Während Orr gehorsam den Kopf zurücklegte, streckte Haber, der dicht neben ihm stand, rasch und lautlos die linke Hand hinter den Kopf des Mannes aus und drückte mit Daumen und einem Finger fest hinter jedes Ohr; gleichzeitig drückte er mit dem rechten Daumen und Finger fest auf die dargebotene Kehle, dicht unter dem blonden Bart, wo Vagusnerv und Halsschlagader verlaufen. Er spürte die zarte, glatte Haut unter den Fingern; er spürte die erste erschrockene Bewegung des Widerstands, dann sah er, wie die klaren Augen zufielen. Er verspürte den Nervenkitzel der Freude über seine eigene Kunstfertigkeit, seine sofortige Dominanz über den Patienten, während er gleichzeitig leise und schnell murmelte: »Sie werden jetzt einschlafen; schließen Sie die Augen, schlafen Sie, entspannen Sie sich, machen Sie Ihren Verstand leer; Sie werden einschlafen, Sie sind entspannt, Sie werden ganz schlaff; entspannen Sie sich, lassen Sie los —«
Und Orr fiel nach hinten auf die Couch, als wäre er erschossen worden; die rechte Hand hing schlaff an seiner Seite herunter.
Haber kniete sofort neben ihm nieder, ließ die rechte Hand leicht auf den Druckpunkten und machte keine Pause in dem leisen, raschen Schwall der Suggestion. »Sie sind jetzt in Trance, nicht im Schlaf, sondern tief in hypnotischer Trance, und Sie werden nicht daraus erwachen, bevor ich es Ihnen sage. Sie sind jetzt in Trance, und Sie gehen immer tiefer in diese Trance, aber Sie können immer noch meine Stimme hören und meinen Anweisungen folgen. Von nun an werden Sie jedesmal, wenn ich Sie einfach am Hals berühre wie jetzt, sofort in hypnotische Trance fallen.« Er wiederholte die Anweisungen und fuhr fort. »Wenn ich Ihnen jetzt sage, Sie sollen die Augen öffnen, werden Sie es tun und eine Kristallkugel vor sich schweben sehen. Ich möchte, daß Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit darauf konzentrieren, und während Sie das machen, werden Sie immer tiefer in Trance sinken. Schlagen Sie jetzt die Augen auf, ja, gut, und sagen Sie mir, wenn Sie die Kristallkugel sehen.«
Die hellen Augen sahen mit einem jetzt seltsam verinnerlichten Blick an Haber vorbei ins Leere. »Jetzt«, sagte der hypnotisierte Mann sehr leise.
»Gut. Sehen Sie sie weiter an und atmen Sie ganz regelmäßig dabei; bald werden Sie in einer sehr tiefen Trance sein …«
Haber sah zur Uhr hinauf. Das Ganze hatte nur rund zwei Minuten gedauert. Gut; er vergeudete nicht gern Zeit für lange Wege, das Ziel war das entscheidende. Während Orr liegend seine imaginäre Kristallkugel betrachtete, stand Haber auf und setzte ihm die modifizierte Trancekappe auf, die er unablässig wegzog und wieder andrückte, um die winzigen Elektroden anzupassen und unter dem dichten hellbraunen Haar an der Kopfhaut zu befestigen. Er redete viel und leise, wiederholte die Suggestion und stellte zwischendurch unverblümte Fragen, damit Orr noch nicht in den Schlaf abglitt, sondern aufmerksam blieb. Als die Kappe sich an Ort und Stelle befand, schaltete er das EEG ein und beobachtete es eine Zeitlang, um sich zu vergegenwärtigen, wie Orrs Gehirn aussah.
Acht Elektrodenkabel an der Kappe führten in das EEG; im Innern der Maschine zeichneten acht Stifte ununterbrochen die elektrische Aktivität des Gehirns auf. Der Monitor, den Haber im Auge behielt, gab die Impulse direkt wieder, krakelige weiße Linien auf dunkelgrauem Grund. Er konnte jede einzeln isolieren und vergrößern oder eine über die andere legen, ganz nach Belieben. Es war ein Bild, dessen er niemals überdrüssig wurde, das rund um die Uhr geöffnete Kino, der Film auf Kanal eins.
Die sigmoidalen Ausschläge, die er suchte, charakteristisch für bestimmte schizoide Persönlichkeitstypen, konnte er nicht erkennen. Das Muster insgesamt wies, abgesehen von seiner Vielfalt, nichts Ungewöhnliches auf. Ein einfaches Gehirn erzeugt ein relativ einfaches Zickzack-Muster und begnügt sich damit, das ständig zu wiederholen; dies war kein einfaches Gehirn. Die Bewegungsmuster waren subtil und komplex, die Wiederholungen weder häufig noch ohne Variationen. Der Computer des Verstärkers würde sie analysieren, aber bis er diese Analyse sah, konnte Haber keinen einzelnen Faktor isolieren, abgesehen von der Komplexität selbst.
