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»Nein«, flehte Talena, die nun zum erstenmal wirklich ängstlich wirkte.

»Heute gebe ich ihr noch kein Brandzeichen«, sagte ich mit ernstem Gesicht.

»Bei den Priesterkönigen!« lachte Kazrak. »Ich glaube fast, du hast etwas für diesen wilden Tharlarion übrig!«

»Laß uns allein, Krieger«, sagte ich.

Wieder lachte Kazrak, blinzelte mir zu und zog sich mit ironischer Verbeugung zurück.

»Wie kannst du es wagen«, tobte Talena, »die Tochter des Ubar von Ar zu fesseln!« Verzweifelt bäumte sie sich unter meinem Griff.

»Die Tochter des Ubar von Ar«, sagte ich, »trägt den Kragen Tarls aus Bristol.«

Sie zitterte vor Wut, doch dann nahm sie sich zusammen. Sie versuchte das Gesicht zu wahren. »Vielleicht ist es wirklich angemessen, daß ein Tarnkämpfer der gefangenen Tochter eines reichen Kaufmanns seinen Kragen umlegt.«

»Oder der Tochter eines Ziegenhirten«, fügte ich hinzu.

Ihre Augen blitzten. »Ja, vielleicht«, sagte sie. »Gut, ich erkenne an, dass dein Plan vernünftig ist!« Herrisch streckte sie mir ihre kleine Hand entgegen. »Aber gib mir den Schlüssel«, fuhr sie fort, »damit ich den Kragen abnehmen kann, wenn es mir gefällt.«

»Ich behalte den Schlüssel«, sagte ich. »Und er wird abgenommen, wenn es mir gefällt, wenn überhaupt.«

Sie richtete sich wütend auf. »Na gut«, entgegnete sie. Dann fiel ih r Blick auf den zweiten Gegenstand, den Kazrak mir geschenkt hatte – die Sklavenpeitsche. »Was soll das?«

»Du bist doch bestimmt mit einer Sklavenpeitsche vertraut?« fragte ich, nahm sie auf und schlug mir damit in die Handfläche.

»Ja«, sagte sie leise. »Ich habe sie oft genug bei meinen Sklaven benutzt. Willst du sie auch bei mir...?«

»Wenn nötig«, sagte ich.

»Du hättest ja nicht den Mut dazu«, sagte sie.

»Eher schon die Lust«, sagte ich.

Sie lächelte. Ihre nächste Bemerkung verblüffte mich. »Benutze sie ruhig, wenn ich dir nicht gefalle, Tarl aus Bristol«, sagte sie und wandte sich ab.

In den nächsten Tagen zeigte sich Talena zu meiner Überraschung aufgeschlossen und fröhlich. Sie interessierte sich für die Karawane und marschierte stundenlang neben den bunten Wagen her, ließ sich von den Kutschern manchmal ein Stück mitnehmen, erbettelte eine Frucht oder eine Süßigkeit von ihnen. Sie unterhielt sich angeregt mit den Passagieren der blauen und gelben Wagen, übermittelte ihnen Neuigkeiten und Klatsch und neckte sie mit dem Aussehen ihrer künftigen Herren.

Sie wurde zum Liebling der ganzen Karawane. Ein- oder zweimal zeigten sich berittene Krieger des Zuges an ihr interessiert, aber als sie die Aufschrift des Halsbandes lasen, zogen sie sich knurrend zurück und ertrugen mit saurer Miene ihre spöttischen Bemerkungen. Am Nachmittag, wenn das Lager aufgeschlagen wurde, half sie Kazrak und mir beim Zeltbau und sammelte anschließend Feuerholz. Sie kochte auch für uns, kniete neben dem Feuer, die Haare zurückgebunden, damit sie nicht in die Flammen gerieten, das Gesicht schweißüberströmt, den Blick starr auf das Stück Fleisch gerichtet, das dann zumeist doch noch anbrannte. Nach dem Essen säuberte sie unsere Sachen, saß auf dem Zeltteppich zwischen uns und erzählte uns von den angenehmen Kleinigkeiten ihres Tages.

»Die Sklaverei bekommt ihr anscheinend gut«, sagte ich zu Kazrak.

»O nein, nicht die Sklaverei«, sagte er lächelnd. Und ich wußte nicht, was diese Bemerkung bedeuten sollte. Talena errötete, senkte den Kopf und polierte mit heftiger Bewegung meine Tharlarionstiefel.

