Zehntes Kapitel.
Davids und Cecilys Geschichte.
»In Florida lebte ein reicher amerikanischer Pflanzer, namens Willis, der einen mit außerordentlichem Verstand begabten jungen Negersklaven hatte. Nachdem der Sklave mehrere Jahre im Krankenhause der Pflanzung verwendet worden war, kam Willis auf den Gedanken, ihn Medizin studieren zu lassen. Da es hierzu in Florida an Unterrichtsanstalten fehlte, schickte Willis seinen Sklaven nach Frankreich, von wo derselbe nach acht Jahren, mit der Doktorwürde ausgestattet, zurückkehrte, von Willis mit Begeisterung willkommen geheißen. Nun entfaltete David in Florida eine segensvolle Tätigkeit als Arzt; seine unglücklichen Brüder verehrten ihn als ein von der Vorsehung gesandtes Wesen; es gelang ihm auch, ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern. Nach Verlauf von etwa einem Jahre fing eine Sklavin der Willis'schen Pflanzung an, durch ihre Schönheit aufzufallen. Sie hieß Cecily, und bald stellte sich heraus, daß sie David liebte, der ihr bei einer Epidemie, die in der letzten Jahreshälfte die Pflanzung heimsuchte, das Leben gerettet hatte. Sie stand in ihrem sechzehnten Jahre und hatte auch die Aufmerksamkeit des Pflanzers, eines sehr sinnlich veranlagten Mannes, auf sich gezogen. Cecily beichtete David ihr Unglück, denn sie konnte Willis nicht lieben und wollte sich ihm opfern. David beruhigte sie und erbat sich von Willis, um Cecily aufs wirksamste zu schützen, Cecily zur Frau, bekam aber von diesem abschlägigen Bescheid, ja Willis sagte, David scheine zu vergessen, daß er ja selbst noch Sklave sei und gar kein Recht habe, ihm bei Cecily in die Quere zu kommen. Da trat David zum ersten Male als Mann auf, der seine Pflichten nicht verletzen, aber auch seine durch den achtjährigen Aufenthalt im Auslande erworbenen Rechte nicht gering achten lassen wollte. Darüber geriet Willis in Zorn und drohte David mit der Kette. Ein schlimmes Wort gab nun das andere, und nach zwei Stunden stand David am Pfahle, mit von Peitschenhieben zerfleischtem Rücken, während Cecily vor seinen Augen in das Schlafzimmer des Pflanzers geschleppt wurde. Aber die Nemesis blieb nicht aus. Willis wurde bald darauf von schwerer Krankheit befallen, und ärztliche Hilfe, als Davids, war nicht zur Stelle. Willis mißtraute David aber, von dessen Rache er das Schlimmste fürchtete. Es blieb ihm aber zuletzt doch nichts anderes übrig, als Davids Hilfe in Anspruch zu nehmen, und David rettete ihn, wurde aber zum Lohne dafür von dem Pflanzer, sobald er ihn nicht mehr gebrauchte, wieder in Arrest gesteckt.« – »Man kann es sich erklären, denn Willis erblickte in ihm doch einen ständigen Vorwurf,« sagte der Baron, »und wenn, wie Sie sagen, die Neger ihn vergötterten, so war wohl direkte Gefahr für den Pflanzer nicht ausgeschlossen.« – »Ganz recht, es wurde laut gemurrt, und Willis meinte, die Keime zu einer Empörung wahrzunehmen. Die Folge hiervon war, daß er David noch schärfer bewachen ließ als bisher, um ihm jede Möglichkeit zur Rache abzuschneiden. Als die Dinge so weit gediehen waren, kamen wir in Frankreich an. Seine Hoheit hatte auf Sankt-Thomas eine dänische Brigg gemietet, mit der wir sämtliche Pflanzungen an der Küste befuhren und überall glänzende Aufnahme fanden. So auch bei Willis. Im Weinrausche erzählte uns Willis von seinem Sklaven David und dessen Verhältnis zu Cecily. Hoheit wollte ihm die ungeheuerliche Geschichte nicht glauben, worauf Willis uns in Davids Kerker führte. Etwas Gräßlicheres als wir in diesem scheußlichen Loche erblickten, hatte ich in meinem Leben noch nicht vor Augen gehabt. Die beiden Wesen, die hier an Ketten geschmiedet lagen, glichen nicht Menschen mehr, sondern Gespenstern. David sprach kein Wort, über die Lippen des Mädchen aber kamen wehklagende Laute. Mit schneidendem Hohne fragte der Pflanzer den armen David, warum er sich nicht von all seinem Gebreste heile, da er doch in Paris auf seine Kosten so lange studiert hätte? – David hob seine Rechte empor und sprach nur, ohne den Pflanzer eines Blickes zu würdigen, in feierlichem Tone das einzige Wort: »Gott!« – Willis aber, trunken von Wein, streckte ebenfalls die Faust gen Himmel und rief: »Geh mir mit deinem Gott! So lange er mir nicht meine Sklaven entreißen kann, ehe der Tod sie abruft, so lange glaube ich nicht an ihn!«