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Eigentlich gar nicht so schlecht, dachte er, während er den Bauch einzog und sich aufrecht vor sein bodenlanges Spiegelbild an der Rückseite der Tür stellte. Fest. Gut in Form. Lange Beine, aber keine Storchenstelzen. Möglicherweise etwas schmächtig um die Schultern? Er runzelte kritisch die Stirn und drehte seinen schlanken Körper hin und her.

Er fuhr sich mit der Hand durch das schwarze Haar, bis es wie ein Rasierpinsel abstand, und versuchte, sich auszumalen, wie er wohl mit langem Haar und Bart aussehen würde, so wie ein paar seiner Studenten. Würde er verwegen aussehen oder nur mottenzerfressen? Ein Ohrring vielleicht, wo er schon dabei war? Dann könnte er wie ein Pirat aussehen, wie Edward Teach oder Henry Morgan. Er zog die Augenbrauen zusammen und entblößte die Zähne.

»Grrrrr«, sagte er zu seinem Spiegelbild.

»Mr. Wakefield?«, sagte das Spiegelbild.

Roger fuhr erschrocken zurück und stieß sich den Zeh schmerzhaft an einem der vorstehenden Klauenfüße der betagten Badewanne.

»Au!«

»Alles in Ordnung, Mr. Wakefield?«, fragte der Spiegel. Der Porzellantürknauf klapperte.

»Natürlich!«, schimpfte er gereizt und warf einen finsteren Blick zur Tür. »Gehen Sie, Fiona, ich nehme ein Bad!«

Auf der anderen Seite der Tür kicherte es.

»Ooh, zweimal an einem Tag. Werden wir jetzt zum Dandy? Hätten Sie gern die Bay Rum Seife? Falls ja, ist sie im Schränkchen.«

»Nein danke«, fauchte er. Die Wanne war jetzt halbvoll, und er drehte die Hähne zu. Die plötzliche Stille war Balsam für seine Seele, und er sog sich die dampfende Luft tief in die Lungen. Er stieg ins Wasser und zuckte zusammen, weil es so heiß war. Vorsichtig ließ er sich hineinsinken und spürte, wie sich ein Schweißfilm über sein Gesicht zog, als ihm die Hitze durch den Körper fuhr.

»Mr. Wakefield?« Die Stimme war wieder da. Sie zwitscherte von der anderen Seite der Tür auf ihn ein wie ein Rotkehlchen, das seine Brut herumkommandiert.

»Gehen Sie, Fiona«, sagte er zähneknirschend und legte sich in der Wanne zurück. Das dampfende Wasser schmiegte sich um ihn, wohlig wie die Arme einer Geliebten. »Ich habe alles, was ich brauche.«

»Nein, das haben Sie nicht«, sagte die Stimme.

»Doch, das habe ich.« Sein Blick überflog die eindrucksvolle Ansammlung von Flaschen, Gläsern und Gegenständen, die auf dem Wandregal über der Wanne aufgereiht standen. »Drei Sorten Shampoo. Haarspülung. Rasiercreme. Rasiermesser. Körperseife. Gesichtsseife. Rasierwasser. Duftwasser. Deostift. Alles da, Fiona.«

»Was ist denn mit Handtüchern?«, sagte die Stimme liebenswürdig.

Nachdem er einen wilden Blick durch das vollständig handtuchlose Innere des Badezimmers geworfen hatte, schloss Roger die Augen, biss die Zähne zusammen und zählte langsam bis zehn. Da das nicht reichte, erhöhte er auf zwanzig. Dann hatte er das Gefühl, antworten zu können, ohne dass ihm der Schaum vor dem Mund stand, und er sagte ruhig: »Also schön, Fiona. Legen Sie sie bitte vor die Tür. Und dann, bitte … bitte, Fiona … gehen Sie.«

Es raschelte draußen, gefolgt von Schritten, die sich widerstrebend entfernten, und Roger ergab sich mit einem erleichterten Seufzer den Freuden des Alleinseins. Friede. Ruhe. Keine Fiona.

Jetzt, da er objektiver über seine bestürzende Entdeckung nachdenken konnte, stellte er fest, dass ihn Briannas mysteriöser leiblicher Vater mehr als neugierig machte. Seiner Tochter nach zu schließen, musste der Mann von außergewöhnlicher körperlicher Attraktivität gewesen sein; hätte das allein gereicht, um eine Frau wie Claire Randall auf Abwege zu locken?

Er hatte sich ja schon gefragt, ob Briannas Vater wohl Schotte gewesen war. Lebte er in Inverness – oder hatte er dort gelebt? Eine solche Nähe hätte natürlich Claires Nervosität erklärt und ihre geheimnistuerische Art. Aber erklärte sie auch die seltsamen Bitten, die sie an ihn gerichtet hatte? Sie wollte nicht, dass er Brianna zum Craigh na Dun mitnahm oder den Hauptmann der Männer aus Broch Tuarach vor ihrer Tochter erwähnte. Warum nur?

