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Vielleicht sind auch die Priesterkönige Mensch genug, um eitel zu sein -wenn es sich wirklich um Menschen handelt; niemand hat sie jemals gesehen. Sie sind vielleicht eitel genug, sich zu wünschen, daß Sie von ihrer Existenz erfahren, wenn auch nur auf eine Weise, die es Ihnen unmöglich macht, meinen Bericht ernsthaft hinzunehmen. Vielleicht gibt es Humor am Heiligen Ort, oder Ironie. Denn selbst wenn Sie mir glauben – was könnten Sie tun? Nichts – Sie mit Ihrer primitiven Technologie, auf die Sie so stolz sind; mindestens tausend Jahre lang könnten Sie nichts tun – und dann hat dieser Planet, wenn es den Priestergöttern gefällt, längst eine neue Sonne und neue Völker für seine grünen Gefilde gefunden.

3

»Ho!« rief Torm, ein recht untypisches Mitglied der Kaste der Schriftgelehrten, und zog seine blaue Robe über den Kopf, als könnte er meinen Anblick nicht länger ertragen. »Ja!« rief er und steckte seinen blonden Haarschopf zwischen den Stoff alten hervor. »Ja, ich hab's verdient! Warum muß ich, ein Idiot, immer mit Idioten gesegnet sein? Habe ich denn nichts Besseres zu tun? Warten hier nicht tausend Schriftrollen darauf, entziffert zu werden?« »Weiß ich nicht«, sagte ich.

»Schau doch!« rief er verzweifelt und machte eine hoffnungslose Geste. Auf ganz Gor hatte ich noch kein so unordentliches Zimmer gesehen. Sein breiter Holztisch war mit Papier und Tintenfässern übersät, der Boden bis zum letzten Quadratzentimeter voller Schriftrollen in Ständern und Stapeln. Eines der Fenster war gewaltsam erweitert worden, und ich stellte mir Torm mit einem Hammer vor, wie er ärgerlich auf die Wand einschlug, um mehr Licht für seine Arbeit zu gewinnen. Unter seinem Tisch stand ein Becken mit glühenden Kohlen, die ihm die Füße wärmten – gefährlich nahe am gelehrten Schrifttum, das den Boden bedeckte.

Torm war von schmächtiger Statur und erinnerte mich immer wieder an einen ärgerlichen Vogel, der mit Vorliebe die Eichhörnchen beschimpft. Die Goreaner, die ich bisher kennengelernt hatte, waren stets sehr sorgfältig gekleidet gewesen, aber Torm hatte offensichtlich Besseres zu tun. Dazu gehörte es anscheinend auch, Wesen wie mich, die keine Ahnung hatten, zu unterweisen.

Trotz seiner Exzentrik fühlte ich mich zu dem Mann hingezogen. Ich spürte etwas in ihm, das ich bewunderte – einen klugen und freundlichen Geist, einen Sinn für Humor und Liebe zum Lernen, eines der tiefsten und ehrlichsten Gefühle, das es geben kann. Diese Liebe für seine Schriftrollen und die Männer, die sie vor Jahrhunderten geschrieben hatten, beeindruckte mich eigentlich am meisten. Es mochte unglaublich scheinen, aber für mich war er der größte Gelehrte in der Stadt der Zylinder.

Ärgerlich wühlte sich Torm durch einen der gewaltigen Papierhaufen und fischte schließlich, auf Händen und Knien hockend, eine kleine magere Rolle hervor, setzte sie in die Lesevorrichtung ein – ein Metallrahmen mit Rollen an beiden Enden – und drehte die Rolle mit einem Knopfdruck zum Anfang.

»Al-Ka!« sagte Torm und deutete mit langem, gebietendem Finger auf ein Zeichen. »Al-Ka«, sagte er.

»Al-Ka«, wiederholte ich.

Wir sahen uns an und begannen zu lachen. Eine Freudenträne rollte ihm über die Nase, und seine hellblauen Augen, blitzten.

Ich lernte das goreanische Alphabet.

Die nächsten Wochen brachten allerhand Arbeit für mich, nur von sorgfältig berechneten Ruhepausen unterbrochen. Zuerst traten Torm und mein Vater als Lehrer auf, doch als ich mich in die Sprache einfühlte, kamen zahlreiche andere hinzu, die mich auf verschiedenen Spezialgebieten unterwiesen. Torm hatte das Englische eigentlich nur zur Übung und zum Spaß erlernt, da es nirgendwo auf dem Planeten gesprochen wurde; er fand offenbar Gefallen daran, seine Gedanken in einer völlig fremd en Sprache auszudrücken.

Meine Ausbildung erstreckte sich neben den geistigen Übungen auf Waffenkunde und den Gebrauch zahlreicher anderer Geräte, die den Goreanern etwa so vertraut sind, wie wir mit Addiermaschinen und Waagen umgehen.

