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Rudolf richtete sich auf und reichte Schuri die Hand ... »Ich verdanke dir das Leben, Schuri«, sagte er, »und werde die Schuld, – darauf verlaß dich, – gebührlich wett machen. Du hast Herz genug, um zu wissen, welches Gefühl mich in diesem Augenblicke bewegt: kein anderes als schwere Sorge um einen guten und ehrlichen Freund, dem du gleich mir das Leben gerettet hast, aber auch einen schrecklichen Rachedurst wider den Mann, der uns beinahe umgebracht hätte ... David«, wandte er sich an den Negerarzt, »ein Wort!« und er sprach eine Weile leise mit ihm.

David schauderte... »Sie zögern?« fragte Rudolf; »und doch haben wir so oft miteinander darüber gesprochen! Jetzt ist die Zeit da, den Plan in Ausführung zu bringen.« – »Von Zögern, gnädiger Herr, ist keine Rede. Ich stehe im Gegenteil ganz auf Ihrer Seite, was Ihre Anschauungen über eine vollständige Reform des Strafwesens anbetrifft. Aber die Strafe, die Sie verhängen wollen, ist, so einfach wie sie ist, doch zugleich schrecklich. Im vorliegenden Falle ist freilich ihre Anwendung gerechtfertigt. Der Räuber, über den sie verhängt werden soll, hat Verbrechen gerade genug begangen, um ihn lebenslänglich ins Bagno zu bringen, drei Totschläge: an dem Viehhändler, an Murph und an Ihnen! Die Strafe ist also nur gerecht.«

»Dabei bleibt ihm der unbegrenzte Horizont der Reue«, ergänzte Rudolf Davids Worte; »und mit fünftausend Franks, David, wird er doch auskommen?« – »Unbedingt, Hoheit!« – »Mein Freund«, wandte Rudolf sich an Schuri, der ganz verblüfft ihm zugehört hatte, »mit dem Herrn hier muß ich ein paar Worte sprechen. Tritt unterdes hier in dies Nebenzimmer. Auf dem Schreibtische wirst du eine Brieftasche finden. Nimm fünf Tausendfranks-Scheine heraus und bring sie mir her!« – »Für wen?« fragte Schuri unwillkürlich. – »Für Bakel! Zugleich sage den Leuten, daß sie ihn herschaffen.«

Siebentes Kapitel.

Bakels Strafe

In einem rot ausgeschlagenen, glänzend erleuchteten Zimmer, an einem großen, mit rotem Teppich bedeckten Tische sitzt, im langen schwarzen Schlafrock, der die Blässe seines Gesichts noch mehr hervorhebt, Rudolf zwischen dem schwarzen Arzte und Schuri. Auf dem Tische liegen zwei Brieftaschen. Die eine hat Bakel gestohlen, die andere gehört ihm. Neben ihnen liegt die vergoldete Kette der Eule, an der der kleine heilige Geist aus Lapis Lazuli hängt, ferner der noch blutige Dolch, mit dem Murph verwundet worden, das Brecheisen, dessen sich Bakel bei seinen Einbrüchen zu bedienen pflegt, endlich die fünf Tausendfranks-Scheine, die Schuri aus dem ihm von Rudolf bezeichneten Zimmer geholt hat.

Bakel liegt, noch immer gefesselt, auf einem in die Zimmermitte geschobenen großen Rollstuhle. Rudolf ist nicht mehr in gereizter Stimmung, sondern ruhig und gefaßt, ernst und bekümmert. Er steht im Begriffe, eine feierliche, schreckliche Tat zu begehen ... »Du bist aus dem Bagno von Rochefort entwichen. Du warst auf Lebenszeit verurteilt wegen Fälschung, Diebstahl und Mord. Dein wirklicher Name ist Anselm Duresnel.« – »Ich bestreite alles, was man mir nicht beweisen kann,« erwiderte Bakel trotzig. – »Was willst Du bewiesen haben?« fiel Schuri dazwischen, sich zu Bakel herumdrehend, »sind wir nicht beide zusammen in Rochefort gewesen?«

Rudolf winkte Schuri, zu schweigen, und fuhr fort: »Du bist Anselm Duresnel und wirst es, wenn wir weiter sind, auch eingestehen. Auf der Straße von Poissy hast du einen Viehhändler beraubt und erschlagen.« – »Ich bestreite es.« – »Nun, auch das wirst du später zugeben.« – Der Räuber blickte Rudolf verwundert an. – »Du bist in der vergangenen Nacht in dieses Haus eingedrungen in der Absicht, zu stehlen, und hast seinen Besitzer verwundet. Tags vorher hast du einen Mann und eine Frau in Alt-Paris überfallen, hast ihnen diese Brieftasche geraubt und dich ihnen gegenüber erboten, mich für den Preis von eintausend Franks zu ermorden.«

»Sie sind nicht mein Richter,« rief Bakel trotzig, »ich verweigere Ihnen von jetzt ab jede Antwort.«

»Es war mir bekannt, daß du aus dem Bagno gebrochen, wie auch, daß du die Eltern eines unglücklichen Mädchen kennst, die allein durch deine Mitschuldige, die Eule, ins Unglück gestürzt worden ist. Ich hatte weiter nichts im Schilde, als dich durch einen Diebstahl hierher zu locken. Denn es ist mir kein Zweifeclass="underline" in ehrlicher Absicht dich herzuschaffen, wäre ja doch ausgeschlossen gewesen. Gestern habe ich deinen wahren Namen durch einen Zufall erfahren.« – »Der Name, den Sie mir beimessen, ist falsch. Ich heiße nicht Duresnel.« –

»Heiligtumschänder!« rief Rudolf, indem er die Halskette der Eule von dem Tische nahm und auf den kleinen Heiligen Geist aus Lapis Lazuli zeigte, mit drohender Stimme: »Heiligtumschänder! Diese Reliquie hast du einem ehrlosen Geschöpf gegeben, trotzdem sie dir dreimal heilig hätte sein sollen, denn deinem Sohne ist sie als fromme Gabe von seiner Mutter und seiner Großmutter zu teil geworden.«

Wie vom Donner gerührt durch diese Aufklärung, ließ Bakel den Kopf sinken und gab keine Antwort.

»Gestern,« nahm Rudolf wieder das Wort, »erfuhr ich, daß du vor fünfzehn Jahren deinen Sohn seiner Mutter geraubt hast, sowie daß du allein weißt, was aus ihm geworden ist. Und eben dies war ein neuer Grund für mich, dich festzunehmen. Was mich persönlich angeht, will ich nicht rächen; aber heute nacht hast du abermals Blut vergossen, ohne daß du Ursache dazu gehabt hättest, denn der Mann, den dein Mordstahl getroffen hat, ist zu dir gekommen voll Vertrauen und hat nach deinem Begehren gefragt ... Und was hast du ihm darauf geantwortet? »Das Geld oder das Leben!« und hast mit dem Dolche nach ihm gestoßen.«

»Was du redest, ist falsch und erlogen,« schrie Bakel. – »Murph lügt nicht,« erwiderte Rudolf mit Kaltblütigkeit, »deine Verbrechen schreien nach Buße. Du müßtest das Blut, das du vergossen, sühnen durch den eigenen Tod. Aber aus Mitleid mit deinem Sohne und seiner Mutter, die einst deine Frau war, soll dir die Strafe des Schafotts erspart bleiben. Es soll heißen, du seiest bei dem Kampfe umgekommen. Bereite dich also zum Tode vor! Du siehst, die Gewehre, deren Kugeln dich niederstrecken sollen, sind geladen.«