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Orr war der Meinung, daß diese Argumente nicht unbeantwortet bleiben sollten. »Aber was ist aus der demokratischen Regierung geworden?« begann er. »Die Leute können überhaupt nichts mehr für sich selbst entscheiden. Warum ist alles so wischi-waschi, warum sind alle so freudlos? Man kann die Menschen nicht einmal mehr richtig auseinanderhalten, und je jünger sie sind, desto schlimmer ist es. Und diese Sache, daß der Weltstaat alle Kinder in diesen Zentren interniert —«

Aber Haber unterbrach ihn rechtschaffen wütend. »Die Kinderzentren waren Ihre Idee, nicht meine! Ich habe Ihnen lediglich während der Suggestion des Traums einen Abriß der Desiderata mit auf den Weg gegeben, wie ich es immer mache; ich habe versucht, etwas davon durchzusetzen, aber diese Suggestionen scheinen nie richtig zu greifen, oder Ihre verdammten primären Denkprozesse verzerren sie bis zur Unkenntlichkeit. Sie müssen mir nicht sagen, daß Sie alles mißbilligen und ablehnen, was ich für die Menschheit zu erreichen versuche, wissen Sie — das war von Anfang an offensichtlich. Sie vereiteln alle Schritte vorwärts, zu denen ich Sie zwinge, Sie verzerren sie durch die Heimtücke oder Dummheit der Mittel und Wege, mit denen Ihre Träume sie realisieren sollen. Sie versuchen jedesmal, einen Schritt rückwärts zu gehen. Ihre eigenen Triebkräfte sind ganz und gar negativ. Wenn Sie beim Träumen nicht unter einem starken hypnotischen Zwang stehen würden, hätten Sie die ganze Welt schon vor Wochen in Schutt und Asche gelegt! Denken Sie nur daran, was Sie in der einen Nacht angerichtet haben, als Sie mit dieser Anwältin abgehauen sind —«

»Sie ist tot«, sagte Orr.

»Gut. Sie hatte einen destruktiven Einfluß auf Sie ausgeübt. Unverantwortlich. Sie besitzen kein soziales Gewissen, keinen Altruismus. Sie sind eine moralische Qualle. Ich muß Ihnen jedesmal durch Hypnose soziale Verantwortung einbleuen. Und jedesmal wird sie vereitelt, verdorben. Das ist mit den Kinderzentren passiert. Ich hatte angedeutet, daß die Kleinfamilie die wesentliche Brutstätte neurotischer Persönlichkeitsstrukturen ist, daß es in einer idealen Gesellschaft bestimmte Möglichkeiten gäbe, sie zu modifizieren. Ihr Traum hat sich einfach die primitivste Interpretation herausgegriffen, sie mit billigen utopischen Vorstellungen vermengt, möglicherweise auch mit zynischen anti-utopischen Vorstellungen, und die Zentren hervorgebracht! Die dennoch besser geworden sind als das, was sie ersetzt haben! In dieser Welt gibt es so gut wie keine Schizophrenie — haben Sie das gewußt? Es ist eine seltene Krankheit!« Habers dunkle Augen leuchteten, die Lippen waren zu einem Grinsen verzerrt.

»Die Gesamtsituation ist besser als sie — als sie einst gewesen ist«, sagte Orr, der jede Hoffnung auf eine Diskussion fahren ließ. »Aber wenn Sie weitermachen, verschlimmert sie sich. Ich versuche nicht, Ihre Bemühungen zu vereiteln, es ist nur so, daß Sie etwas versuchen, das unmöglich ist. Ich besitze diese, diese Gabe, das weiß ich; und ich weiß auch, was ich ihr schuldig bin. Sie nur einzusetzen, wenn ich muß. Wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Im Augenblick gibt es aber Möglichkeiten. Ich muß aufhören.«

»Wir können jetzt nicht aufhören — wir haben gerade erst angefangen! Wir erlangen gerade erst die Kontrolle über Ihre Gabe. Ich bin nur einen Schritt davon entfernt, und ich werde mich nicht beirren lassen. Keine persönlichen Ängste dürfen sich dem Guten entgegenstellen, das mit dieser neuen Fähigkeit des menschlichen Gehirns für die gesamte Menschheit getan werden kann!«

Haber hielt einen Vortrag. Orr betrachtete ihn, aber die milchigen Augen, die ihn unverwandt anblickten, erwiderten den Blick nicht, sahen ihn gar nicht. Der Vortrag ging weiter.