Einer der interessantesten Apparate war der Übersetzer, der sich auf verschiedene Sprachen einstellen ließ. Obwohl es eine allgemein bekannte Hauptsprache auf Gor zu geben schien, die mehrere Dialekte oder Nebensprachen hatte, gab es einige Sprachen, die für mein Ohr überhaupt nicht wie Sprachen klangen; sie kamen mir eher wie Schreie von Vögeln und Raubtieren vor. Der Übersetzer war mir also eine große Hilfe.

Zu meiner freudigen Überraschung hatte mein Vater eines dieser Geräte auf Englisch eingerichtet – ein Umstand, der meinen Sprachstudien sehr förderlich war. Zu Torms Erleichterung konnte ich mit der Maschine auch selbst arbeiten, die im übrigen ein Wunder an Verkleinerung war. Etwa von der Größe einer tragbaren Reiseschreibmaschine, konnte sie immerhin auf vier nicht-goreanische Sprachen eingestellt werden. Die Übersetzungen fallen natürlich sehr wörtlich aus, und das Vokabular ist auf etwa 25000 Entsprechungen für jede Sprache beschränkt. Somit war die Maschine für eine verfeinerte Kommunikation nicht sehr geeignet.

Torm hatte mir nüchtern erklärt: »Du mußt dich mit der Geschichte und den Sagen Gors beschäftigen, mit seiner Geographie und Wirtschaft, mit seinen Gesellschaftsstrukturen und Gewohnheiten, wie etwa das Kastensystem und die Klanggruppen, mit dem Recht, den Heimstein zu setzen, mit dem Heiligen Ort, mit dem Kriegsrecht und so weiter.« Und ich wurde mit all dem vertraut. Von Zeit zu Zeit stieß Torm einen Entsetzensschrei aus, wenn ich einen Fehler machte, und dann nahm er traurig eine große Schriftrolle auf – mit dem Werk eines Autors, den er nicht mochte – und versetzte mir damit einen kurzen Schlag auf den Kopf. Wie auch immer – er war jedenfalls entschlossen, daß seine Ausbildung Früchte tragen sollte.

Seltsamerweise beschränkte sich die religiöse Unterweisung auf die Anbetung der Priesterkönige; meinen sonstigen Fragen wich Torm mit der Bemerkung aus, das sei Sache der Wissenden. Offensichtlich ist die Religion auf dieser Welt ein sorgsam gehütetes Kleinod der Kaste der Wissenden, die die Mitglieder anderer Kasten nur selten an ihren Opfern und Zeremonien teilnehmen läßt. Ich sollte einige Gebete zu den Priesterkönigen auswendig lernen, aber sie waren in Altgoreanisch gehalten, einer Sprache, die nur von den Wissenden gesprochen wurde, so daß ich mich nicht weiter darum kümmerte. Ich hatte ohnehin das Gefühl, daß zwischen der Kaste der Schriftgelehrten und der Kaste der Wissenden ein gespanntes Verhältnis bestand. Die ethischen Lebensregeln auf Gor sind im wesentlichen in den Gewohnheiten der Kasten festgehalten – Sammlungen von Hinweisen, deren Ursprünge sich in der Geschichte verlieren. Ich wurde besonders nach dem Kodex der Kriegerkaste erzogen.

»Du würdest ohnehin nie einen guten Schriftgelehrten abgeben«, sagte Torm.

Der Kodex der Krieger war von einer besonderen Ritterlichkeit bestimmt und unterstrich die Loyalität gegenüber den Oberen und dem Heimstein. Es waren harte Regeln, doch sie kannten Rücksichtnahme und Sinn für Ehre, den ich verstehen und mir aneignen konnte. Auch wurde ich im Doppelten Wissen unterwiesen – das heißt, ich erfuhr, was die Menschen im allgemeinen wußten und was die Intellektuellen im besonderen erfuhren. Manchmal bestand ein überraschender Unterschied zwischen den beiden Elementen. Zum Beispiel wurden die Menschen unter den Hohen Kasten in dem Glauben gelassen, daß die Welt eine breite flache Scheibe war. Vielleicht sollte damit jeder Versuch einer Erforschung verhindert werden. Andererseits erfuhren die Hohen Kasten – Krieger, Hausbauer, Schriftgelehrte, Wissende und Ärzte – die Wahrheit über solche Dinge. Ich begann mich allerdings zu fragen, ob nicht das Zweite Wissen, das der Intellektuellen, ebenso begrenzt war wie die Unterweisung auf der unteren Ebene, ob es nicht auch den Wissensdrang der Menschen zügeln und unterbinden sollte. Ich hatte das Gefühl, daß es noch ein Drittes Wissen gab, das den Priesterkönigen vorbehalten ist.