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Aus der Abfolge der Worte ergab sich, daß es sich um eine Frage handelte. »Nein«, sagte Haber. »Nein, nichts Derartiges —«

»Dann bitte ungerechtfertigtes Eindringen entschuldigen.« Die riesige gepanzerte Gestalt surrte leicht und schien zu zögern. »Was ist Apparat?« fragte sie und zeigte mit dem rechten Ellbogengelenk auf die Maschinerie, die mit dem Kopf des schlafenden Mannes verbunden war.

»Ein Elektroenzephalograph, eine Maschine, die die elektrische Aktivität des Gehirns aufzeichnet —«

»Würdig«, sagte der Außerirdische und machte einen gemessenen Schritt auf die Couch zu, als würde er alles gern näher betrachten. »Die Individual-Person ist iahklu’. Diese Aufzeichnungsmaschine zeichnet das vielleicht auf. Ist die gesamte Spezies zu iahklu’ fähig?«

»Ich kenne — kenne diesen Ausdruck nicht, können Sie beschreiben —«

Die Gestalt surrte abermals ein wenig, hob den linken Ellbogen über den Kopf (der, wie bei einer Schildkröte, kaum über die breiten, hängenden Schultern des Panzers hinausragte) und sagte: »Bitte entschuldigen. Nicht kommunizierbar durch in jüngster Vergangenheit hastig konstruierte Kommunikationsmaschine. Bitte entschuldigen. Es ist notwendig, uns in sehr naher Zukunft anderen verantwortlichen Individual-Personen in Panik zu nähern, die selbst und andere zerstören können. Vielen Dank.« Damit kroch er in den Bug des Schiffs zurück.

Haber verfolgte, wie die großen, runden Sohlen seiner Füße in der dunklen Höhlung verschwanden.

Die Bugspitze schnellte vom Boden hoch und schraubte sich selbst wieder fein säuberlich fest: Haber hatte den deutlichen Eindruck, daß es sich dabei nicht um einen mechanischen Vorgang handelte, sondern um einen zeitlichen; das vorherige Geschehen wurde in umgekehrter Folge wiederholt, genau wie bei einem rückwärts abgespielten Film. Das außerirdische Schiff zog ab, ließ das gesamte Büro erbeben, riß den Rest des Fensterrahmens mit einem gräßlichen Geräusch heraus und verschwand in dem lodernden Dunst draußen.

Das Crescendo der Explosionen, stellte Haber jetzt fest, hatte aufgehört; tatsächlich schien es vergleichsweise still zu sein. Alles bebte ein wenig, aber das lag am Berg, nicht an den Bomben. Sirenen tönten, weit entfernt und trostlos, über den Fluß.

George Orr lag reglos auf der Couch, atmete unregelmäßig, und die Blutergüsse und Schnittwunden in seinem Gesicht sahen durch die Blässe besonders häßlich aus. Asche und Rauch wurden immer noch mit der kalten, beißenden Nachtluft durch das zerschmetterte Fenster hereingeweht. Nichts hatte sich verändert. Er hatte noch nichts rückgängig gemacht. Hatte er überhaupt schon etwas beeinflußt? Unter den geschlossenen Lidern konnte man eine schwache Bewegung der Augen erkennen; er träumte noch; er konnte gar nicht anders, da der Verstärker die Impulse seines eigenen Gehirns überlagerte. Warum veränderte er nicht die Kontinuen, warum brachte er sie nicht in eine friedliche Welt, wie Haber es ihm befohlen hatte? Die hypnotische Suggestion war nicht klar oder stark genug gewesen. Sie mußten noch einmal von vorn anfangen. Haber schaltete den Verstärker ab und sprach Orrs Namen dreimal aus.

»Richten Sie sich nicht auf, Sie sind immer noch an den Verstärker angeschlossen. Was haben Sie geträumt?«

Orr, der noch nicht ganz wach zu sein schien, sprach heiser und langsam. »Der … ein Außerirdischer war hier. Hier drin. Im Büro. Er kam aus dem Bug eines ihrer hüpfenden Schiffe. Zum Fenster rein. Sie und er haben sich unterhalten.«

»Aber das ist kein Traum! Das ist passiert! Gottverdammt, wir müssen es noch mal machen. Vor ein paar Minuten, das könnte eine Atombombenexplosion gewesen sein, wir müssen in ein anderes Kontinuum, womöglich sind wir schon alle an der Strahlenkrankheit gestorben.«

»Oh, diesmal nicht«, sagte Orr, setzte sich auf und kämmte die Elektroden aus seinem Haar, als wären sie tote Läuse. »Natürlich ist es passiert. Ein wirkungsvoller Traum ist eine Realität, Dr. Haber.«

Haber sah ihn an.