»Ich versuche, diese neue Fähigkeit reproduzierbar zu machen. Es besteht eine Analogie zur Erfindung des Buchdrucks, überhaupt zur Einführung jedes neuen technologischen oder wissenschaftlichen Konzepts. Wenn das Experiment oder die Technik nicht erfolgreich von anderen wiederholt werden kann, taugen sie nichts. Genauso ist das PREM-Stadium, solange es im Gehirn eines einzigen Menschen eingeschlossen ist, für die Menschheit nicht nützlicher als ein Schlüssel, der sich in einem abgeschlossenen Raum befindet, oder eine einmalige, geniale, aber unfruchtbare Mutation. Ich jedoch besitze die Mittel und Wege, mit denen der Schlüssel aus dem abgeschlossenen Raum herausgeholt werden kann. Und dieser ›Schlüssel‹ wird für die menschliche Evolution ein so großer Meilenstein sein wie die Entwicklung des denkenden Gehirns selbst! Jedes Gehirn, das ihn benutzen kann, das es verdient, ihn zu benutzen, wird es können. Wenn ein geeignetes, trainiertes, vorbereitetes Subjekt unter der Stimulation durch den Verstärker in das PREM-Stadium hinübergleitet, wird es unter vollständiger autohypnotischer Kontrolle sein. Nichts bleibt dem Zufall, willkürlichen Impulsen oder irrationalen narzißtischen Launen überlassen. Es wird keinerlei Spannungen mehr geben zwischen Ihrem Willen zum Nihilismus und meinem Willen zum Fortschritt, Ihren Wünschen nach dem Nirwana und meiner bewußten, gründlichen Planung zum Wohle aller. Wenn ich sicher sein kann, daß meine Technik funktioniert, steht es Ihnen frei, zu gehen. Jederzeit frei. Und da Sie die ganze Zeit nicht müde wurden, zu behaupten, Sie möchten keinerlei Verantwortung übernehmen, nicht mehr wirkungsvoll träumen, verspreche ich Ihnen, daß mein erster wirkungsvoller Traum Ihnen Ihre ›Heilung‹ bringen wird — sie werden nie wieder einen wirkungsvollen Traum haben.«

Orr war aufgestanden; er verharrte reglos und blickte Haber an; sein Gesicht sah ruhig, aber außerordentlich wachsam und konzentriert aus. »Sie wollen Ihre eigenen Träume kontrollieren«, sagte er, »ganz aliein — ohne daß Ihnen jemand hilft oder sie überwacht …?«

»Ich kontrolliere Ihre schon seit Wochen. In meinem eigenen Fall, und selbstverständlich werde ich selbst das erste Subjekt meines Experiments sein, das ist eine zwingende ethische Verpflichtung, in meinem eigenen Fall wird diese Kontrolle absolut sein.«

»Ich habe es mit Selbsthypnose versucht, bevor ich die Träume unterdrückenden Medikamente benutzt habe —«

»Ja, das haben Sie schon früher erwähnt; Sie sind natürlich gescheitert. Die Frage, ob ein unwilliges Subjekt eine erfolgreiche Autosuggestion erreichen kann, ist höchst interessant, aber dies war natürlich kein Testlauf dafür; Sie sind kein professioneller Psychologe, Sie sind kein ausgebildeter Hypnotiseur, und Sie waren ohnehin wegen der ganzen Sache schon emotional gestört; natürlich haben Sie nichts erreicht. Aber ich bin ein Profi, und ich weiß ganz genau, was ich tue. ich kann mir einen vollständigen Traum autosuggerieren und ihn bis in die kleinste Einzelheit hinein genau so exakt träumen, als hätte ich ihn mit meinem wachen Verstand erdacht. Das habe ich die ganze letzte Woche jede Nacht getan, um in Übung zu kommen. Wenn der Verstärker die verallgemeinerten Muster des PREM-Stadiums mit meiner eigenen REM-Phase synchronisiert, werden diese Träume dadurch wirkungsvoll. Und dann — und dann —« Die Lippen in dem lockigen dunklen Bart verzerrten sich zu einem gezwungenen, klaffenden Lächeln, einem Grinsen der Ekstase, von dem sich Orr abwenden mußte, als hätte er etwas gesehen, das niemand jemals sehen sollte, etwas Grauenhaftes und Bemitleidenswertes zugleich. »Dann wird diese Welt wie der Himmel sein, und die Menschen Göttern gleich!«

»Das sind wir, das sind wir schon«, sagte Orr, aber der andere beachtete ihn gar nicht.

»Es gibt nichts mehr zu fürchten. Die gefährliche Zeit — hätten wir sie denn je erlebt —, war die, als Sie allein die Gabe des PREM-Träumens besaßen und nicht wußten, was Sie damit anfangen sollten. Wenn Sie nicht zu mir gekommen, wenn Sie nicht in die Obhut eines ausgebildeten Wissenschaftlers überwiesen worden wären, wer weiß, was alles hätte passieren können. Aber Sie wurden überwiesen, und ich war da; wie heißt es so schön: Genialität zeigt sich darin, stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein!« Er posaunte sein polterndes Lachen hinaus. »Also, es gibt nichts mehr zu führen, weil es sowieso nicht mehr in Ihren Händen liegt. Ich weiß wissenschaftlich und moralisch ganz genau, was ich tue und wie ich es tun muß. Ich weiß, wohin ich will.«