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Habers triumphierende Äußerungen erfüllten Orr mit Unbehagen, daher hörte er gar nicht darauf; statt dessen hatte er sein Gedächtnis abgefragt und darin keine Ansprache gefunden, die auf einem Schlachtfeld in Gettysburg gehalten worden war, und auch keine historische Persönlichkeit namens Martin Luther King. Doch derartige Kleinigkeiten schienen ein geringer Preis für die vollständige rückwirkende Ausrottung aller Rassenvorurteile zu sein, daher sagte er nichts.

Aber jetzt: daß er nie eine Frau mit brauner Haut gekannt hatte, mit brauner Haut und drahtigem schwarzen, Haar, so kurz geschnitten, daß man die elegante Wölbung des Schädels darunter erkennen konnte, die den Kurven einer Bronzevase glich — nein, das war falsch. Das war unerträglich. Daß jeder Menschen auf Erden die Farbe eines Schlachtschiffs haben sollte: Nein!

Darum ist sie nicht hier, dachte er. Sie hätte nicht grau geboren werden können. Ihre Hautfarbe, ihre braune Hautfarbe, war ein essentieller Teil von ihr, kein Zufall. Ihr Zorn, ihre Schüchternheit, Schroffheit, Zärtlichkeit, das waren alles Elemente ihrer Mischlingspersönlichkeit, ihres Mischlingscharakters, dunkel und dennoch transparent, wie Bernstein aus dem Baltikum. Sie konnte in einer Welt grauer Menschen nicht existieren. Sie war gar nicht geboren worden.

Aber er. Er konnte in jeder Welt geboren werden. Er hatte keinen Charakter. Er war ein Klumpen Lehm, ein unbearbeiteter Holzklotz.

Und Dr. Haber: auch er war geboren worden. Nichts konnte ihn verhindern. Er wurde nur mit jeder Reinkarnation größer.

Während der schrecklichen Tagesreise von der Blockhütte ins umkämpfte Portland, als sie in dem pfeifenden Ford Steamer über eine Landstraße geholpert waren, hatte Heather ihm eröffnet, sie hätte zu suggerieren versucht, daß er von einem besseren Haber träumen sollte, worin sie sich auch einig gewesen waren. Und seither verhielt sich Haber Orr gegenüber wenigstens aufrichtig, was seine Manipulationen betraf. Aber aufrichtig war nicht das richtige Wort dafür; Haber besaß einen viel zu komplexen Charakter für Aufrichtigkeit. Man konnte Schicht für Schicht von der Zwiebel abschälen, und doch kam darunter nichts anderes zum Vorschein als Zwiebel.

Dieses Abschälen einer Schicht nach der anderen stellte die einzige wahre Veränderung an ihm dar, und es schien durchaus denkbar, daß das gar nicht auf einen wirkungsvollen Traum zurückzuführen war, sondern auf die veränderten Umstände. Haber war jetzt so selbstbewußt, daß er seine Absichten nicht mehr verheimlichen oder Orr täuschen mußte; er konnte ihn einfach zwingen. Orr hatte weniger Chancen denn je, ihm zu entrinnen. Freiwillige Therapeutische Behandlung trug jetzt die Bezeichnung Kontrolle Privaten Wohlbefindens, aber die gesetzlichen Mittel blieben gleich, und kein Anwalt hätte es gewagt, einem Patienten bei einer Klage gegen Dr. William Haber beizustehen. Er war ein wichtiger Mann, ein überaus wichtiger Mann. Er war leitender Direktor von EFMEG, dem Herzstück des Weltplanungszentrums, wo alle wichtigen Entscheidungen gefällt wurden. Er hatte stets Macht haben wollen, um Gutes zu tun. Jetzt hatte er sie.

In dieser Hinsicht entsprach er immer noch exakt dem jovialen und distanzierten Mann, den Orr anfangs im Willamette East Tower in der schäbigen Praxis mit dem Wandbild des Mount Hood kennengelernt hatte. Er hatte sich nicht verändert; er war einfach nur gewachsen.

Die Eigenschaft des Machtstrebens ist, ganz exakt, Wachstum. Errungenschaft ist sein Ende. Um überhaupt zu existieren, muß das Machtstreben mit jeder Errungenschaft größer werden, damit die Errungenschaft lediglich zu einem Schritt wird, der zum nächsten führt. Je größer die Macht ist, die erlangt wurde, desto größer die Gier nach mehr. Und da die Macht, die Haber durch Orrs Träume ausüben konnte, scheinbar keine sichtbaren Grenzen kannte, gab es auch für Habers Entschlossenheit, die Welt zu verbessern, keine Grenze.

Ein Außerirdischer rempelte Orr in dem Gewühl auf der Morrison Mall an und entschuldigte sich tonlos mit erhobenem Ellbogen. Die Außerirdischen hatten ziemlich schnell gelernt, nicht auf Menschen zu zeigen, weil es sie beunruhigte. Orr schaute erschrocken auf; seit der Krise am ersten April hatte er die Außerirdischen fast vergessen.

