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»Na ja. Als Anwältin kann ich nichts für Sie tun«, sagte Heather, die dem nicht so richtig folgen konnte; sie trank ihren Kaffee mit Brandy, der so stark war, daß einem Chihuahua davon Haare gewachsen wären. »An seinen hypnotischen Anweisungen war, soweit ich das erkennen konnte, nichts faul; er sagte Ihnen nur, daß Sie sich keine Sorgen wegen der Überbevölkerung und so weiter machen sollen. Und wenn er fest entschlossen ist, die Tatsache zu verheimlichen, daß er Ihre Träume für seltsame Zwecke benutzt, kann er das auch; er könnte die Hypnose so nutzen, daß Sie einfach keinen wirkungsvollen Traum haben, wenn Beobachter anwesend sind. Ich frage mich, warum er mich Zeugin werden ließ. Sind Sie sicher, daß er selbst daran glaubt? Ich verstehe ihn nicht. Aber egal, für einen Anwalt ist es schwer, sich in die Beziehung zwischen Psychiater und Patient einzumischen, besonders wenn der Seelenklempner ein hohes Tier und der Patient ein Irrer ist, der glaubt, daß seine Träume wahr werden — nein, damit möchte ich nicht vor Gericht gehen! Aber sehen Sie. Gibt es keine Möglichkeit, wie Sie verhindern können, für ihn zu träumen? Vielleicht Beruhigungsmittel?«

»Ich habe keine Pharmaziekarte, solange ich in FTB bin. Er müßte sie mir verschreiben. Außerdem könnte sein Verstärker mich zum Träumen bringen.«

»Das ist eine Verletzung der Privatsphäre; aber daraus läßt sich kein Fall konstruieren … Hören Sie. Was wäre, wenn Sie einen Traum hätten, in dem Sie ihn verändern?« — Orr sah sie durch einen Nebel aus Schlaf und Brandy an.

»Wenn Sie ihn gütiger machen würden — na ja, Sie sagen ja, er ist gütig und meint es gut. Aber er ist machtgierig. Er hat eine grandiose Möglichkeit gefunden, wie er die Welt beherrschen kann, ohne Verantwortung dafür zu übernehmen. Na ja. Machen Sie ihn nicht so machtgierig. Träumen Sie, daß er ein wirklich guter Mensch ist. Träumen Sie, daß er versucht, Sie zu heilen, und nicht Sie zu benutzen.«

»Aber ich kann mir meine Träume nicht aussuchen.«

Sie ließ den Kopf hängen. »Das hatte ich vergessen. Sobald ich diese Sache als real betrachte, denke ich, daß Sie Kontrolle darüber haben. Aber die haben Sie nicht. Sie machen es einfach.«

»Ich mache gar nichts«, sagte Orr mürrisch. »Ich habe nie etwas gemacht. Ich träume nur. Und dann ist es.«

»Ich hypnotisiere Sie«, sagte Heather plötzlich.

Daß sie eine unglaubliche Tatsache als Wahrheit akzeptiert hatte, erfüllte sie mit einem seltsamen Gefühclass="underline" Wenn Orrs Träume funktionierten, was würde nicht funktionieren? Außerdem hatte sie seit Mittag nichts mehr gegessen; Kaffee und Brandy stiegen ihr heftig zu Kopf.

Er sah sie weiterhin an.

»Ich mache es nicht zum erstenmal. Am College habe ich Psychologiekurse belegt, vor dem Jurastudium. Wir sind alle im Verlauf einer Vorlesung einmal in die Rolle des Hypnotiseurs und des Subjekts geschlüpft. Ich war als Subjekt ganz brauchbar, aber echt gut darin, die anderen einzulullen. Ich lulle Sie ein und suggeriere Ihnen einen Traum. Über Dr. Haber — wie Sie ihn harmlos machen. Ich befehle Ihnen, daß Sie nur das träumen sollen, sonst nichts. Verstanden? Wäre das nicht sicher — so sicher wie jede andere Möglichkeit, die uns an diesem Punkt zur Verfügung steht?«

»Aber ich bin hypnoseresistent. Früher war ich das nicht, aber er sagt, daß ich es jetzt bin.«

»Wendet er darum die Vagus-Karotid-Pressur an? Dabei kann ich kaum zusehen, weil es mir wie Mord vorkommt Das könnte ich nicht, ich bin schließlich keine Ärztin.«

»Mein Zahnarzt hat immer nur ein Hypnosetonband benutzt Das hat prima geklappt. Glaube ich jedenfalls.« Er redete definitiv im Schlaf und hätte ewig so weiterplappern können.

