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»Die Priesterkönige mögen deine Knochen zerstreuen!« rief ich und fügte hinzu: »Und du sollst dich von den Exkrementen der Tharlarions ernähren!« Meine zweite Bemerkung, die sich auf die gehaßten Reittiere der niedrigen Clans bezog, schien dem Mann besonderen Spaß zu machen.

»Möge dein Tarn seine Federn verlieren!« dröhnte er, klatschte sich auf die Schenkel und landete seinen Tarn auf meiner Stange. Dann beugte er sich herüber und warf mir einen Beutel mit Paga herüber. Ich trank davon und warf ihm den Wein verächtlich zurück. Im nächsten Augenblick war er wieder in der Luft und schmetterte irgendein Lied heraus.

Wie die meisten Kompasse auf Gor, so enthielt auch der meine ein Chronometer. Ich drehte das Gerät herum, drückte auf den Hebel, der den rückwärtigen Deckel öffnete, und warf einen Blick auf die Zeiger. Es war zwei Minuten nach der zwanzigsten Stunde! Vergessen war jeder Gedanke an Desertation. Abrupt startete ich meinen Tarn und steuerte auf den Turm des Ubar zu.

Sekunden später tauchte das Gebäude unter mir auf. Ich lenkte den Tarn sofort hinab, denn ohne guten Grund darf man nicht in die Nähe dieses Turmes kommen. Im Anflug erblickte ich das große runde Dach des Zylinders. Es schien von unten beleuchtet – ein bläulicher S chimmer. In der Mitte des Kreises erhob sich eine niedrige runde Plattform, etwa drei Meter im Durchmesser, durch vier flache Stufen abgesetzt. Auf der Plattform stand eine einsame, dunkelgekleidete Gestalt. Als mein Tarn auf der Plattform landete und ich herabsprang, hörte ich ein Mädchen schreien.

Ich stürzte zur Mitte der Plattform und zerbrach dabei unter meinem Fuß einen kleinen Korb mit Korn und stieß einen Ka-la-na-Behälter aus dem Weg, der seine rote Flüssigkeit über die Steinfläche ergoß. Ich warf mich auf den Stapel von Steinen in der Mitte der Plattform; die Schreie des Mädchen gellten mir im Ohr. Ganz in der Nähe waren die Rufe von Männern und das Klirren von Waffen zu hören. Krieger hasteten die Treppe zum Dach herauf. Welches war der Heimstein? Ich stieß die Steine zur Seite. Einer mußte der Heimstein Ars sein – aber welcher? Wie konnte ich ihn von all den anderen Steinen unterscheiden – von den Heimsteinen der Städte, die unter Ars Macht standen? Ja! Es mußte der Stein sein, der voller Ka -la -na war, der Stein, an dem die kleinen Körner hafteten! Hastig betastete ich die Steine, doch mehrere waren feucht und mit Sa-Tarna übersät. Ich spürte, daß die vermummte Gestalt mich zurückzerrte, daß sie versuchte, ihre Fingernägel in meine Schultern und me inen Hals zu graben. Ich schwang herum und stieß sie zurück. Sie fiel auf die Knie und kroch plötzlich zu einem der Steine, packte ihn und wollte die Flucht ergreifen. Ein Speer klapperte neben mir über die Plattform. Die Wächter waren auf dem Dach!

Ich sprang hinter der vermummten Gestalt her, ergriff sie, wirbelte sie herum und entriß ihr den Stein, den sie trug. Sie schlug nach mir und verfolgte mich zu dem Tarn, der erregt seine Flügel schüttelte und das Dach des Zylinders verlassen wollte. Ich sprang hoch, griff nach dem Sattelring. Im nächsten Augenblick saß ich im Sattel und zerrte heftig am ersten Zügel. Die vermummte Gestalt versuchte die Sattelleiter zu erklimmen, wurde jedoch durch das Gewicht ihrer bestickten Roben behindert. Ich fluchte, als ein Pfeil meine Schulter streifte. Im gleichen Augenblick breiteten sich die gewaltigen Flügel des Tarn aus, und das Ungeheuer erhob sich in die Luft. Er schwebte davon, und das Surren der Pfeile klang mir in den Ohren, dazu die Schreie der aufgebrachten Männer und der lange, durchdringende Entsetzensschrei eines Mädchens.

Ich blickte verblüfft nach unten. Die vermummte Gestalt klammerte sich noch immer verzweifelt an der Sattelleiter fest. Sie pendelte frei unter dem Tarn hin und her, während die Lichter Ars schnell unter uns zurückblieben. Ich zog mein Schwert aus der Scheide, um die Leiter abzutrennen, doch dann hielt ich inne und stieß die Klinge ärgerlich wieder zurück. Ich konnte mir das zusätzliche Gewicht nicht erlauben, doch ich brachte es auch nicht über das Herz, das Mädchen in den Tod zu schicken.