Im augenblicklichen Stand der Dinge — oder Kontinuum, wie Haber sich störrisch auszudrücken beliebte —, fiel Orr jetzt wieder ein, war die Landung der Außerirdischen nicht so katastrophal für Oregon, die NASA und die Luftwaffe verlaufen. Anstatt hastig und in einem Hagel von Bomben und Napalm ihre Übersetzungscomputer zu erfinden, hatten sie sie gleich vom Mond mitgebracht, waren kreuz und quer durch die Gegend geflogen, bevor sie landeten, hatten über Funk ihre friedlichen Ab sichten mitgeteilt, sich für den Krieg im All entschuldigt, der einem Irrtum entsprungen war, und um Anweisungen gebeten Natürlich hatten sie Schrecken verbreitet, aber keine Panik. Es war fast rührend gewesen, auf jeder Funkfrequenz und jedem Fernsehsender ihre tonlosen Stimmen zu hören, mit denen sie beteuerten, daß die Zerstörung der Mondkuppel und der russischen Orbitalstation unabsichtliche Folgen ihrer unwissenden Bemühungen, Kontakt herzustellen, gewesen seien, daß sie die Raketen der Weltraumflotte der Erde als unsere eigenen unwissenden Bemühungen, Kontakt herzustellen, fehlinterpretiert hätten, daß sie alles ausgesprochen bedauern würden und jetzt, da sie die menschlichen Kommunikationskanäle, wie zum Beispiel die Sprache, endlich beherrschten, Wiedergutmachung leisten wollten.

Das WPZ, das nach dem Ende der Jahre des Schwarzen Todes in Portland gegründet worden war, hatte mit ihnen kooperiert und die Bevölkerung und Generäle beruhigt. Das war, fiel Orr jetzt ein, wo er darüber nachdachte, aber nicht am ersten April vor zwei Wochen gewesen, sondern letztes Jahr im Februar — vor vierzehn Monaten. Die Außerirdischen hatten ihre Landeerlaubnis erhalten; zufriedenstellende Beziehungen mit ihnen waren aufgenommen worden; und zu guter letzt hatte man ihnen gestattet, ihren sorgfältig bewachten Landeplatz nahe Steens Mountain in der Wüste von Oregon zu verlassen und sich unter die Menschen zu mischen. Ein paar von ihnen teilten sich mittlerweile friedlich die wiederaufgebaute Mondkuppel mit staatlichen Wissenschaftlern, und rund zweitausend hielten sich auf der Erde auf. Mehr existierten nicht, oder besser gesagt, mehr waren nicht gekommen; nur wenige derartige Einzelheiten drangen an die Öffentlichkeit. Sie stammten von einem Planeten des Sterns Aldebaran mit Methanatmosphäre und mußten auf der Erde wie auf dem Mond ständig ihre fremdartigen, schildkrötenähnlichen Schutzanzüge tragen, was sie indessen nicht weiter zu stören schien. Wie sie in ihren Schildkrötenanzügen wirklich aussahen, davon hatte Orr keine klare Vorstellung. Sie konnten nicht herauskommen und malten keine Bilder. Tatsächlich beschränkten sich ihre Möglichkeiten der Kommunikation mit Menschen auf Sprachemission vom linken Ellbogen und eine Art Audioempfänger; Orr war nicht einmal sicher, ob sie sehen konnten, ob sie ein Sinnesorgan für das sichtbare Spektrum besaßen. Es gab weite Bereiche, in denen gar keine Kommunikation möglich war: das Delphinproblem, nur komplizierter. Aber da sich das WPZ von ihrer Friedfertigkeit überzeugt hatte, ihre Zahl überschaubar blieb und ihre Ziele offenkundig waren, hatte man sie mit einem gewissen Eifer in die terranische Gesellschaft aufgenommen. Es war angenehm, wenn man einmal jemanden betrachten konnte, der anders aussah. Sie schienen bleiben zu wollen, wenn man es ihnen gestattete; einige hatten sich schon niedergelassen und kleine Geschäfte eröffnet, denn sie schienen gut im Verkaufen und Organisieren zu sein, genau wie in der Raumfahrt, deren überragende Kenntnisse sie den terranischen Wissenschaftlern ohne zu zögern weitergegeben hatten. Sie hatten noch nicht klargemacht, was sie sich als Gegenleistung erhofften und warum sie zur Erde gekommen waren. Es schien ihnen hier einfach zu gefallen. Und da sie sich verhielten wie fleißige, friedfertige und gesetzestreue Bürger der Erde, existierten Schlagworte wie »außerirdische Invasion« oder »nichtmenschliche Infiltration« lediglich im Sprachgebrauch von paranoiden Politikern, aussterbenden nationalistischen Splittergruppen und den Leuten, die schon Unterredungen mit richtigen UFO-Besatzungen geführt hatten.