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Ich wußte, daß sie die Wahrheit sprach. Eine hilflose Frau hatte auf den Ebenen Gors keine Chance. »Wie kann ich dir nur trauen?« fragte ich.

»Das kannst du nicht«, sagte sie offen. »Denn ich stamme aus Ar und muß dein Feind bleiben.«

»Dann ist es nur in meinem Interesse, wenn ich dich zurücklasse«, sagte ich.

»Aber ich kann dich zwingen, mich mitzunehmen.« Und sie kniete vor mir nieder, senkte den Kopf und hob mir ihre gekreuzten Arme entgegen.

»Nun mußt du mich mitnehmen – oder mich umbringen, was du bestimmt nicht machst.«

Ich verfluchte sie.

»Was ist die Unterwerfung Talenas, der Tochter des Ubar, wert?« fragte ich spöttisch.

»Nichts«, sagte sie. »Aber du mußt sie akzeptieren oder mich umbringen.«

Wütend stapfte ich zu der Sklavenfessel im Gras und nahm auch eine Sklavenhaube und die Kette auf.

»Wenn du schon eine Gefangene sein willst«, sagte ich, »sollst du auch entsprechend behandelt werden. Ich nehme deine Unterwerfung an.«

Ich fesselte sie, nahm ihr den Dolch ab und steckte ihn in meinen Gürtel.

Ärgerlich warf ich ihr beide Bündel über die Schulter. Dann nahm ich die Armbrust auf und verließ die Lichtung. Das verhüllte Mädchen zerrte ich hinter mir her. Zu meinem Erstaunen lachte sie unter ihrer Haube.

9

Wir wanderten zusammen durch die Nacht, Flüchtlinge unter den drei Monden Gors. Kurz nach Verlassen der Lichtung hatte ich eine spöttische Talena von Haube und Fesseln befreit. Als wir die Kornfelder überquerten, erklärte sie mir die Gefahren, die uns hier drohten – von den Raubtieren der Ebenen und von vorbeiziehenden Fremden. Übrigens ist es von Interesse festzuhalten, daß in der goreanischen Sprache die Bezeichnung für einen Fremden mit dem Wort Feind identisch ist.

Talena schien von neuem Leben erfüllt, als wäre sie sehr froh über ihre Flucht aus den Hohen Gärten. Sie war nun eine relativ freie Person. Der Wind zerrte an ihrem Haar, und sie atmete ihn ein wie Ka-la-na-Wein. Ich spürte, daß sie sich in meiner Begleitung freier fühlte, als sie je zuvor gewesen war. Ihre Fröhlichkeit war seltsam ansteckend, und wir unterhielten uns und scherzten miteinander, als wären wir nicht die schlimmsten Feinde auf Gor.

Ich versuchte die Richtung nach Ko-ro-ba einzuschlagen. Nach Ar konnten wir unmöglich zurückkehren, da uns beiden dort der Tod drohte. In den meisten goreanischen Städten stand uns vermutlich ein ähnliches Schicksal bevor; die Freien Städte waren nicht gerade für ihre Gastfreundschaft bekannt. Im Hinblick auf den Haß, den die meisten Goreaner der Stadt Ar entgegenbrachten, war es unbedingt erforderlich, die Identität meiner schönen Begleiterin geheimzuhalten. Aber ich machte mir Sorgen. Was sollte Talena geschehen, wenn wir das unvorstellbare Glück hatten, Ko-ro-ba zu erreichen? Würde sie dort öffentlich aufgespießt oder den Wissenden von Ar übergeben werden? Oder gedachte man sie für den Rest ihrer Tage in ein Verlies unterhalb der Stadt zu verbannen? Vielleicht gestattete man ihr auch das Leben einer Sklavin.

Wenn sich Talena für diese Spekulationen interessierte, so ließ sie es sich nicht anmerken. Sie erklärte mir ihren Plan: »Ich werde als Tochter eines reichen Händlers auftreten, die du erobert hast«, erklärte sie. »Dein Tarn wurde von den Männern meines Vaters getötet, und du führst mich nun in deine Stadt, wo ich dein Sklave sein soll.« Widerstrebend stimmt e ich dieser Geschichte zu, die einigermaßen logisch klang. Talena und ich waren uns einig, daß die Gefahr, erkannt zu werden, relativ gering war, denn man würde allgemein annehmen, daß der Mann, der den Heimstein gestohlen und mit der Tochter des Ubar verschwunden war, seine unbekannte Ausgangsbasis längst wieder erreicht hatte.

Gegen Morgen aßen wir von unseren Rationen und füllten unsere Wasserflaschen an einer verborgenen Quelle. Anschließend badeten wir und legten uns schlafen. Zu Talenas Ärger band ich sie einige Meter entfernt fest, indem ich ihre Arme um einen jungen Baumstamm legte und zusammenband. Ich hatte keine Lust, während des Schlafes erdolcht zu werden.

