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»Mit Abscheu wandten wir uns ab. Hoheit äußerte kein Wort, aber auf der Stelle gab er Befehl zum Marsche nach der Brigg zurück. Als aber um ein Uhr die Pflanzung in tiefem Schlafe lag, landeten wir von neuem. Hoheit drang mit acht Bewaffneten in Davids Kerker und befreite ihn, wie auch die mit ihm die Haft teilende Kreolin. Dann drang er in das Schlafzimmer des Pflanzers, warf ihm einen Sack voll 25,000 Dublonen aufs Bett und rief ihm zu: »Gestern lästertet Ihr Gott, indem Ihr ihn herausfordertet, Euch Eure Sklaven vorm Tode zu entreißen. Heute entreiße ich sie Euch! Möge Gott Euch richten!«

»Darauf verließen wir die Pflanzung. Willis war wie betäubt und stand ab von jeglicher Verfolgung. Nach wenigen Minuten waren wir wieder auf der Brigg und gingen unter Segel.«

»Für ein solches Verhalten unserer Hoheit kann es niemand an Verständnis fehlen, der es mit angesehen, wie er Bakel hat bestrafen lassen,« bemerkte der Baron; »aber hatte dieses Abenteuer nicht noch andere Folgen?« – »Nein, denn wir fuhren unter dänischer Flagge. Hoheit wahrte ihr Inkognito auf das strengste, so daß wir allgemein für reiche Engländer gehalten wurden. Wohin hätte also Willis Beschwerden richten sollen? David sowohl als Cecily waren so arg mitgenommen, daß sie nur durch die sorgsamste Pflege dem Tod entrissen werden konnten. Von da ab steht David im Dienste Seiner Hoheit als Leibarzt und ist einer seiner getreuesten Sklaven.«

»Und nach der Landung in Europa hat David die Kreolin geheiratet?« fragte der Baron. – »Ja. In der Schloßkapelle sind sie, wie schon gesagt, getraut worden. Cecily vergaß aber schnell, was David um ihretwillen gelitten, vergaß auch den eigenen Schmerz schnell und schämte sich bald, als die Frau eines Negers zu gelten. Sie sank von Stufe zu Stufe, bis sie zuletzt mit einem verworfenen Liebhaber ihrem Manne nach dem Leben trachtete. Als dies ruchbar wurde, ließ Hoheit sie lebenslänglich einsperren, und zwar, wie auch schon bemerkt, auf der Festung Gerolstein. Jetzt hat es Durchlaucht beliebt, sie freizulassen – zu ihrem Staunen, Herr Baron, und zum meinigen nicht minder. Aber – es ist über unsrer Unterhaltung spät geworden. Hoheit wünscht, daß so schnell wie möglich ein Kurier nach Gerolstein abgehe.« – »Sehr wohl, lieber Murph,« sagte der Baron, den Hut vom Tische nehmend, »empfehlen Sie mich bei Hoheit aufs wärmste und vergessen Sie nicht, daß heut abend Ball im ***schen Gesandtschaftshotel ist. Hoheit will selbst anwesend sein ...« –

»Heute abend?« fragte Murph: »ach, richtig, Herr Baron! Nun, ich komme, wenn es auch etwas spät werden dürfte, denn meines Wissens will Hoheit noch heute das mysteriöse Haus in der Rue du Temple besichtigen.«

Dritter Teil.

Erstes Kapitel.

In der Rue du Temple.

Noch am selben Tage, an dem die Besprechung des Barons Graun mit Murph stattgefunden, bei trübem Wetter, in der dritten Nachmittagsstunde, begab sich Rudolf in die Rue du Temple. Die Stube des Portiers lag am Fuße einer finstern, feuchten Treppe. Selbst bei Tage mußte eine Lampe brennen, um die dunkle Höhle zu erhellen. Rudolf trug eine Kleidung, die ihn wie einen Kommis im Werkeltagsanzuge erscheinen ließ. Mit dem Wunsche, das Zimmer anzusehen, das in dem Hause zu vermieten stand, trat er in die durch eine Lampe, die hinter einer mit Wasser gefüllten Glaskugel stand, matt erhellte Stube. Schon daran hätte sich erkennen lassen, daß der Pförtner dem edlen Schuhmacherhandwerk angehörte; allen Zweifel hieran hob aber der häßliche Ledergeruch, welcher in der Stube herrschte, und die große Menge alten Schuhzeugs, das der ausbessernden Hand des Pförtners harrte.

