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Haber war verloren. Er hatte den Kontakt verloren.

Orr wollte etwas sagen, fand aber keine Worte. Er ging langsam hinaus, und der Pfleger, der ihm nicht von der Seite wich, machte die Tür zu und schloß sie ab.

»Ich kann es nicht«, sagte Orr. »Es gibt keinen Weg.«

»Keinen Weg«, sagte der Pfleger.

Als sie den Flur entlanggingen, fügte er mit seiner sanften Stimme hinzu: »Dr. Walters sagte mir, daß er ein sehr prominenter Wissenschaftler gewesen ist.«

Orr kehrte mit dem Boot in die Innenstadt von Portland zurück. Im Nahverkehr herrschte noch ein heilloses Durcheinander; Bruchstücke, Überbleibsel und Anlagen von sechs verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln verstopften die Stadt. Reed College hatte eine U-Bahn-Haltestelle, aber keine U-Bahn. Die Seilbahn zum Washington Park endete an einem Tunnel, der halb unter dem Willamette hindurchführte und dann aufhörte. In der Zwischenzeit hatte ein geschäftstüchtiger Bursche ein paar der Boote wieder in Betrieb genommen, die den Willamette und den Columbia hinauf und hinunter gefahren waren, und benutzte sie für regelmäßige Fahrten zwischen Linnton, Vancouver, Portland und Oregon City als Fähren. Es war eine angenehme Reise.

Orr hatte für seinen Besuch im Sanatorium eine lange Mittagspause gemacht. Sein Arbeitgeber, der Außerirdische E’nememen Asfah, interessierte sich nicht dafür, wann die Arbeit gemacht wurde, ihm kam es nur darauf an, daß sie gemacht wurde. Wann man was machte, blieb einem selbst überlassen. Orr erledigte einen großen Teil seiner Arbeit im Kopf, wenn er am Morgen eine halbe Stunde halb wach im Bett lag, bevor er aufstand.

Es war fünfzehn Uhr, als Orr zum Kitchen Sink zurückkehrte und sich in der Werkstatt an sein Reißbrett setzte. Asfah befand sich im Vorführraum und bediente Kundschaft. Sein Personal bestand aus drei Designern, und er hatte Lieferverträge mit verschiedenen Herstellern, die alle möglichen Arten von Küchengeräten anfertigten, Schüsseln, Kochtöpfe, Besteck, Werkzeug, alles, ausgenommen schwere Elektrogeräte. Nach dem Bruch herrschte ein grauenhaftes Durcheinander in Industrie und Handel; nationale und internationale Regierungen waren wochenlang so überfordert gewesen, daß infolge dessen ein gewisses laissez-faire herrschte und kleine private Firmen, die diese Periode überstanden hatten oder während der Zeit gegründet worden waren, sich in einer guten Ausgangsposition befanden. In Oregon wurden eine Reihe dieser Firmen, die ausnahmslos mit materiellen Gütern der einen oder anderen Art handelten, von Aldebaranern geleitet; sie waren gute Manager und ausgezeichnete Kaufleute, mußten aber Menschen für jede Form von körperlicher Arbeit beschäftigen. Die Behörden mochten sie, weil sie Beschränkungen und Kontrollen seitens des Staates bedingungslos akzeptierten, denn die Weltwirtschaft kam langsam wieder auf die Füße. Die Leute redeten sogar schon wieder vom Bruttosozialprodukt, und Präsident Merdle hatte bis Weihnachten eine Rückkehr zur Normalität zugesagt.

Asfah machte in Groß- und Einzelhandel, und das Kitchen Sink war beliebt wegen seinen unverwüstlichen Waren und fairen Preisen. Seit dem Bruch kamen in immer größerer Zahl Hausfrauen, die die unbekannten Küchen neu möblierten, in denen sie seit jenem Abend im April kochten. Orr prüfte gerade ein paar Holzmuster für Schneidbretter, als er jemanden sagen hörte: »Ich hätte gern einen von diesen Schneebesen«, und weil ihn die Stimme an die Stimme seiner Frau erinnerte, stand er auf und warf einen Blick in den Vorführraum. Asfah zeigte einer mittelgroßen Frau um die Dreißig, mit brauner Haut und kurzem, drahtigem schwarzen Haar auf einem wohlgeformten Kopf etwas.

»Heather«, sagte er und trat näher.

Sie drehte sich um. Sie betrachtete ihn, wie es schien eine lange Zeit. »Orr«, sagte sie. »George Orr. Richtig? Wann haben wir uns kennengelernt?«

»Das war —« Er zögerte. »Sind Sie nicht Anwältin?«

E’nememen Asfah stand in seinem riesigen grünen Panzer da und hielt einen Schneebesen.