Als er dem Patienten befahl, die Kristallkugel nicht mehr zu sehen und die Augen zu schließen, bekam er sofort einen starken, klaren Alpharhythmus mit zwölf Zyklen. Er spielte noch ein wenig mit dem Gehirn herum, machte Aufzeichnungen für den Computer und prüfte die Tiefe der Hypnose: »Also, John —« Nein, wie, zum Teufel, lautete der Name des Subjekts? »George. Sie werden jetzt in einer Minute einschlafen. Sie werden tief schlafen und träumen; aber Sie werden erst einschlafen, wenn ich das Wort ›Antwerpen‹ sage; wenn ich das sage, werden Sie einschlafen und schlafen, bis ich dreimal Ihren Namen nenne. Wenn Sie schlafen, werden Sie einen Traum haben, einen schönen Traum. Einen klaren, angenehmen Traum. Überhaupt keinen bösen Traum, einen angenehmen, aber sehr deutlich und lebhaft. Sie werden sich ganz sicher daran erinnern, wenn Sie wieder aufwachen. Sie werden von —« Er zögerte einen Moment; er hatte nichts geplant, sondern sich auf seine Inspiration verlassen. »Von einem Pferd träumen. Einem großen kastanienroten Pferd, das auf einer Wiese galoppiert. Herumläuft. Vielleicht reiten Sie das Pferd, fangen es ein oder betrachten es nur. Aber der Traum soll von einem Pferd handeln. Ein lebhafter —« was für ein Wort hatte der Patient benutzt? — »wirkungsvoller Traum von einem Pferd. Danach werden Sie nichts anderes mehr träumen; und wenn ich dreimal Ihren Namen nenne, werden Sie aufwachen und sich ruhig und ausgeruht fühlen. Und jetzt versetze ich Sie in Schlaf … indem ich es sage … Antwerpen.«
Gehorsam veränderten sich die dünnen tanzenden Linien auf dem Monitor. Sie wurden kräftiger und langsamer; wenig später tauchten die Schlafspindeln des Schlafs im Stadium 2 auf, sowie erste Andeutungen der langen, tiefen Deltarhythmen von Stadium 4. Und so, wie sich der Hirnwellenrhythmus änderte, änderte sich auch die träge Masse, die von dieser tanzenden Energie bewohnt wurde: Die Hände lagen schlaff auf der Brust, die langsam atmete, das Gesicht wirkte schief und reglos.
Der Verstärker hatte eine vollständige Aufzeichnung des Hirnwellenmusters im Wachzustand aufgezeichnet; jetzt zeichnete er die Muster des orthodoxen Schlafs auf und analysierte sie; bald würde er die Anfänge der Muster des paradoxen Schlafs des Patienten empfangen und imstande sein, sie schon in dem ersten Traum an das schlafende Gehirn zurückzusenden und so dessen eigene Emissionen zu verstärken. Gut möglich, daß das schon in diesem Augenblick geschah. Haber hatte mit einer Wartezeit gerechnet, aber die hypnotische Suggestion und der lange Quasi-Traumentzug des Patienten versetzten diesen sofort in den paradoxen Schlafzustand: Kaum hatte er Stadium 2 erreicht, begann der Wiederaufstieg. Die langsam kriechenden Linien auf dem Monitor schlugen mal hier, mal da aus; schlugen erneut aus; wurden schneller und fingen an zu tanzen, entwickelten einen hastigen, asynchronen Rhythmus. Nun war die Varolsbrücke aktiv und die Linie des Ammonshorns zeigte einen Fünf-Sekunden-Zyklus, den Thetarhythmus, der sich bei diesem Subjekt nicht klar gezeigt hatte. Die Finger zuckten ein wenig; die Augen bewegten sich unter den geschlossenen Lidern, beobachteten; die Lippen öffneten sich zu einem tiefen Atemzug. Der Schlafende träumte.
Es war 17:06 Uhr.
Um 17:11 Uhr drückte Haber auf die schwarze AUS-Taste des Verstärkers. Um 17:12 Uhr, als er abermals die tiefen Kerben und Spindeln des orthodoxen Schlafs wieder auftauchen sah, beugte er sich über den Patienten und sagte dreimal deutlich dessen Namen.