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Ungeduldig legte ich den Stein beiseite. Viel wichtiger für mich war der weitere Inhalt der Satteltasche – meine restlichen Vorräte, für den Heimflug nach Ko-ro-ba bestimmt. Zunächst öffnete ich eine der beiden Wasserflaschen und nahm eine getrocknete Ration. Und hoch oben auf dem windumtosten Felsvorsprung verzehrte ich ein Mahl, das mir schmeckte wie kein Essen zuvor, obwohl es nur aus einigen Schlucken Wasser, alten Keksen und einem Stück Trockenfleisch bestand. Ich leerte die Satteltasche völlig und fand zu meinem Entzücken alte Karten und das Gerät, das den Goreanern als Kompaß und auch als Chronometer dient. Soweit ich es nach der Karte und meinen Erinnerungen bestimmen konnte, befand ich mich in den Voltai-Bergen, manchmal auch das Rote Gebirge genannt, südlich vom Fluß und östlich von Ar. Das bedeutete, daß ich die große Straße doch überquert hatte, aber ich wußte nicht, ob das vor oder hinter Pa-Kurs Kriegshorde geschehen war.

Ich nahm nun Schnüre und Ersatzsehnen aus der Tasche, die mir bei der Reparatur des Sattels und der Zügel nützen sollten. Es war schade, daß ich keinen Ersatz-Tarnstab in der Tasche gehabt hatte, auch wäre mir jetzt eine zweite Tarnpfeife sehr

zugute gekommen. Meine war verlorengegangen, als mich Talena kurz nach der Flucht vom Rücken meines Tarn warf. Ich wußte nicht, ob sich der Vogel ohne Tarnstab lenken ließ. Bei meinen bisherigen Flügen hatte ich ihn nur selten eingesetzt – sogar seltener, als allgemein empfohlen wird, aber er war stets für den Notfall zur Stelle gewesen. Nun hatte ich ihn nicht bei mir. Ob ich d Tier as zumindest eine Zeitlang kontrollieren konnte, würde davon abhängen, ob seine Jagd erfolgreich gewesen war – und sicherlich auch davon, wie der plötzliche Einfluß der Freiheit auf den Vogel gewirkt hatte. Mit meinem Speer konnte ich den Tarn töten, aber das brachte mich noch nicht von diesem Felsplateau fort. Ich hatte keine Lust, in der Einsamkeit hier oben zu verhungern.

In den nächsten Stunden reparierte ich nach besten Kräften Zügel und Sattel mit den Schnüren, die mir zur Verfügung standen. Als sich das gewaltige Reittier wieder auf dem Felsvorsprung niederließ, hatte ich meine Arbeit beendet, und die verschiedenen Gegenstände waren sogar wieder in der Satteltasche verstaut. Dabei hatte ich auch den Heimstein Ars mit eingesteckt – jenes unansehnliche Felsstück, das mein Schicksal so sehr beeinflußt hatte.

In den Krallen des Tarn hing eine tote Antilope; Hals und Kopf rollten haltlos hin und her. Als der Tarn seine Beute aufgefressen hatte, näherte ich mich dem Tier und sprach zutraulich zu ihm, als wäre das etwas ganz Normales. Ich ließ den Vogel einen Blick auf das Geschirr werfen und befestigte es dann mit gemessenen Bewegungen an dem gefiederten Hals. Anschließend warf ich den Sattel auf den Rücken des Tarn und kroch unter seinen Bauch, um die Gurte festzuziehen. Schließlich stieg ich ruhig die frisch reparierte Steigleiter hinauf, zog sie hoch und befestigte sie an der Seite des Sattels. Ich blieb einen Augenblick reglos sitzen und zog dann entschlossen am ersten Zügel. Erleichtert atmete ich auf, als sich das schwarze Ungeheuer in die Lüfte schwang.

13

Ich wählte den Kurs nach Ko-ro-ba. In meiner Satteltasche trug ich eine Siegestrophäe, die inzwischen wertlos geworden war -

jedenfalls für mich. Sie hatte ihre Wirkung längst getan. Ihr Verschwinden hatte bereits ein Imperium ins Wanken gebracht und zumindest für den Augenblick die Unabhängigkeit Ko-ro-bas und ihrer feindlichen Schwesterstädte gesichert. Und doch brachte mir mein Sieg -wenn man ihn so bezeichnen konnte – keine Freude. Ich hatte das Mädchen verloren, das ich liebte, so grausam und undankbar sie auch gewesen sein mochte.