11

Mehrere Tage lang fuhr die Karawane durch den Verwüsteten Streifen, der das Reich Ar begrenzte. Aus der Ferne hörten wir nun das gedämpfte Dröhnen des Vosk. Als die Karawane einen Hügel überfuhr, erblickten wir am Flußufer vor uns eine unglaubliche Szene. Ein Lager aus zahlreichen bunten Zelten erstreckte sich bis zum Horizont, eine schnell errichtete Stadt für eine der größten Armeen, die je auf den Ebenen Gors zusammengekommen waren. Die Flaggen von hundert Städten flatterten über den Zelten, und durch das beständige Rauschen des Flusses war das Dröhnen großer Tarntrommeln zu hören – jener Trommeln, deren Signale die komplizierten Kriegsformationen der fliegenden goreanischen Kavallerie steuerten. Talena rannte neben meinem Tharlarion her, und mit meiner Lanze hob ich sie in den Sattel, damit sie besser sehen konnte. Zum erstenmal seit vielen Tagen stand Wut in ihren Augen. »Die Geier kommen und fallen über die verwundeten Tarnkämpfer her.«

Ich schwieg, denn ich wußte, daß letztlich ich für diesen Aufmarsch verantwortlich war. Ich hatte den Heimstein Ars gestohlen und damit den Niedergang Marlenus ausgelöst, dessen Flucht nun wiederum den Ausbruch des Chaos bewirkt hatte.

Talena beugte sich zurück, und ihre Schultern zuckten. Sie weinte. Wenn es mir möglich gewesen wäre, die Vergangenheit umzuschreiben, hätte ich in diesem Augenblick den Raub des Heimsteins am liebsten rückgängig gemacht.

Heute schlugen wir unser Lager nicht zur üblichen Zeit auf, sondern versuchten vor Einbruch der Dunkelheit die große Zeltstadt zu erreichen. Auf diesen letzten Pasangs verdienten sich die Wächter der Karawane -so auch ich – ihren Lohn, denn wir wurden mehrmals angegriffen, zuletzt von einem Dutzend Tarnkämpfer, die es auf unseren Waffenwagen abgesehen hatten. Doch sie wurden von einem Hagel von Armbrustpfeilen empfangen und zogen sich zurück. In dieser Nacht brachten wir die Karawane in das eingezäunte Lager, das von Pa-Kur, dem Meisterattentäter, für Mintar vorbereitet worden war. Pa-Kur war der Ubar dieser riesigen, unorganisierten Kriegsbande. Die Karawane wurde abgesichert, und in wenigen Stunden sollte das Geschäft beginnen. Die Karawane wurde dringend erwartet, und die Waren mußten gute Preise bringen.

Mein Plan, den ich Talena auseinandersetzte, war einfach. Ich wollte einen Tarn erwerben, wenn ich ihn mir leisten konnte; Notfalls gedachte ich das Tier zu stehlen. Und dann wollten wir nach Ko-ro -ba fliehen. Die Sache mochte riskant sein, aber es war immer noch besser, als den Vosk in einem Boot zu überqueren und den Weg zu Fuß oder auf dem Rücken eines Tharlarions fortzusetzen.

Talena wirkte niedergeschlagen – ein seltsamer Gegensatz zu der Lebhaftigkeit der vergangenen Tage. »Was wird aus mir in Ko-ro-ba?« fragte sie.

»Ich weiß es nicht«, sagte ich lächelnd. »Vielleicht könntest du Tavernensklavin werden.«

Sie lächelte bitter. »Nein, Tarl aus Bristol«, sagte sie. »Vermutlich werde ich aufgespießt, denn ich bin und bleibe Marlenus Tochter.«

Ich schwieg, aber ich war entschlossen, nicht ohne sie zu leben. Sollte sie in Ko-ro-ba ihr Schicksal finden, so wollte ich mit ihr sterben. Talena stand auf. »Heute abend«, sagte sie, »trinken wir Wein.« Es war ein goreanischer Ausdruck, mit dem die Ereignisse der Zukunft den Priestergöttern überlassen werden.

»Trinken wir Wein«, sagte ich.

In dieser Nacht nahm ich Talena mit in die Stadt der Zelte, und im Licht der Fackeln wanderten wir Arm in Arm durch die belebten Straßen. Hier gab es nicht nur Krieger und Tarnkämpfer, sondern auch Händler und Bauern, Lagerfrauen und Sklaven. Fasziniert klammerte sich Talena an meinem Arm fest. Wir beobachteten in einem Zelt einen bronzehäutigen Riesen, der Feuerbälle zu verschlucken schien; im nächsten Zelt bot ein Seidenhändler seine Stoffe an, und im dritten drehten sich Sklavenmädchen und tanzten, während ihr Herr den Mietpreis hinausschrie.

»Ich möchte den Markt sehen«, sagte Talena eifrig, und ich wußte, welchen Markt sie meinte. Widerstrebend führte ich sie zu dem großen Zelt aus blauer und gelber Seide. Wir drängten uns zwischen den heißen, stinkenden Körpern der Käufer hindurch, bis wir schließlich ziemlich weit vorn standen. Aufgeregt sah Talena zu, wie dort oben ein Mädchen nach dem anderen auf einen großen runden Holzblock geführt und verkauft wurde.

»Sie ist schön«, sagte Talena, wenn der Auktionär die Schleife des einfachen Umhangs eines Mädchens öffnete und das Kleidungsstück zu Boden fiel. Bei einem anderen Mädchen schnaubte sie verächtlich. Sie kannte einige der Sklavinnen aus der Karawane und schien ihre Freundinnen und Feindinnen zu haben.