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Ich ließ sie in das Gras sinken, und unglaublicherweise verflog meine Wut. Aufgebracht hatte ich sie in den Schatten der Bäume gezerrt – nach allen Lebensregeln dieser Welt gehörte sie mir. Doch wieder sah ich sie als Mädchen, als eine Schönheit, die nicht mißbraucht werden durfte.

»Du verstehst natürlich«, sagte ich, »daß ich dir nicht mehr trauen kann.«

»Natürlich nicht«, sagte sie. »Ich bin dein Feind. Und ich habe keine Angst vor dem Tod.«

»Zieh dich aus«, sagte ich.

»Nein!« schrie sie und wich zurück. Sie erhob sich vor mir auf die Knie, legte den Kopf auf meine Füße. »Die Tochter eines Ubar bittet dich aus ganzem Herzen – schlag nur mit der Klinge zu, schnell.«

Ich lachte aus vollem Halse. Die Tochter des Ubar hatte Angst, daß ich sie nehmen könnte – ich, ein gewöhnlicher Soldat. Aber ich mußte mir beschämt eingestehen, daß mir eben dieser Gedanke durch den Kopf gegangen war, als ich sie zu den Bäumen zerrte, und daß mich der Zauber ihrer Schönheit davon abgebracht hatte, sie zu erniedrigen. Ich schämte mich und beschloß, daß diesem Mädchen kein Leid geschehen sollte, obwohl sie bösartig und heimtückisch war wie ein Tharlarion.

»Ich werde dich nicht nehmen«, sagte ich. »Ich will dich auch nicht töten.«

Sie hob den Kopf und musterte mich verwundert.

Dann stand sie auf und sah mich verächtlich an. »Wenn du ein wirklicher Krieger wärst, hättest du mich schon auf dem Rücken deines Tarn genommen, hoch oben in den Wolken – und du hättest meine Kleidung in die Straßen Ars hinabgeworfen, um meinen Leuten zu zeigen, was mit der Tochter ihres Ubar geschehen ist.« Offensichtlich glaubte sie, ich hätte Angst, sie zu verletzen, und als Tochter eines Ubar stünde sie über den Gefahren einer Gefangenschaft.

»Zieh dich aus«, sagte ich. »Ich muß sehen, ob du noch andere Waffen trägst.«

»Kein Mann darf die Tochter des Ubar ohne Kleidung sehen«, entgegnete sie.

»Entweder ziehst du dich jetzt aus«, sagte ich, »oder ich lege selbst Hand an.«

Wütend begann sie die Haken ihrer schweren Roben zu lösen.

Sie hatte kaum begonnen, als ihre Augen plötzlich triumphierend aufleuchteten und ein Freudenschrei über ihre Lippen kam.

»Keine Bewegung!« sagte eine Stimme hinter mir. »Eine Armbrust ist auf dich angelegt.«

»Gut gemacht, Männer von Ar«, rief die Tochter des Ubar.

Ich wandte mich langsam mit ausgebreiteten Händen um und sah mich zwei Fußsoldaten aus Ar gegenüber. Einer war Offizier, der andere ein gewöhnlicher Soldat, der seine Armbrust auf mich gerichtet hatte. Auf die kurze Entfernung konnte er mich kaum verfehlen.

Der Offizier, ein großer Bursche, dessen Helm Kampfspuren aufwies, kam vorsichtig mit erhobenem Schwert näher und entwaffnete mich. Er betrachtete das Zeichen auf dem Dolchgriff und lächelte. Er steckte die Waffe in seinen Gürtel und fesselte mich mit Handschellen. Dann wandte er sich an das Mädchen.

»Du bist Talena, Marlenus Tochter?« fragte er und klopfte auf den Dolchgriff.

»Du siehst doch, daß ich die Roben der Tochter des Ubar trage«, sagte das Mädchen, ohne von dem Offizier weiter Notiz zu nehmen. Sie trat vor mich hin, ihr triumphierender Blick war auf mich gerichtet. Sie spuckte mir ins Gesicht und versetzte mir einen heftigen Schlag. Meine Wange brannte.

»Bist du Talena?« fragte der Offizier noch einmal.

»Das bin ich, ihr Helden vor Ar«, erwiderte das Mädchen stolz und wandte sich um. »Ich bin Talena, die Tochter von Marlenus, des Ubar von ganz Gor.«

»Gut«, sagte der Offizier und wandte sich an seinen Untergebenen.