Am Nachmittag zogen wir weiter und wagten uns schließlich sogar auf eine der breiten gepflasterten Straßen, die von Ar fortführten – eine Straße wie eine Mauer aus festen, zusammengefügten Steinen, die tausend Jahre lang halten sollte. Es herrschte sehr wenig Verkehr hier oben, vielleicht wegen des Chaos in der Stadt. Wenn es Flüchtlinge gab, waren sie sicher noch hinter uns, und nur wenige Händler näherten sich der Stadt. Wer wollte schon seine Güter in einem Chaos aufs Spiel setzen? Und wenn

uns von Zeit zu Zeit ein Reisender entgegenkam, näherten wir uns nur vorsichtig. Wie in meinem Heimatland England hält man sich auf der linken Seite der Straße – was mehr als nur eine Angewohnheit ist. Wenn man nämlich links geht, ist der Schwertarm dem Entgegenkommenden zugewandt.

Unsere Besorgnis schien unbegründet, und bald hatten wir mehrere Pasangsteine passiert, ohne etwas Bedrohliches gesehen zu haben als einige Bauern, die Schilf auf dem Rücken trugen, und zwei dahineilende Wissende. Einmal jedoch zog mich Talena von der Straße, und wir vermochten unser Entsetzen kaum zu verbergen, als ein Aussätziger an uns vorüberschritt. Er litt an der unheilbaren Dar-Kosis – Krankheit. Er war in gelbe Lumpen gekleidet und betätigte eine hölzerne Rassel, die alle Entgegenkommenden warnte.

Langsam wurde es einsamer; die Straße schien überhaupt weniger begangen zu sein. Gras wuchs in den Steinritzen, die Radspuren verloren sich fast. Wir passierten mehrere Kreuzungen, doch ich hielt die Richtung nach Ko-ro-ba. Was wir tun sollten, wenn wir den verwüsteten Landgürtel und das Ufer des Vosk-Flusses erreichten, wußte ich nicht. »Wir werden nie nach Ko-ro-ba kommen«, sagte Talena verzweifelt. In dieser Nacht aßen wir die letzten Rationen auf und leerten eine der Wasserflaschen. Als ich das Mädchen fesseln wollte, stieß sie mich zur Seite.

»Wir müssen ein besseres Arrangement finden«, sagte sie und warf die Armfessel zu Boden. »Das ist unbequem.« »Was schlägst du vor?«

Sie sah sich um und lächelte plötzlich. »Hier«, sagte sie, nahm eine Sklavenkette aus meinem Beutel, wickelte sie mehrmals um ihr schlankes Fußgelenk und verschloß sie. Den Schlüssel drückte sie mir in die Hand. Dann brachte sie die Kette zu einem nahen Baum, bückte sich und schlang das lose Ende um den Stamm. »Gib mir die Sklavenfessel!« befahl sie. Ich brachte ihr das Gewünschte, und sie führte die beiden Ringe der Handfessel durch den Teil der Kette, der um den Baum gewickelt war, schloß sie und überließ mir ebenfalls den Schlüssel. »Siehst du, kühner Tarnsmann«, sagte sie. »Ich will dich lehren, wie man eine Gefangene behandelt! Du kannst nun in Frieden schlafen, und ich verspreche dir, ich schneide dir heute nacht nicht die Kehle durch.«

Ich lachte und nahm sie kurz in die Arme. Plötzlich spürte ich, wie mein Herz schneller schlug. Auch Talena reagierte auf meine Berührung. Ich wollte sie überhaupt nicht mehr loslassen, wollte sie nur noch für mich.

Nur unter Aufbietung aller Willenskräfte konnte ich mich dem magischen Zwang ihrer Augen entziehen.

»So«, sagte sie verächtlich, »so behandelt also ein Tarnkämpfer die Tochter eines reichen Kaufmanns!«

Ich legte mich ins Gras und wandte mich ab. Lange Zeit konnte ich nicht einschlafen.

Am Morgen verließen wir sehr früh unser Lager. Unser Frühstück bestand aus einem Schluck Wasser und einigen kleinen trockenen Beeren, die wir an Büschen fanden. Wir waren noch nicht lange unterwegs, als Talena meinen Arm ergriff. Ich horchte und machte das Stampfen eines Tharlarions aus. »Ein Krieger«, sagte ich.

»Schnell«, befahl sie. »Die Haube!«

Ich stülpte ihr die Haube über und fesselte sie hastig.

Das Klirren der Klauen des Tharlarions wurde lauter.

Gleich darauf kam der Reiter in Sicht, ein prächtiger, bärtiger Krieger mit goldenem Helm und Tharlarionlanze. Er brachte die Reitechse wenige Meter vor mir zum Stehen. Er ritt einen Tharlarion von der Art, die man als Großen Tharlarion bezeichnet, ein Tier, das sich in großen Sprüngen auf den Hinterbeinen fortbewegt. Die beiden lächerlichen kleinen Vorderbeine hingen nutzlos herab.