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»Ihrer Gerechtigkeit«, sagte ich.

»Ja, meiner Gerechtigkeit, wenn du willst«, sagte er.

Marlenus setzte den Heimstein auf dem Boden ab und zog sein Schwert, das er quer vor sich über die Knie legte; er wirkte wie ein erzürnter Kriegsgott.

»Weißt du, Tarnsmann«, sagte er, »daß es ohne das Schwert keine Gerechtigkeit gibt?« Er lächelte grimmig. »Das ist eine entsetzliche Wahrheit«, sagte er. »Bedenke es wohl! Ohne diese Klinge gibt es nichts – keine Gerechtigkeit, keine Zivilisation, keine Gesellschaft, keine Gemeinschaft, keinen Frieden. Ohne das Schwert ist nichts.«

»Aber mit welchem Recht ist es das Schwert des Marlenus, das Gor die Gerechtigkeit bringt?«

»Du verstehst mich nicht«, sagte Marlenus. »Auch das Recht, von dem du so ehrerbietig sprichst, verdankt seine Existenz dem Schwert.«

»Ich halte das für falsch«, sagte ich. »Ich hoffe jedenfalls, daß es falsch ist.«

Marlenus blieb ruhig. »Vor dem Schwert ist nichts richtig oder falsch – vor dem Schwert besteht nur die Realität Es gibt keine Gerechtigkeit, solange nicht das Schwert sie schafft, etabliert, garantiert, ihr Substanz und Bedeutung gibt.«

»Aber«, sagte ich, »was ist mit dem Traum vom mächtigen Ar, von dem du gesprochen hast, dem Traum, den du für gut und richtig hieltest?«

»Ja?« fragte Marlenus.

»Ist das ein guter Traum?« fragte ich.

»Ja, es ist ein guter Traum«, sagte er.

»Und doch«, sagte ich, »hat dein Schwert noch nicht die Kraft gefunden, ihn Wirklichkeit werden zu lassen.«

Marlenus sah mich nachdenklich an und lachte. »Bei den Priesterkönigen«, sagte er, »ich glaube fast, diesen Wortwechsel habe ich verloren. – Aber wenn deine Worte die Wahrheit sind – wie scheiden wir dann die guten von den schlechten Träumen?«

Das schien mir eine schwierige Frage zu sein.

»Ich werd's dir sagen«, lachte Marlenus. Stolz schlug er auf seine Klinge.

»Hiermit!«

Nun erhob sich der Ubar und schob sein Schwert in die Scheide. Wie auf ein Signal kamen einige seiner Tarnkämpfer in die Höhle und ergriffen mich.

»Spießt ihn auf!« sagte Marlenus.

Die Männer begannen meine Fesseln zu lösen, damit ich frei auf die Lanze gespießt werden konnte, was vermutlich auch ein besseres Schauspiel bot, als wenn ich gefesselt gewesen wäre.

»Deine Tochter Talena lebt«, sagte ich zu Marlenus. Er schien sich nicht sonderlich für das Thema zu interessieren. Wenn er jedoch ein Mensch war, mußte er wissen wollen, was aus ihr geworden war.

»Sie hätte mir tausend Tarns gebracht«, sagte Marlenus. »Setzt die Vollstreckung fort.«

Die Kämpfer umfaßten meine Arme. Zwei weitere Männer nahmen die Tharlarionlanze aus der Vertiefung und brachten sie vor. Ich sollte nun damit aufgespießt und daran in die Höhe gehievt werden.

»Sie ist immerhin deine Tochter«, sagte ich zu Marlenus. »Sie lebt.«

»Hat sie sich dir unterworfen?« fragte Marlenus.

»Ja«, sagte ich.

»Dann hat sie ihr Leben höher bewertet als meine Ehre.«

Plötzlich wich die seltsame Lähmung, die mich befallen hatte, und Wut erfüllte mich. »Deine Ehre sei verdammt!« brüllte ich.

