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Zungen klicken, Zehen spreizen,

Beine knicken, nur nicht geizen

mit den tausend Positionen

im Ballett der Klimazonen,

rosa rosa rosa rosa,

sonst herrscht Farbverbot.

Und jetzt alle: Hälse biegen!

Und jetzt alle: Köpfe wiegen!

Und jetzt alle: Losmarschieren!

Und jetzt alle: Kopf verlieren!

Und jetzt alle: Massenpanik!

Wie auf sinkender Titanic.

Ach, wir glaubten uns versteckt,

doch der Mensch hat uns entdeckt.

In die Luft! Nur noch ein Wort:

Fort und fort und fort und fort!

Wer nicht schnell genug ist heute,

bleibt und wird zur leichten Beute,

rosa rosa rosa rosa rosa rosa rot

rosa rosa rosa rosa

rosa rosa tot.

Que pasó en el bosque

Was im Wald geschah

Als Jonathan schließlich wagte aufzusehen, standen die Flamingos nicht mehr auf dem flachen Felsen. Sie würden wiederkommen. Auch die anderen Vögel, die ins Unterholz geflohen waren, würden wiederkommen. Nur einer, der käme vielleicht nicht wieder. José.

»Lass die Mariposa nicht allein«, hatte er gesagt.

»Aber dich, dich soll ich allein lassen?«, murmelte Jonathan. »Oskar«, sagte er dann. »Ich fürchte, du wirst eine Weile auf die Mariposa aufpassen müssen. Segle nicht ohne uns weg, ja?« Er versuchte zu lachen, doch das Lachen kratzte in der Kehle. Er betrachtete einen Moment lang die Roosevelt, die ebenfalls allein gelassen im Wasser lag. Und auf einmal wusste er, was er zu tun hatte. Er steckte das Brotmesser ein. Es würde scharf genug sein, um ein Tau zu durchtrennen.

Etwas bewegte sich auf seinem Kopf. Carmen, die Ratte. Sie schien entschlossen, ihn zu begleiten. Beinahe war er erleichtert darüber, nicht allein gehen zu müssen. Er schwamm ans Ufer und war kurz darauf über den flachen Felsen unterwegs, zu dem die Flamingos tatsächlich zurückgekehrt waren. Doch als sie ihn kommen sahen, stiegen sie direkt wieder auf, panisch, als wäre er der gefährlichste Feind, den sie sich vorstellen konnten.

Eine merkwürdige Sorte Feind, dachte Jonathan, ein Brotmesser in der Hand, eine Ratte auf dem Kopf.

Minuten nachdem er das Tau durchgesäbelt und das Militärschiff befreit hatte, trat er zwischen die ersten dornigen Büsche der Insel. Er folgte einer Spur aus umgeknickten Ästen.

»Ist das nicht seltsam?«, sagte er leise zu Carmen. »Hier wandere ich durch die Hitze, um einen zu retten, der alle Deutschen abknallen will. Aber er weiß natürlich nicht, wer ich bin. Manchmal glaube ich selbst beinahe, mein Name wäre Jonathan.«

Er ging auf den Ort zu, von wo die Schüsse gekommen waren, ins Inselinnere. Aber irgendwann war er sich nicht mehr sicher. Außer niedrigem Farn und Büschen war nichts zu sehen. Auf den Lavafelsen wanden sich die Ranken von verschwenderisch bunten Passiflorablüten, tausend kleine Vögel waren dort unterwegs, und große, träge Landleguane saßen sonnentrunken zwischen den Steinen. Manche von ihnen kamen näher, als sie Jonathan entdeckten.

»Habt ihr gesehen, wohin er gegangen ist?«, fragte Jonathan, erst auf Deutsch, dann auf Spanisch und schließlich auf Englisch. Die Leguane folgten ihm ein Stück, die hungrigen Augen auf seine Hosentaschen gerichtet. Schweigend.

»Ich suche einen Freund!«, rief Jonathan verzweifelt. »Meinen einzigen Freund! Alle anderen Freunde, die ich hatte, hat der Krieg verschluckt!«

Er dachte erst über seine Worte nach, als er sie hörte. Einen Freund. War José ein Freund? José, der nichts mit ihm gemein hatte? Der Tiere schoss und über den Pazifik segelte und alle Deutschen hasste? Er kannte ihn kaum. Aber es war die Wahrheit: Er war der Einzige, der ihm blieb. Den Einzigen durfte man nicht verlieren.