»Hört sich ganz so an«, sagte sie sanft, »als würden Sie sich gegen den Hypnotiseur wehren, nicht gegen die Hypnose … Wir könnten es jedenfalls versuchen. Und wenn es funktioniert, könnte ich Ihnen die posthypnotische Suggestion geben, daß Sie einen kleinen, wie nennen Sie es, wirkungsvollen Traum über Haber träumen. Damit er es ehrlich mit Ihnen meint und versucht, Sie wirklich zu heilen. Glauben Sie, das könnte klappen? Und würden Sie sich darauf einlassen?«

»Ich könnte sowieso etwas Schlaf gebrauchen«, sagte er. »Ich … muß irgendwann einmal schlafen. Heute nacht halte ich ganz sicher nicht mehr durch. Wenn Sie glauben, Sie könnten die Hypnose durchführen …«

»Ich glaube, das kann ich. Aber, hören Sie, haben Sie irgend etwas zu essen hier?«

»Ja«, sagte er schläfrig. Nach einer Weile kam er wieder zu sich. »Oh, ja. Tut mir leid. Sie haben nichts gegessen. Die Fahrt hierher. Ich habe einen Laib Brot …« Er kramte im Schrank, holte Brot, Margarine, fünf hartgekochte Eier, eine Dose Thunfisch und einen angewelktem Kopfsalat heraus. Sie fand zwei Unterlagen aus Blech, drei unterschiedliche Gabeln und ein Schälmesser. »Haben Sie gegessen?« erkundigte sie sich. Er war nicht sicher. Sie bereiteten gemeinsam eine Mahlzeit zu, sie auf dem Stuhl am Tisch sitzend, er stehend. Die aufrecht stehende Haltung schien ihn zu beleben, und wie sich herausstellte, hatte er Heißhunger. Sie mußten alles in zwei Hälften teilen, sogar das fünfte Ei.

»Sie sind ein sehr netter Mensch«, sagte er.

»Ich? Warum? Sie meinen, weil ich hergekommen bin? Oh, Scheiße, ich hatte Angst. Wegen der Veränderung der Welt am Freitag! Ich mußte das auf die Reihe kriegen. Hören Sie, ich betrachtete das Krankenhaus, in dem ich geboren wurde, auf der anderen Seite des Flusses, als Sie träumten, und auf einmal war es nicht mehr da und hatte nie existiert!«

»Ich dachte, Sie kommen aus dem Osten«, sagte er. Relevanz war im Augenblick nicht seine starke Seite.

»Nein.« Sie kratzte die Thunfischdose fein säuberlich aus und leckte das Messer ab. »Portland. Jetzt zweimal. Zwei verschiedene Krankenhäuser. Herrgott! Aber hier geboren und aufgewachsen. Wie meine Eltern. Mein Vater war schwarz, meine Mutter weiß. Irgendwie interessant. Er war der richtig militante Black-Power-Typ, damals in den Siebzigern, und sie ein Hippie. Er stammte aus einer Sozialhilfefamilie in Albina, kein Vater, und sie war die Tochter eines Firmenanwalts aus Portland Heights. Sie war eine Aussteigerin, nahm Drogen und was die damals eben alles so getrieben haben. Und sie haben sich bei einer politischen Veranstaltung kennengelernt, beim Demonstrieren. Das war, als Demonstrationen noch legal waren. Und sie heirateten. Aber er konnte es nicht lange ertragen, ich meine die ganze Situation, nicht nur die Ehe. Als ich acht war, ist er nach Afrika ausgewandert. Nach Ghana, glaube ich. Er war der Meinung, daß seine Vorfahren ursprünglich von dort stammten, aber genau wußte er es nicht. Sie hatten seit Menschengedenken in Louisiana gelebt, und Lelache war der Name des Sklavenhalters, das ist Französisch. Es bedeutet ›Der Feigling‹. Ich habe an der High School Französisch gewählt, weil ich einen französischen Namen trug.« Sie kicherte. »Jedenfalls ging er einfach fort. Und die arme Eva verkraftete es nicht. Das ist meine Mutter. Sie wollte nie, daß ich sie Mutter oder Mom nannte, das klang zu sehr nach klassischem Besitzdenken spießiger Mittelschichtskleinfamilien. Also nannte ich sie Eva. Und wir lebten eine Weile in einer Art von Kommune auf dem Mount Hood, oh Gott. Es war kalt im Winter! Aber die Polizei hat sie aufgelöst, sie behaupteten, daß es sich um eine antiamerikanische Verschwörung handelte. Und danach verdiente sie irgendwie mühsam ihren Lebensunterhalt, sie machte hübsche Töpferwaren, wenn sie bei jemand Drehscheibe und Brennofen benutzen konnte, aber meistens half sie in kleinen Geschäften und Restaurants aus, oder dealte Stoff. Diese Leute halfen einander immer. Wirklich immer. Aber sie kam nicht von den harten Drogen los, sie war süchtig. Sie schaffte es, ein Jahr davon wegzukommen, und dann bingo. Sie überlebte den Schwarzen Tod, aber mit achtunddreißig erwischte sie eine verschmutzte Nadel, und die brachte sie um. Und stand nicht sofort ihre Familie auf der Matte und nahm mich zu sich? Ich hatte sie nie gesehen! Und sie finanzierten mir College und Jurastudium. Ich gehe jedes Jahr zum Weihnachtsessen hin. Ich bin ihre Quotennegerin. Aber ich kann Ihnen sagen, was mich wirklich fertigmachte, ich kann mich nicht entscheiden, was für eine Farbe ich habe. Ich meine, mein Vater war ein Schwarzer, ein richtiger Schwarzer — oh, er hatte etwas weißes Blut in sich, aber er war ein Schwarzer — und meine Mutter war eine Weiße, aber ich bin keins von beidem. Sehen Sie, mein Vater haßte meine Mutter wirklich, weil sie eine Weiße war. Aber er liebte sie auch. Und ich glaube, sie liebte die Tatsache, daß er schwarz war, mehr als sie ihn liebte. Na ja, was bin ich also? Ich bin nie dahintergekommen.«