»Ich nehme an, Ihr Verstärker hat die Unmittelbarkeit für Sie beschleunigt«, sagte Orr immer noch ungewöhnlich ruhig. Er schien eine Weile nachzudenken. »Hören Sie, könnten Sie in Washington anrufen?«

»Wozu?«

»Na, weil man auf einen angesehen Wissenschaftler, der sich mitten im Geschehen befindet, vielleicht hören wird. Die werden nach Erklärungen suchen. Gibt es jemanden bei der Regierung, den Sie kennen, den Sie anrufen könnten? Vielleicht den Gesundheitsminister? Sie könnten ihm sagen, daß die ganze Angelegenheit ein Mißverständnis ist, daß die Außerirdischen weder eine Invasion noch einen Angriff geplant hatten. Bis zu ihrer Landung war ihnen schlicht und einfach nicht bewußt, daß Menschen ausschließlich auf verbale Kommunikation angewiesen sind. Sie haben nicht einmal gewußt, daß wir dachten, wir würden uns im Krieg mit ihnen befinden … Wenn Sie das jemandem sagen könnten, der das Vertrauen des Präsidenten genießt. Je schneller Washington das Militär zurückpfeifen kann, desto weniger Menschen werden hier getötet. Es sind nur Zivilisten, die sterben. Die Außerirdischen tun den Soldaten nichts, sie sind nicht einmal bewaffnet, und ich habe den Eindruck, in diesen Schutzanzügen sind sie unverwundbar. Aber wenn niemand die Luftwaffe aufhält, wird sie die ganze Stadt vernichten. Versuchen Sie es, Dr. Haber. Vielleicht hört man auf Sie.«

Haber spürte, daß Orr recht hatte. Es war bar jeglicher Vernunft, es war die Logik des Wahnsinns, aber hier hatte er sie: seine Chance. Orr redete mit der unverrückbaren Überzeugung des Traums, in dem es keinen freien Willen gibt: Machen Sie das, Sie müssen dies und das machen, es muß getan werden.

Warum war diese Gabe einem Narren gegeben worden, einem passiven Nichts von einem Mann? Warum war Orr so sicher und so überzeugt, während der starke, tatkräftige, positive Mann ohnmächtig und gezwungen war, zu versuchen, das armselige Werkzeug zu benutzen, ihm sogar zu gehorchen? Das alles ging ihm durch den Kopf, und nicht zum erstenmal, aber gleichzeitig ging er zu seinem Schreibtisch, zum Telefon. Er setzte sich und wählte die Nummer des Gesundheitsministeriums in Washington. Der Anruf, der über die Relais von Federal Telephone in Utah weitergeleitet wurde, konnte übermittelt werden.

Während er darauf wartete, daß er zum Minister für Gesundheit, Bildung und Soziales durchgestellt wurde, den er recht gut kannte, sagte er zu Orr: »Warum haben Sie uns nicht in ein anderes Kontinuum versetzt, wo dieses Schlamassel einfach nie passiert ist? Das wäre viel einfacher gewesen. Und niemand wäre gestorben. Warum sind Sie die Außerirdischen nicht einfach losgeworden

»Ich entscheide nicht«, sagte Orr. »Begreifen Sie das immer noch nicht? Ich folge.«

»Sie folgen meinen hypnotischen Suggestionen, ja, aber niemals vollständig, niemals direkt und einfach —«

»Die habe ich nicht gemeint«, sagte Orr, aber dann war Rantows Privatsekretärin in der Leitung. Während Haber redete, schlich sich Orr hinaus, zweifellos nach unten, um nach der Frau zu sehen. Das ging klar. Während er mit der Sekretärin und dann mit dem Minister sprach, kam Haber zur Überzeugung, daß jetzt alles gut werden würde, daß die Außerirdischen wirklich vollkommen nichtaggressiv waren und er Rantow davon überzeugen konnte, und über Rantow auch den Präsidenten und dessen Generäle. Orr war jetzt überflüssig. Haber sah, was getan werden mußte, und würde sein Land aus dem Schlamassel herausführen.

9

Wer vom Jubel träumt, wird mit Wehklagen erwachen.

Lao-tse, II

Es war die dritte Woche im April. Orr hatte letzte Woche mit Heather Lelache ausgemacht, daß sie sich am Donnerstag im Dave’s zum Mittagessen treffen würden, aber als er sich von seinem Büro auf den Weg machte, wußte er schon, daß nichts daraus werden würde.