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Das einzige, das tatsächlich von diesem schrecklichen ersten April geblieben zu sein schien, war die Tatsache, daß Mount Hood wieder zum aktiven Vulkan wurde. Keine Bombe hatte ihn getroffen, denn diesmal waren keine Bomben gefallen. Er erwachte einfach wieder. Eine hohe, graubraune Rauchsäule stieg jetzt nordwärts von ihm auf. Zigzag und Rhododendron hatten das Schicksal von Pompeji und Herculaneum erlitten. Kürzlich hatte sich in der Nähe des winzigen alten Kraters im Mount Tabor Park, noch innerhalb der Gemarkung der Stadt, eine Fumarole aufgetan. Die Anwohner aus der Gegend um Mount Tabor zogen in die aufblühenden neuen Vororte West Eastmont, Chestnut Hills Estates und Sunny Slopes Subdivision um. Sie konnten damit leben, daß der Mount Hood in der Ferne Rauch ausspie, aber eine Eruption unmittelbar die Straße rauf war denn doch zuviel.

Orr kaufte in einem überfüllten Selbstbedienungsrestaurant einen faden Teller Fisch mit Pommes und afrikanischer Erdnußsoße; beim Essen dachte er bekümmert: einst habe ich sie bei Dave’s versetzt, jetzt versetzt sie mich.

Er konnte seinen Schmerz, seinen Verlust nicht ertragen. Traumschmerz. Trauer um eine Frau, die nie existiert hatte. Er versuchte sein Essen zu genießen, seine Mitmenschen zu beobachten. Aber das Essen hatte keinen Geschmack und die Menschen waren alle grau.

Vor den Glastüren des Restaurants wurde die Menge dichter: die Leute strömten zur Nachmittagsvorstellung zum Portland Palace of Sports, einem riesigen und schicken Kolosseum unten am Fluß. Die Leute saßen nicht mehr daheim und sahen fern; das VöBu-Fernsehen sendete nur noch zwei Stunden täglich. Gemeinsamkeit hieß der neue Lebensstil. Heute war Donnerstag; da fanden die Faustkämpfe statt, die größte Attraktion, abgesehen vom Football am Samstagabend. Bei den Faustkämpfen kamen an sich mehr Sportler ums Leben, aber ihnen fehlten die dramatischen, kathartischen Aspekte des Football, das Gemetzel, wenn einhundertvierundvierzig Männer auf einmal im Einsatz waren und ihr Blut auf die Zuschauertribünen spritzte.

Kein Krieg mehr, sagte Orr zu sich und ließ die letzten aufgeweichten Pommes liegen. Er ging hinaus in die Menge. Ain’t gonna … war no more … Das war ein Song gewesen. Einst. Ein alter Song. Ain’t gonna … Wie lautete das Verb? Nicht »fight«, das paßte nicht. Ain’t gonna … war no more …

Er lief mitten in eine Bürgerfestnahme hinein. Ein großer Mann mit einem langen, runzligen grauen Gesicht packte einen kleinen Mann mit einem runden, glänzenden grauen Gesicht, packte ihn an der Vorderseite seines Hemds. Die Menge rempelte gegen das Paar, einige blieben stehen und sahen zu, andere drängten weiter zum Palace of Sports. »Dies ist eine Bürgerfestnahme, Passanten aufgepaßt!« sagte der große Mann mit einem schrillen, durchdringenden Tenor. »Dieser Mann, Harvey T. Gonno, leidet an unheilbarem, bösartigem Unterleibskrebs, verheimlicht den Behörden jedoch seinen Aufenthaltsort und lebt weiter mit seiner Frau zusammen. Mein Name ist Ernest Ringo Marin, 2624287 South West Eastwood Drive, Sunny Slopes Division, Groß-Portland. Sind zehn Zeugen anwesend?« Einer der Zeugen half mit, den Kriminellen festzuhalten, der schwache Gegenwehr leistete, während Ernest Ringo Marin Köpfe zählte. Orr floh und drängte sich mit gesenktem Kopf durch die Menge, bevor Marin die Euthanasie mit seiner Injektionspistole durchführen konnte, wie alle erwachsenen Bürger sie trugen, die sich ihr Bürgerrechtszertifikat verdient hatten. Er selbst trug auch eine. Das war gesetzlich vorgeschrieben. Seine war momentan freilich nicht geladen; sie hatten die Ladung entfernt, als er zum psychiatrischen Patienten unter KPW wurde; aber sie hatten ihm wenigstens die Waffe gelassen, damit sein vorübergehender Statusverlust nicht zu einer öffentlichen Demütigung für ihn wurde. Die Geisteskrankheit, wegen der er behandelt wurde, durfte man nicht mit einem strafbaren Verbrechen, zum Beispiel einer ernsten übertragbaren Seuche oder Erbkrankheit, verwechseln.

