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Wieder hörte ich die mechanische Stimme. »Ich heiße Nar und gehöre dem Spinnenvolk an.« Nun entdeckte ich auch das kleine Gerät, das unten an dem Körper befestigt war, eine Übersetzungsvorrichtung, wie ich sie auch schon in Ko-ro-ba gesehen hatte. Offensichtlich übersetzte der Apparat Lautimpulse, die unterhalb meiner Hörbarkeitsschwelle lagen. Meine Antworten wurden bestimmt entsprechend umgewandelt. Eines der Insektenbeine drehte an einem Knopf. »Kannst du mich hören?« fragte das Tier. »Ja«, sagte ich. Das Insekt schien erleichtert zu sein. »Das freut mich«, sagte es. »Du hast mir das Leben gerettet«, sagte ich. »Vielen Dank!« »Mein Netz hat dir das Leben gerettet«, berichtigte mich das Insekt. Es schwieg einen Augenblick und sagte dann, als spürte es meine Besorgnis: »Ich werde dir nichts tun. Das Spinnenvolk fügt einem intelligenten Wesen keinen Schaden zu.« »Dafür bin ich dir dankbar«, sagte ich. Der nächste Satz raubte mir den Atem. »Bist du der Mann, der den Heimstein Ars genommen hat?«

Ich antwortete erst nach einigem Zögern und bejahte dann die Frage. Offensichtlich hatte das Wesen wenig für die Menschen Ars übrig. »Das freut mich zu hören«, sagte das Insekt. »Denn die Bewohner dieser Stadt behandeln unser Spinnenvolk nicht gut. Sie jagen uns und lassen uns nur am Leben, damit sie das Cur-lon-Garn bekommen, das dann in den Webereien Ars verarbeitet wird. Wenn sie keine intelligenten Wesen wären, würden wir sie bekämpfen.«

»Woher weißt du, daß der Heimstein Ars gestohlen wurde?« fragte ich.

»Diese Nachricht hat sich schnell verbreitet. Alle intelligenten Wesen verbreiten sie – ob sie nun kriechen, fliegen oder schwimmen. Darüber herrscht große Freude auf Gor – allerdings nicht in Ar.«

»Ich habe den Heimstein wieder verloren«, sagte ich. »Ich wurde von einem Mädchen getäuscht, das vermutlich die Tochter des Ubar ist. Sie schleuderte mich von meinem Tarn, und ich wurde nur durch dein Netz gerettet. Ich möchte vermuten, daß heute abend auch in Ar wieder Freude herrscht, wenn nämlich die Tochter des Ubar den Heimstein zurückbringt.«

Wieder sprach die mechanische Stimme: »Wie kann es sein, daß die Tochter des Ubar den Heimstein zurückbringt, wenn du an deinem Gürtel den Tarnstab trägst?«

Ich war verblüfft, daß mir das nicht selbst eingefallen war. Ich stellte mir das Mädchen auf dem Rücken des wilden Tarn vor, ungeübt im Umgang mit einem solchen Tier, ohne Tarnstab, mit dem sie sich gegen den Vogel verteidigen konnte. Ihre Überlebenschancen kamen mir plötzlich sehr gering vor, denn bald war Fressenszeit für den Tarn. Es war bestimmt schon seit einigen Stunden hell.

»Ich muß nach Ko-ro-ba zurück«, sagte ich. »Ich habe meine Mission nicht erfüllt.«

»Wenn du einverstanden bist, bringe ich dich an den Rand des Sumpfes«, sagte das Insekt. Ich dankte ihm und wurde sanft auf den Rücken gehoben. Die Spinne bewegte sich nun schnell und geschickt durch den Sumpfwald.

Wir waren etwa eine Stunde unterwegs, als Nar plötzlich verharrte und die beiden Vorderbeine witternd in die Luft hob.

»Hier ist ein fleischfressender Tharlarion in der Nahe – ein wilder Tharlarion: Halt dich fest!«

Zum Glück gehorchte ich sofort, denn schon raste Nar zu einem nahestehenden Sumpfbaum und hastete am Stamm empor. Einige Minuten später hörte ich das hungrige Knurren eines wilden Tharlarion und gleich darauf den durchdringenden Entsetzensschrei eines Mädchens.

Von Nars Rücken aus konnte ich das Sumpfgebiet mit seinen Schilfinseln und Insektenschwärmen überblicken. In einer Schilfwand etwa fünfzig Schritt entfernt tauchte schreiend und stolpernd eine Menschengestalt auf. Mit ausgestreckten Armen floh sie blindlings in den Sumpf. Im gleichen Augenblick erkannte ich die bestickte Robe, die nun schlammbespritzt und zerfetzt war – es war die Tochter des Ubar!