Pipelet – wie der flickschusternde Pförtner hieß – war im Augenblick nicht zur Stelle, sondern wurde durch seine Frau vertreten, die ganz sicher die häßlichste, schmutzigste, keifigste, giftigste aller Pariser Pförtnerfrauen der damaligen Zeit war.

»Das Zimmer, nach welchem Sie fragen,« entgegnete die Frau mürrisch auf Rudolfs Frage, »liegt im vierten Stock, kann aber momentan nicht besichtigt werden, denn mein Mann ist ausgegangen.« – »Wenn Sie nichts dawider haben,« versetzte Rudolf, »werde ich ein Weilchen warten. Ich möchte das Zimmer gern haben. Stadtteil und Straße gefallen mir, und das Haus auch, denn soviel man sehen kann, wird es sehr sauber gehalten. Ich möchte auch gleich fragen, ob Sie die Aufwartung für mich übernehmen möchten.« – Frau Pipelet fühlte sich durch die Lobreden über die Wirtschaft, die im Hause herrschte, nicht wenig geschmeichelt, und erklärte, für 6 Franks monatlich die Aufwartung gern besorgen zu wollen. Auf Rudolfs Frage, wie teuer das Zimmer sei, erwiderte Frau Pipelet: »Mit Schlafkabinett 150 Franks. Es ist das äußerste. Herr Rotarm, der Wirt, ist ein sehr genauer Herr. Er wohnt in der Rue des Poix und hat auch ein Restaurant in den Champs-Elysées.« – »Ich denke, das Haus gehört einem Herrn Bourdon?« – »Das kann sein,« versetzte Frau Pipelet, »wir haben es aber nur mit Herrn Rotarm zu tun, der die Mieten einkassiert, auch über die baulichen Veränderungen, die hin und wieder von nöten sind, das entscheidende Wort spricht.« – Um sich ganz in das Vertrauen der Pförtnersfrau einzuschleichen, bat er sie, aus der nächsten Destillation eine Flasche vom »Besten« mit drei Gläsern zu holen, und gab ihr dazu ein Hundertsousstück. Darob funkelte die Nase der Biederfrau flugs in allem Glanze des Schnapsdurstes, und mit den Worten: »Ihnen muß man ja auf der Stelle gut sein,« verließ sie die Stube.

Als Rudolf allein war, konnte er nicht umhin, sich mit dem wunderlichen Zufalle zu befassen, der ihn abermals mit Rotarm zusammenbrachte. Was ihn am meisten wunderte, war, daß Germain sich ein ganzes Vierteljahr in diesem Hause hatte aufhalten können, ohne von Bakels Komplizen entdeckt zu werden, die doch mit Rotarm in Verbindung standen. Da pochte ein Briefträger ans Fenster und gab mit der Bemerkung, daß er drei Sous zu fordern habe, zwei Briefe herein. Ein Brief, stark nach Moschus riechend, war an Frau Pipelet gerichtet und zeigte auf dem roten Siegel zwei Buchstaben: C. R., mit einem Helm darüber auf einem gesternten Schilde des Kreuzes der Ehrenlegion. Die Adresse war mit fester Hand geschrieben. Rudolf schloß hieraus, daß sie von keiner Frauenhand herrühre. Der andere Brief war nur mit einer Oblate zugemacht; er trug die Aufschrift: »An Herrn Zahnarzt Cäsar Bradamanti,« in offenbar entstellten Buchstaben. Rudolf meinte, er müsse einen traurigen Inhalt haben, zumal an einigen Stellen deutliche Spuren von Tränen auf dem gewöhnlichen grauen Papiere zu sehen waren.