Die Bäume um Jonathan wurden höher, behängten sich mit dichten Flechten und schlossen sich zu einem Wald voll raschelnder grüner Schatten. Jonathan blieb stehen. Er hatte keine Chance, José zu finden.

Und genau da fand er ihn. Oder eigentlich fand Carmen ihn. Sie gab eine Serie aufgeregter Fieplaute von sich, kletterte an Jonathan hinab und wuselte davon, mitten hinein in ein dichtes Gebüsch. Jonathan folgte ihr. Als er die Zweige teilte, rieselten Millionen weißer Blütenblätter zu Boden. Sie rieselten auf das Gras einer felsigen Lichtung. Und dort lag José. Er lag auf der Seite, reglos, sein schwarzes Haar verklebt von Blut.

Jonathan schluckte. Dann sah er im beißenden senkrechten Sonnenschein, dass sich Josés Brust hob und senkte. Er atmete. Carmens kleiner brauner Körper schlängelte sich durch das hohe Gras und schmiegte sich gleich darauf in Josés reglose Hand. Jonathan wollte ihr folgen – da trat jemand auf der anderen Seite der Lichtung aus dem Unterholz.

Es waren zwei Männer. Zwei Männer in Uniform. Er machte einen Schritt zurück in den Schutz der weiß blühenden Zweige. Die Amis von der Roosevelt.

Sein erster Gedanke war: die Schüsse. Die Amis haben auf ihn geschossen. Aber wie viel Zeit war vergangen, seit er die Schüsse gehört hatte? Sicher mehr als eine Stunde. Niemand brauchte eine Stunde, um jemanden zu finden, auf den er eben noch geschossen hatte. Es ergab keinen Sinn. Jonathan fühlte ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. War noch jemand in diesem Wald unterwegs, noch jemand mit einem Gewehr? Jemand, der ganz nah war? Der ihn vielleicht die ganze Zeit beobachtet hatte?

Er sah, wie die Amis sich über José beugten und seine Taschen durchsuchten. Sie fanden darin nichts als Ersatzpatronen für Josés Gewehr. Keine Karte. José musste sie an Bord der Mariposa gelassen haben, zusammen mit der Pistole.

Schließlich hob einer der Männer José hoch und legte ihn sich über die Schulter wie einen Sack. Jonathan sah, wie Carmen sich an Josés Ärmel festkrallte. Tapfere kleine Reisratte, dachte er, aber was hast du vor?

Er dachte, die beiden würden zurück zur Küste gehen, doch sie schlugen die entgegengesetzte Richtung ein. Jonathan folgte ihnen leise durchs Dickicht. Sein Kopf arbeitete unaufhörlich, während er durch die grünen Schatten schlich. Was sollte er tun? Was konnte er tun? Es war schrecklich zu sehen, wie sie José mit sich fortschleppten. Ehe Jonathan daraufkam, was er tun konnte, sah er, wie José die Augen aufschlug. Zuerst bemerkte es nur Jonathan, doch dann bewegte sich José und die Männer blieben stehen.

»Sieh mal einer an, wer da zu sich kommt«, sagte der, der José trug. Er setzte ihn ab, lehnte ihn mit dem Rücken an einen Baumstamm und kniete sich neben ihn. Josés Blick war verschwommen, vernebelt, verwirrt.

»Wir haben dich vom Boden aufgesammelt«, sagte der andere Ami. »Was ist passiert?«

Jonathan sah aus seinem Versteck, wie José langsam den Kopf schüttelte. »Ich … ich weiß nicht«, sagte er in seinem gebrochenen Englisch.

»Du hast jedenfalls eins auf den Kopf gekriegt«, stellte der erste Mann fest. »Du bist von der Insel? Ich wusste nicht, dass es Einheimische gibt auf Santiago.«

José nickte schwach.

»Dein Gewehr«, sagte der zweite Mann, und zu Jonathans Erstaunen händigte er José tatsächlich sein Gewehr aus. »Lag neben dir. Warst auf der Jagd, was? Hast du dir selbst ein Loch in den Kopf geschossen?« Er lachte.

»Hör mal«, sagte der andere Mann, und jetzt war seine Stimme leiser und dringlicher. »Wir suchen jemanden. Jemanden, der mit einem Boot unterwegs ist. Wir haben ihn hier aus den Augen verloren, ganz in der Nähe, gestern Nacht. Hast du eine kleine Jacht gesehen, honigfarben, mit weißen Segeln?«