Ein plötzlicher Gedanke ließ ihn kerzengerade in der Wanne auffahren, so dass das Wasser wild gegen die Eisenwände platschte. Was, wenn es ihr gar nicht um den jakobitischen Soldaten aus dem achtzehnten Jahrhundert ging, sondern nur um seinen Namen? Was, wenn der Mann, der 1948 ihre Tochter gezeugt hatte, ebenfalls James Fraser hieß? Es war ja kein ungewöhnlicher Name in den Highlands.

Ja, dachte er, gut möglich, dass dies die Erklärung war. Was Claires Wunsch betraf, ihrer Tochter den Steinkreis selbst zu zeigen, vielleicht hing er ja ebenfalls mit dem Rätsel um ihren Vater zusammen; vielleicht war sie dem Mann dort begegnet, oder vielleicht war Brianna dort gezeugt worden. Roger wusste, dass der Steinkreis oft als Treffpunkt für Liebespaare diente; er war selbst öfter mit Mädchen dort gewesen, als er noch in der Schule war, und hatte darauf gebaut, dass der rätselhafte Ort ihnen etwas von ihrer Reserve nehmen würde. Es hatte immer funktioniert.

Plötzlich sah er vor seinem inneren Auge, wie Claire Randalls schlanke weiße Gliedmaßen in wilder Hingabe den nackten, angespannten Körper des rothaarigen Mannes umschlangen, beide Körper regenglänzend und fleckig vom zerdrückten Gras, ekstatisch unter den Steinen. Seine Vision war so schockierend detailliert, dass er zitterte und ihm der Schweiß über die Brust lief, um dann im dampfenden Badewasser zu verschwinden.

Himmel! Wie sollte er Claire Randall in die Augen sehen, wenn sie sich das nächste Mal gegenüberstanden? Und was würde er zu Brianna sagen? »Na, in letzter Zeit etwas Gutes gelesen? Irgendwelche guten Filme gesehen? Wissen Sie eigentlich, dass Sie ein uneheliches Kind sind?«

Er schüttelte den Kopf. Die Wahrheit war, dass er nicht wusste, was er als Nächstes tun sollte. Es war eine unangenehme Situation. Er wollte nichts damit zu tun haben, und doch gab es kein Zurück. Er mochte Claire Randall; er mochte Brianna Randall – viel mehr als das, wenn er ehrlich war. Er hätte sie gern beschützt und ihr Leid erspart, wenn es möglich war. Doch genau das schien nicht möglich zu sein. Alles, was er tun konnte, war, den Mund zu halten, bis Claire Randall ihr Vorhaben ausführte, was auch immer es war. Und dann da zu sein, um die Scherben aufzulesen.

Kapitel 3

Mütter und Töchter

Ich fragte mich, wie viele Teestuben es wohl in Inverness geben mochte. Die High Street ist zu beiden Seiten mit kleinen Cafés und Souvenirläden gesäumt, so weit das Auge reicht. Seit Königin Victoria die Highlands zu einem sicheren Pflaster für Reisende gemacht hatte, indem sie der Gegend ihren königlichen Segen erteilte, strömten die Touristen in ständig wachsender Zahl gen Norden. Die Schotten, die aus dem Süden eigentlich nur bewaffnete Invasionen und politische Einmischung gewohnt waren, hatten sich der Herausforderung mit Bravour gestellt.

Man konnte sich in keinem Highlandort mehr als ein paar Meter über die Hauptstraße bewegen, ohne einen Laden vorzufinden, der Butterkekse, Toffee, mit Disteln bestickte Taschentücher, Spielzeugdudelsäcke, aus Aluminium gestanzte Clanembleme, Brieföffner in Form von Claymoreschwertern, Geldbörsen in Form kleiner Sporrans (manchmal mit einem anatomisch korrekten »Schotten« darunter) und ein schier unglaubliches Sortiment erfundener Tartanmuster verkaufte, die jeden nur vorstellbaren, aus Stoff gefertigten Gegenstand schmückten, von Mützen, Krawatten und Servietten bis hin zu einem besonders grauenvollen »Buchanan«-Design, das man zur Herstellung von Herrenunterhosen aus Nylon verwendet hatte.

Während ich den Blick über einen Satz Küchenhandtücher schweifen ließ, auf denen ein völlig falsch abgebildetes Ungeheuer von Loch Ness »Auld Lang Syne« trällerte, dachte ich, dass Victoria wirklich einiges zu verantworten hatte.