Er sollte nicht den Eindruck gewinnen, als wäre er in irgendeiner Weise eine Gefahr für die Rasse oder ein Bürger zweiter Klasse, und sobald Dr. Haber ihn als geheilt entließ, würde seine Waffe wieder geladen werden.

Ein Tumor, ein Tumor … Hatte der karzinome Schwarze Tod nicht dadurch, daß er entweder während des Zusammenbruchs oder in der Kindheit alle tötete, die anfällig für Krebs waren, die Überlebenden von dieser Geißel befreit? Doch, aber in einem anderen Traum. Nicht in diesem. Offenbar war Krebs wieder ausgebrochen, so wie Mount Tabor und Mount Hood.

Study. Das war es. Ain’t gonna study war no more …

Er stieg an der Ecke Fourth und Alder in eine Seilbahn; und fuhr über die graugrüne Stadt hinweg zum EFMEG Tower, der anstelle der alten Pittock-Villa die westlichen Hügel des Washington Park krönte.

Das Hochhaus überragte alles — die Stadt, die Flüsse, die dunstigen Täler im Westen, die dunklen Hänge von Forest Park im Norden. Über dem Säuleneingang stand in klassischen Großbuchstaben, deren Proportionen jeder Phrase einen Hauch von Erhabenheit verliehen hätten: DAS GRÖSSTE WOHL FÜR DIE GRÖSSTE ANZAHL.

Im Inneren zierte das Foyer aus schwarzem Marmor, dem Pantheon in Rom nachempfunden, eine kleinere Inschrift in Goldbuchstaben um den Rand der Kuppel herum: DAS BESTE STUDIENOBJEKT DER MENSCHHEIT IST DER MENSCH — A. POPE, 1688-1744.

Das Gebäude, hatte man Orr gesagt, war in der Grundfläche größer als das British Museum und fünf Stockwerke höher. Außerdem war es erdbebensicher. Bombensicher war es nicht, denn es gab keine Bomben. Die Reste der Atomwaffenarsenale hatte man nach dem Cislunaren Krieg fortgeschafft und in einer Reihe interessanter Experimente im Asteroidengürtel gesprengt. Dieses Gebäude konnte praktisch jeder Gefahr auf Erden trotzen, außer vielleicht Mount Hood. Oder einem bösen Traum.

Er fuhr auf dem Laufband in den Westflügel und mit der breiten gewendelten Rolltreppe zum obersten Stockwerk.

Dr. Haber hatte die Psychiatercouch in seinem Büro behalten, eine Art absichtlich bescheidener Erinnerung an seine Anfänge als praktizierender Psychiater, als er sich immer nur um einen Menschen gekümmert hatte, nicht um Milliarden. Aber es dauerte eine Weile, bis man zu dieser Couch gelangte, denn seine Suite war etwa zweitausend Quadratmeter groß und hatte sieben Zimmer. Orr meldete sich bei der Autorezeptionistin an der Tür zum Wartezimmer an, dann ging er an Miss Crouch vorbei, die gerade Daten in ihren Computer eingab, und passierte das offizielle Büro, einen Prunksaal, in dem nur der Thron fehlte, wo der Direktor Botschafter, Delegationen und Nobelpreisträger empfing, bis er schließlich zu dem kleineren Büro mit dem Panoramafenster vom Boden bis zur Decke und der Couch gelangte. Dort waren die antiken Rotholzpaneele einer ganzen Wand beiseite geschoben worden und gaben den Blick auf ein grandioses Arsenal von Forschungsmaschinen frei: Haber steckte bis zur Taille in den freiliegenden Eingeweiden des Verstärkers. »Hallöchen, George!« polterte er aus dem Inneren, ohne sich umzudrehen. »Ich schließ mal eben einen neuen Ergisschalter an Babys Hormokupplung an. Klitzekleines Augenblickchen noch. Ich glaube, heute machen wir mal eine Sitzung ohne Hypnose. Setzen Sie sich, das wird noch ein Weilchen dauern, ich hab wieder ein wenig herumgebastelt … Hören Sie. Erinnern Sie sich an die Batterie von Tests, denen Sie unterzogen wurden, als Sie zum erstenmal unten in der Universitätsklinik aufgekreuzt sind? Persönlichkeitsanalyse, IQ, Rorschachtest und so weiter, und so fort. Dann habe ich persönlich bei Ihrer dritten Sitzung hier Assoziationstests und ein paar simulierte Begegnungssituationen mit Ihnen durchgeführt. Erinnern Sie sich nicht mehr? Haben Sie sich je gefragt, wie Sie abgeschnitten haben?«