Ich ließ den Tarn ansteigen, bis ich ein Gebiet von etwa zweihundert Pasang überschauen konnte. Weit entfernt war der silberne Streifen zu erkennen, bei dem e s sich um den großen Vosk handeln mußte; davor die Grenze zwischen der grasbestandenen Ebene und dem Verwüsteten Streifen. Ich überschaute einen Teil der Voltai-Berge, entdeckte im Süden den Widerschein des Abendlichts auf den Türmen Ars und beobachtete im Norden, vom Vosk näher kommend, den Schimmer unzähliger Kochfeuer, das Nachtlager Pa-Kurs. Als ich den zweiten Zügel zog, um den Tarn in Richtung Ko-ro-ba zu lenken, entdeckte ich etwas Unerwartetes unmittelbar unter mir. Ich war verblüfft. Von den schroffen Felsen des Voltai abgeschirmt, nur von hier oben zu erkennen, sah ich vier oder fünf kleine Feuer, wie sie etwa das Lager einer Bergpatrouille oder einer kleinen Jagdgesellschaft zieren mochten – Jäger, die es auf die geschickte goreanische Bergziege abgesehen hatten oder auf den gefährlichen Larl, ein gelbbraunes leopardenähnliches Raubtier, das oft in den goreanischen Bergen anzutreffen ist. Dieses Ungeheuer erreicht aufgerichtet eine Größe von zwei Metern und ist wegen seiner gelegentlichen Ausflüge in die Zivilisation gefürchtet. Neugierig lenkte ich den Tarn hinab; es kam mir unwahrscheinlich vor, daß sich derzeit eine Patrouille aus Ar in den Voltai-Bergen aufhielt, ganz zu schweigen von einer Jagdgesellschaft. Als ich näher kam, wurde mein Verdacht bestätigt. Vielleicht hörten die Männer des geheimnisvollen Lagers den Schlag der Tarnflügel, vielleicht war ich auch einen Sekundenbruchteil lang als Silhouette vor einem der drei goreanischen Monde zu sehen – jedenfalls verschwanden die Feuer plötzlich in einem Funkenregen, und die glühende Asche wurde sofort völlig ausgetreten. Gesetzlose, vielleicht Deserteure aus der Armee von Ar. Es mochte viele geben, die sich in den Bergen in Sicherheit brachten. Meine Neugier war gestillt, und ich hatte wenig Lust, in der Schwärze

dort unten zu landen, wo aus jeder Richtung ein Pfeil heranhuschen konnte, und ich zog an dem ersten Zügel und machte Anstalten, nach Ko-ro-ba zurückzukehren, von wo ich vor einigen Tagen – vor einer Ewigkeit – gestartet war.

Als sich der Tarn in die Lüfte schwang, hörte ich den unheimlichen Jagdschrei des Larl. Mein Tarn schien mitten im Flug zu erschaudern. Der Schrei wurde erwidert und fand bald auch ein drittes Echo in einiger Entfernung. Wenn der Larl allein jagt, geht er stumm vor und äußert keinen Laut, bis auf das plötzliche Brüllen, das den eigentlichen Angriff einleitet und das Opfer im entscheidenden Augenblick vor Schreck lahmen soll. Doch heute nacht war eine ganze Larlhorde auf der Pirsch, und die Schreie sollten die Beute, die gewöhnlich aus mehreren Tieren bestand, in die Richtung treiben, in der Stille herrschte. Dort wartete dann gewöhnlich der Rest des Rudels.

Die drei Monde schimmerten hell, und in dem exotischen Gewirr aus Licht und Schatten erblickte ich einen der Larls, der lautlos dahintrottete; sein Körper wirkte fast weiß im Mondschein. Das Ungeheuer blieb stehen, hob witternd den breiten Kopf und stieß wieder seinen Jagdschrei aus, der sofort von Westen und Südwesten erwidert wurde. Plötzlich verharrte das Tier und stellte seine spitzen Ohren auf. Ich dachte schon, daß es vielleicht meinen Tarn gehört hätte, doch es kümmerte sich nicht um uns.

Ich steuerte den Tarn in weiten Kreisen niedriger und behielt den Larl im Auge. Der Schwanz des Tieres begann ärgerlich hin und her zu peitschen. Es duckte sich. Dann huschte es los, setzte vorsichtig eine Pranke vor die andere, zuerst die Krallen und dann den Pfotenballen -eine Bewegung, die ebenso schön wie erschreckend war. Offenbar ging dort unten etwas Ungewöhnliches vor. Irgendein Tier schien zu versuchen, den Kreis der Larls zu durchbrechen. Der Larl hatte durchaus etwas dagegen, daß ihm ein einzelnes Tier entwischte, obwohl er damit riskierte, den Kreis der jagenden Raubtiere zu öffnen. Auch wenn er sich zu Rudeln zusammenfindet, bleibt er doch immer ein einsamer Jäger.

Erschreckt machte ich plötzlich die Beute des Larls aus. Es war ein Mensch, der sich mit überraschender Schnelligkeit in dem rauhen Gelände bewegte. Zu meiner Verblüffung sah ich, daß er die gelben Lumpen eines Dar-Kosis -Aussätzigen trug, jener ansteckenden unheilbaren Krankheit Gors.