»Nee. Anwaltsgehilfin. Ich arbeite für Rutti und Goodhue im Pendleton Building.«

»Das muß es sein. Da bin ich einmal gewesen. Gefällt, gefällt Ihnen das? Ich habe es entworfen.« Er holte einen anderen Schneebesen aus dem Korb und führte ihn ihr vor. »Gut ausbalanciert, sehen Sie. Und er ist schnell. Normalerweise machen sie die Drähte zu straff oder zu schwer, außer in Frankreich.«

»Sieht gut aus«, sagte sie. »Ich besitze einen alten elektrischen Mixer, wollte so etwas aber wenigstens an die Wand hängen. Arbeiten Sie hier? Früher nicht. Jetzt fällt es mir wieder ein. Sie waren in einem Büro in der Stark Street, und waren bei einem Arzt in Freiwilliger Behandlung.«

Er hatte keine Ahnung, woran oder an wieviel sie sich erinnerte und wie es zu seinen eigenen multiplen Erinnerungen paßte. — Seine Frau hatte natürlich graue Haut gehabt. Es gab immer noch graue Menschen, hieß es, besonders im Mittleren Westen und in Deutschland, aber die meisten anderen hatten wieder eine weiße, braune, schwarze, rote, gelbe Farbe, oder Mischfarben. Seine Frau war eine graue Person gewesen, eine weitaus sanftmütigere Person als diese hier, dachte er. Diese Heather hatte eine große schwarze Handtasche mit Messingverschluß dabei, und wahrscheinlich einen Flachmann voll Brandy darin; sie kam hart rüber. Seine Frau war aggressionslos gewesen, und zwar couragiert, aber mit einem schüchternen Gemüt. Dies war nicht seine Gattin, sondern eine leidenschaftlichere Frau, lebhaft und mit Ecken und Kanten.

»Das stimmt«, sagte er. »Vor dem Bruch. Wir hatten … Tatsächlich, Miss Lelache, hatten wir eine Verabredung zum Mittagessen. Im Dave’s in der Ankeny. Wir haben es nicht geschafft.«

»Ich bin nicht Miss Lelache, das ist mein Mädchenname. Ich bin Mrs. Andrews.«

Sie sah ihn neugierig an. Er stand da und ertrug die Realität.

»Mein Mann ist im Krieg im Nahen Osten gefallen«, fügte sie hinzu.

»Ja.« sagte Orr nur.

»Entwerfen Sie alle Sachen hier?«

»Die meisten Werkzeuge und so. Und das Kochgeschirr. Sehen Sie, gefällt Ihnen das?« Er brachte einen Teekessel mit Kupferboden zum Vorschein, massiv und doch elegant, so zweckdienlich entworfen wie ein Segelschiff.

»Wem würde das nicht gefallen?« sagte sie und streckte die Hand aus. Er gab ihr den Kessel. Sie wog ihn und bewunderte ihn. »Ich mag Sachen«, sagte sie.

Er nickte.

»Sie sind ein wahrer Künstler. Er ist wunderschön.«

»Mr. Orr ist Experte für Gebrauchsgegenstände«, warf der Besitzer tonlos aus dem linken Ellbogen ein.

»Hören Sie, jetzt erinnere ich mich«, sagte Heather plötzlich. »Natürlich, das war vor dem Bruch, darum ist in meinem Kopf alles so durcheinander. Sie haben geträumt, ich meine, Sie glaubten, daß Sie Dinge träumen, die dann wahr werden. Ist es nicht so? Und der Arzt hat Sie gezwungen, es immer öfter und öfter zu machen, aber das wollten Sie nicht und suchten nach einer Möglichkeit, wie Sie aus der Freiwilligen Therapie rauskommen konnten, ohne daß Ihnen eine Zwangstherapie aufgebrummt wurde. Sehen Sie, ich kann mich erinnern. Sind Sie denn einem anderen Seelenklempner zugeteilt worden?«

»Nein. Ich bin darüber hinweggekommen«, sagte Orr und lachte. Sie lachte ebenfalls.

»Was haben Sie wegen Ihren Träumen unternommen?«

»Oh … einfach weitergeträumt.«

»Ich dachte, Sie könnten die Welt verändern. Etwas Besseres haben Sie sich nicht für uns einfallen lassen können als — dieses Schlamassel?«

»Es wird wohl so genügen müssen«, sagte er.

Er selbst hätte auch ein kleineres Schlamassel bevorzugt, aber das lag nicht in seiner Macht. Und wenigstens war sie jetzt Teil des Schlamassels. Er hatte sie gesucht, so gut er konnte, hatte sie nicht gefunden und so in seiner Arbeit Trost gesucht; viel Trost hatte sie ihm nicht gerade gespendet, aber es war die Arbeit, für die er geschaffen war, und er war ein geduldiger Mann. Doch jetzt mußte diese trockene und stumme Trauer um seine verlorene Frau ein Ende haben, denn jetzt stand sie hier, die lebhafte, widerspenstige und zerbrechliche Fremde, die er immer wieder neu erobern mußte.