammenlebte, solange sie am Leben war. Aber es ist nicht wahr. Ich mochte Mädchen sehr. Ich wäre sehr glücklich gewesen, eines heiraten und ein Kind aufziehen zu können.