Ohne nachzudenken, riß ich mich von den beiden Tarnkämpfern los, als wären sie Kinder, stürzte mich auf Marlenus und versetzte ihm einen heftigen Faustschlag ins Gesicht. Verblüfft taumelte er zurück. Ich wandte mich gerade noch rechtzeitig zurück, um die Lanze zur Seite zu schlagen, die – von zwei Männern geführt – meinen Rücken durchbohren sollte. Ich griff danach, drehte sie herum und benutzte sie als Sprungstab, der von den beiden Männern gehalten wurde. Ich sprang in die Luft und trat dabei nach meinen Gegnern. Ich hörte sie schmerzerfüllt aufschreien und fand mich allein im Besitz der Lanze. Etwa fünf oder sechs Tarnkämpfer rannten auf den breiten Höhleneingang zu, doch ich griff sofort an, die Lanze parallel zu meinem Körper haltend, hieb ich mit fast übernatürlichen Kräften zu und drückte die Männer aus der Höhle. Ihre Schreie mischten sich mit Wutgebrüll, als nun die anderen Tarnkämpfer zum Angriff übergingen.

Einer hob eine Armbrust, und ich schleuderte die Lanze. Er stürzte rückwärts zu Boden; der Lanzenschaft ragte aus seiner Brust, und der Bolzen aus seiner Waffe prallte funkensprühend gegen die Decke über meinem Kopf. Einer der Männer lag zu meinen Füßen. Ich zerrte das Schwert aus der Scheide. Ich begann mich zu wehren und tötete den ersten Mann, der auf mich eindrängte, und verwundete den zweiten – wurde jedoch langsam in die Höhle hineingedrängt. Ich hatte keine Chance, aber ich gedachte meine Haut teuer zu verkaufen.

Während des Kämpfens hörte ich das brüllende Gelächter Marlenus hinter mir, der sich darüber freute, daß sich die einfache Aufspießung zu einem Kampf entwickelt hatte, der so recht nach seinem Herzen war. In einer Kampfpause fuhr ich zu ihm herum – in der Hoffnung, ihn überraschen zu können, doch im gleichen Augenblick trafen mich meine eigenen Fesseln ins Gesicht; Marlenus hatte sie wie ein Lasso geschleudert, so daß sie sich um meinen Hals wickelten. Ich schluckte und schüttelte den Kopf, um das Blut aus meinen Augen zu vertreiben, doch im nächsten Augenblick war ich schon von einigen Tarnkämpfern überwältigt.

»Gut gekämpft, junger Krieger«, sagte Marlenus anerkennend. »Du hast wirklich nicht wie ein Sklave sterben wollen.« Er wandte sich an seine Männer. »Was meint ihr«, lachte er, »hat dieser Krieger sich das Recht verdient, den Tarntod zu sterben?«

»Das hat er!« sagte einer der Tarnkämpfer, der eine blutende Brustwunde versorgte.

Ich wurde nach draußen gezerrt, und an meinen Hand- und Fußgelenken wurden Fesseln angebracht. Die losen Enden – wurden mit breiten Lederriemen an zwei Tarns befestigt, von denen einer mein eigenes schwarzes Tier war.

»Du wirst in Stücke gerissen«, sagte Marlenus. »Das ist nicht angenehm, aber immer noch besser als die Aufspießung.«

Ich wurde fest angeknotet. Ein Tarnkämpfer bestieg den einen Vogel, ein zweiter das andere Tier.

»Ich bin noch nicht tot«, sagte ich. Es war eine dumme Bemerkung, aber ich hatte irgendwie das Gefühl, daß meine Zeit noch nicht gekommen war.

Marlenus blieb ernst. »Du hast den Heimstein Ars gestohlen«, sagte er.

»Du hattest Glück.«

»Keiner entgeht dem Tarntod«, sagte einer der Männer.

Die Krieger des Ubar wichen zurück und machten den Tarns Platz.

Marlenus überprüfte noch einmal persönlich die Knoten, zog sie noch enger an.

»Möchtest du, daß ich dich gleich töte?« fragte er leise. »Der Tarntod ist kein schönes Ende.« Seine Hand, von seinen Männern durch den breiten Körper abgeschirmt, lag auf meinem Hals.

»Warum diese plötzliche Fürsorge?« fragte ich.

»Wegen eines Mädchens«, sagte er. »Wegen der Liebe, die sie für dich empfindet.«