Ich fluchte, als unten das wilde Konzert von Tarnpfeifen hörbar wurde. In der heutigen Nacht war bestimmt jeder Tarnkämpfer Ars unterwegs. Ich passierte die letzten Zylinder der Stadt und fand mich frei in der goreanischen Nacht, auf dem Wege nach Ko-ro-ba. Ich steckte den Heimstein in die Satteltasche, verriegelte sie und griff dann nach unten, um die Sattelleiter einzuziehen.

Das Mädchen wimmerte entsetzt, und ihre Muskeln und Finger schienen vor Kälte erstarrt.

Als ich sie längst vor mir in den Sattel gezogen und sicher am Ring festgeschnallt hatte, mußte ich ihre Finger gewaltsam von der Leitersprosse lösen. Ich faltete die Leiter zusammen und befestigte sie an der Seite des Sattels. Das Mädchen tat mir leid. Eine hilflose Figur in den ehrgeizigen politischen Plänen ihres Vaters. Die leisen Angstlaute, die sie ausstieß, rührten mich.

»Hab keine Angst«, sagte ich. »Ich werde dir nichts tun. Wenn wir über dem Sumpf hinaus sind, setzte ich dich an irgendeiner Straße ab.« Ich wollte sie beruhigen. »Morgen früh bist du wieder in Ar.« Hilflos stammelte sie ein unverständliches Wort des Dankes, drehte sich herum und legte die Arme um mich, wie um Schutz zu suchen. Ich spürte sie zittern, spürte ihren unschuldigen Körper, und dann schloß sie plötzlich die Arme um meine Hüften und stemmte mich mit einem Wutschrei aus dem Sattel. Als ich zu fallen begann, machte ich mir klar, daß ich bei der wilden Flucht meinen eigenen Sattelgurt nicht festgezogen hatte. Meine Hände versuchten zuzupacken, griffen ins Leere. Ich stürzte kopfüber ins Nichts.

Einen Sekundenbruchteil lang hörte ich ihr triumphierendes Gelächter, das sich schnell im Wind verlor. Ich spürte, wie sich mein Körper beim Sturz in Erwartung des Aufpralls versteifte. Ich fragte mich wohl auch, ob ich Schmerz verspüren würde, und kam zu dem Schluß, daß das wohl der Fall sein mußte. Absurderweise versuchte ich meinen Körper zu lockern und entspannte die Muskeln, als ob das noch einen Unterschied machen würde. Ich wartete auf den Aufprall, war mir des Schmerzes bewußt, als ich durch Äste raste und schließlich in einer weichen, nachgebenden Substanz untertauchte. Ich verlor das Bewußtsein. Als ich die Augen öffnete, haftete mein Körper an einem weitreichenden Netzwerk aus breiten elastischen Bahnen, die eine seltsame Struktur bildeten, etwa ein Pasang im Durchmesser, durch das in unregelmäßigen Abständen die gewaltigen Bäume des Sumpfwaldes ragten. Ich spürte das seltsame Gewebe zittern und versuchte aufzustehen. Doch das war unmöglich. Ich klebte an der Substanz, aus der das gewaltige Netz bestand. Von links näherte sich mit einer für ihre Größe erstaunlichen Geschwindigkeit eine der Sumpfspinnen Gors. Ich richtete meine Augen auf den blauen Himmel und wäre am liebsten im Sumpf versunken. Ich erschauerte, als das Ungeheuer neben mir verhielt, und ich spürte die leichte Berührung seiner Vorderbeine, ahnte die tastende Berührung der empfindlichen Haare. Ich sah auf, und das Tier starrte mich mit seinen acht schimmernden Knopfaugen an -fragend, wie mir schien. Dann hörte ich zu meinem Erstaunen eine mechanisch erzeugte Stimme fragen: »Wer bist du?« Ich begann zu zittern, glaubte ich doch, daß mich meine Sinne schließlich doch im Stich gelassen hätten. Gleich darauf wiederholte die Stimme ihre Frage mit erhöhter Lautstärke und fügte hinzu: »Bist du aus der Stadt Ar?«

»Nein«, sagte ich und stürzte mich kopfüber in diese phantastische Halluzination. »Nein, ich komme nicht aus Ar, sondern aus der Freien Stadt Ko-ro-ba.«

Als ich das sagte, beugte sich das monströse Insekt neben mir nieder, und ich erblickte seine Eßwerkzeuge, scharf wie gebogene Messer. Ich stählte mich gegen den tödlichen Zugriff dieser natürlichen Klingen. Statt dessen wurde Speichel oder eine ähnliche Ausscheidung rings um mich auf das Netz geträufelt, was sofort den Klebeeffekt beseitigte. Als ich wieder frei war, umfaßten mich die Eßwerkzeuge, und ich wurde an den Rand des Netzes getragen, wo die Spinne eine herabhängende Liane ergriff und sich zu Boden gleiten ließ. Ich wurde abgesetzt. Das Tier wich dann auf seinen acht Beinen vor mir zurück, ohne den schimmernden Blick von mir zu nehmen.