Kaum hatte das Mädchen die Lichtung erreicht und hastete durch das seichte grüne Wasser zu unseren Füßen, als auch schon der furchterregende Kopf eines wilden Tharlarion im Schilf erschien. Die runden Augen schimmerten vor Erregung, das riesige Maul klaffte weit. Mit fast unvorstellbarer Geschwindigkeit zuckte eine lange braune Zuge aus diesem Maul und ringelte sich um die schlanke, hilflose Gestalt des Mädchens. Sie kreis chte hysterisch.

Ohne nachzudenken, kletterte ich von Nars Rücken, ergriff eine der langen, lianenähnlichen Ranken, die wie Parasiten in den Sumpfbäumen leben. Eine Sekunde später landete ich am Fuße des Baumes im Sumpfwasser und rannte mit erhobenem Schwe rt auf den Tharlarion zu. Ich stürzte mich zwischen das große Maul und das Mädchen und hieb mit schnellem Schwertschlag die braune Zunge durch. Ein ohrenbetäubender Schmerzensschrei schrillte durch die schwüle Sumpfluft, und der Tharlarion erhob sich schmerzgepeinigt auf die Hinterpranken und zog mit häßlichem Geräusch den Stumpf seiner Zunge in das Maul. Gleich darauf richteten sich seine bösen Augen auf mich, das Maul, das nun mit farblosem Schleim gefüllt war, öffnete sich und entblößte scharfe Zahnreihen.

Das Ungeheuer ging zum Angriff über. Ich kniete nieder, und der gewaltige Kopf fuhr über mich dahin; im gleichen Augenblick stieß ich das Schwert heftig nach oben und ließ die Klinge tief in den dicken Hals sinken. Der Tharlarion wich einige Schritte zurück, langsam, unsicher. Der Zungenstumpf zischelte mehrmals aus dem Mund, als verstünde das Wesen nicht, warum die Zunge nicht mehr vollständig war. Der Tharlarion sank ein wenig tiefer in den Sumpf und schloß halb die Augen. Da wußte ich, daß der Kampf v orüber war. Das Wesen glitt langsam in den Schlamm, und ringsum rührte sich das Wasser, und ich ahnte, daß sich nun bereits die kleinen Wasserechsen des Sumpfes an ihre scheußliche Arbeit machten. Ich bückte mich und wusch meine Schwertklinge ab. Vorsichtig

kehrte ich dann zum Stamm des Sumpfbaums zurück und erkletterte die kleine trockene Insel, die sich darum gebildet hatte. Ich sah mich um. Das Mädchen war geflohen. Das ärgerte mich etwas. Aber was hatte ich erwartet? Daß sie mir danken würde? Sie hatte mich zweifellos dem Tharlarion überlassen und sich darüber gefreut, daß sich ihre Gegner nun gegenseitig vernichteten, während sie ungeschoren davonkam. Ich fragte mich, wie weit sie wohl in den Sumpf vordringen konnte, ehe ein zweiter Tharlarion ihre Spur aufnahm. Ich rief: »Nar!« und sah mich nach meinem Spinnenfreund um, doch auch er war verschwunden. Erschöpft lehnte ich mich mit dem Rücken gegen den Baumstamm, ohne die Hand vom Schwertgriff zu nehmen. Angewidert beobachtete ich den Körper des toten Tharlarion. Er hatte sich gewendet, und die ersten Knochen wurden sichtbar. Die kleinen Echsen waren wirklich schnell.

Ein Geräusch ertönte. Ich sprang kampfbereit auf. Doch es war nur die Spinne, die mit hastigen Bewegungen näher kam. In ihren Eßwerkzeugen hielt sie die Tochter des Ubar Marlenus. Das Mädchen schlug mit ihren winzigen Fäusten auf Nar ein. Die Spinne kümmerte sich nicht darum und setzte sie vor mir ab, und ihre schimmernden Knopfaugen wirkten wie leere, ausdruckslose Monde an einem nächtlichen Himmel.

»Dies ist die Tochter des Ubar Marlenus«, sagte Nar und fügte ironisch hinzu: »Sie hat leider vergessen, dir für die Rettung ihres Lebens zu danken – was für ein intelligentes Wesen doch einigermaßen seltsam ist, nicht wahr?«

»Schweig, Insekt!« sagte die Tochter des Ubar flehend. Sie schien sich vor Nar nicht zu fürchten – vielleicht weil die Bewohner Ars mit dem Spinnenvolk vertraut waren. Allerdings konnte kein Zweifel bestehen, daß ihr die Berührung der Eßwerkzeuge zuwider war. Ich betrachtete sie, die nun wirklich keinen schönen Anblick mehr bot. Ihre schweren Roben waren schlammbespritzt, und an mehreren Stellen war der schwere Brokat gebrochen. Es mochte Stunden gedauert haben, sie für das Fest herauszuputzen. Durch den schmalen Schlitz der Schleier blitzten mich ihre Augen wütend an. Ich bemerkte, daß sie grünlich waren, die Augen einer Herrscherstochter, wild, ungezähmt, gewohnt zu befehlen. Es wurde mir auch zu meinem Mißvergnügen bewußt, daß die Tochter des