»Zieh sie aus und leg ihr Sklavenfesseln an.«

8

Ich sprang vor, wurde jedoch durch das Schwert des Offiziers aufgehalten. Der einfache Soldat legte seine Armbrust ab und näherte sich Talena, die ihn schreckensbleich anstarrte. Der Mann begann die bestickten Schlaufen aufzureißen; methodisch riß er ihre Roben auseinander, öffnete sie, zog sie über ihre Schultern herab. Gleich darauf stand sie nackt vor uns, ihre Kleidung lag als ein schmutziger Haufen um ihre Füße. Ihr Körper, stellenweis e schlammverschmutzt, war von außergewöhnlicher Schönheit. »Warum tut ihr das?« fragte ich. »Marlenus ist geflohen«, sagte der Offizier. »In der Stadt herrscht Chaos. Die Wissenden haben die Macht übernommen und befohlen, daß Marlenus und alle Mitglieder seines Haushalts auf den Mauern Ars öffentlich aufzuspießen sind.« Das Mädchen stieß einen Schreckensschrei aus. Der Offizier fuhr fort: »Marlenus hat den Heimstein verloren, den Stein, der Ar Glück brachte. Er selbst ist mit fünfzig Tarnkämpfern und einem großen Teil des Stadtschatzes geflohen. In den Straßen toben Kämpfe zwischen den Gruppen, die die Herrschaft über Ar anstreben. Es wird geplündert und gebrandschatzt. Die Stadt steht unter Kriegsrecht.« Widerstandslos hob das Mädchen die Arme, und der Soldat ließ die Sklavenfessel darum zuschnappen – zwei leichte, mit blauen Steinen besetzte Goldbänder, die fast wie Schmuckstücke aussahen. Talena schien sprachlos zu sein. In wenigen Sekunden war ihre Welt zusammengebrochen. Sie war nun plötzlich die verurteilte Tochter eines Verbrechers, unter dessen Herrschaft der Heimstein gestohlen worden war. Wie alle anderen Mitglieder des Haushalts war sie jetzt der Rache der aufgebrachten Bürger ausgesetzt.

»Ich bin der Mann, der den Heimstein gestohlen hat«, sagte ich. Der Offizier versetzte mir einen Stoß mit seinem Schwert. »Das hatten wir schon angenommen – bei dieser Gesellschaft.« Er lachte leise. »Keine Angst – obwohl es in Ar viele gibt, die sich über deine Tat freuen, wird dein Tod nicht angenehm oder schnell sein.«

»Laßt das Mädchen frei«, sagte ich. »Sie hat nichts getan. Sie hat nach besten Kräften versucht, den Heimstein eurer Stadt zu retten.« Talena schien verblüfft zu sein, daß ich mich für sie einsetzte. »Die Wissenden haben ihr Urteil gesprochen«, sagte der Offizier. »Sie haben bestimmt, daß den Priesterkönigen ein Opfer dargebracht wird, auf daß sie uns Gnade erweisen und den Heimstein zurückbringen.« In diesem Augenblick verachtete ich die Wissenden von Ar, die – wie die anderen Mitglieder ihrer Kaste überall auf Gor – nur zu gern bereit waren, politische Macht an sich zu bringen, auf die sie angeblich durch ihre Berufung verzichtet hatten. Die wirkliche Absicht hinter den ›Opfern für die Priesterkönige‹ war es wahrscheinlich. Konkurrenten für den Thron von Ar zu beseitigen und die eigene politische Position zu festigen. Der Offizier zog die Augen zusammen. »Wo ist der Heimstein?« »Ich weiß es nicht.«

Das Schwert wurde mir vor den Hals gelegt. In diesem Augenblick sagte die Tochter des Ubar zu meiner Überraschung: »Er spricht die Wahrheit. Der Heimstein war in der Satteltasche seines Tarn. Der Tarn ist geflohen, und der Stein ist fort.« Der Offizier fluchte leise.

»Bringt mich nach Ar«, sagte Talena. »Ich bin bereit.« Sie trat aus dem Kreis ihrer Kleidung und stand stolz zwischen den Bäumen. Der Wind spielte mit ihrem langen schwarzen Haar.

Der Offizier musterte sie von Kopf bis Fuß, und seine Augen leuchteten. Ohne den anderen Soldaten anzusehen, gab er den Befehl, mich anzuketten. Dann steckte er sein Schwert in die Scheide, ohne den Blick von Talena zu nehmen. »Das Mädchen kette ich selbst an«, sagte er, zog eine Kette aus seinem Beutel und näherte sich dem Mädchen. »Die Kette wird nicht nötig sein«, sagte sie stolz.

Das werde ich entscheiden«, sagte der Offizier und lachte, als er das Metall am Hals des Mädchens befestigt. Er zog spielerisch daran. »Hätte ich mir nie träumen lassen, einmal Marlenus Tochter an der Kette zu haben.«

»Du Ungeheuer!« zischte sie.

»Ich sehe, daß ich dir noch den gehörigen Respekt beibringen muß«, sagte er, legte seine Hand zwischen Hals und Kette, zog sie zu sich heran. Mit wilder Gebärde stürzte er sich plötzlich über sie, und das Mädchen, das rückwärts in das Gras gedrückt wurde, schrie auf. Der zweite Soldat schaute zu. Er hoffte sicherlich, daß auch er noch an die Reihe käme. Ich hob die schweren metallenen Handfesseln und versetzte ihm damit einen Schlag gegen die Schläfe. Lautlos sank er zu Boden.