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Sosehr Roger Claire Randall mochte, er war nicht der Meinung, dass es schade war. Drei, so dachte er, wären definitiv einer zu viel gewesen. Doch er grunzte unverbindlich, und gleich darauf fragte er: »Wie geht es deiner Mutter wohl? Ich hoffe, sie ist nicht ernsthaft krank.«

»Oh, nein, es ist nur eine Magenverstimmung – zumindest sagt sie das.« Brianna blickte einen Moment stirnrunzelnd vor sich hin, dann wandte sie sich Roger zu und legte ihm die Hand leicht auf das Bein. Er spürte die Muskeln vom Knie bis zur Lende erbeben und konnte sich nur mühsam auf das konzentrieren, was sie sagte. Sie redete immer noch von ihrer Mutter.

»… ob es ihr gutgeht?«, sagte sie gerade. Sie schüttelte den Kopf, und in den Wellen ihres Haars glitzerte Kupfer, selbst im dumpfen Licht des Autos. »Ich weiß es nicht; irgendetwas scheint sie furchtbar zu beschäftigen. Eigentlich nicht krank – eher so, als ob ihr irgendetwas Sorgen macht.«

Roger hatte plötzlich einen Stein in der Magengrube.

»Mpfm«, sagte er. »Vielleicht fehlt ihr ja nur die Arbeit. Sie fängt sich bestimmt wieder.« Brianna lächelte ihm dankbar zu, und sie kamen vor Mrs. Thomas’ kleinem Steinhaus zum Halten.

»Es war toll, Roger«, sagte sie und berührte ihn sacht an der Schulter. »Aber mit Mamas Projekt hat es uns ja nicht besonders weitergebracht. Kann ich dir nicht irgendwie bei der Drecksarbeit helfen?«

Rogers Stimmung hob sich beträchtlich, und er lächelte sie an. »Ich glaube, das lässt sich einrichten. Möchtest du morgen vorbeikommen, und dann wagen wir uns an die Garage? Dreck kann ich dir bieten, schlimmer geht es nämlich kaum.«

»Toll.« Sie war ausgestiegen und stützte sich lächelnd auf das Auto, um zu ihm hineinzusehen. »Vielleicht hat meine Mutter ja Lust, mitzukommen und zu helfen.«

Er konnte spüren, wie sein Gesicht erstarrte, doch er lächelte tapfer weiter.

»Klar«, sagte er. »Das hoffe ich doch.«

Schliesslich kam Brianna tags darauf aber doch allein zum Pfarrhaus.

»Mama ist in der Bücherei«, erklärte sie. »Wühlt in alten Telefonbüchern. Sie sucht nach jemandem von früher.«

Bei diesen Worten setzte Rogers Herz einen Schlag aus. Er hatte gestern Abend das Telefonbuch des Reverends durchgesehen. Im Ort gab es drei Einträge unter dem Namen »James Fraser« und zwei weitere mit anderen Vornamen, die jedoch in der Mitte die Initiale »J« hatten.

»Tja, ich hoffe, sie findet ihn«, sagte er bemüht beiläufig. »Bist du wirklich sicher, dass du mithelfen willst? Es ist langweilig und staubig.« Roger warf Brianna einen skeptischen Blick zu, doch sie nickte unbeirrt.

»Ich weiß. Ich habe meinem Vater ein paar Mal geholfen, alte Dokumente durchzusehen und Fußnoten zu suchen. Außerdem ist es doch Mamas Projekt; es ist das mindeste, was ich tun kann, dir zu helfen.«

»Also schön.« Roger blickte an seinem weißen Hemd hinunter. »Ich ziehe mich kurz um, und dann sehen wir uns die Sache an.«

Das Garagentor ächzte und stöhnte, dann ergab es sich in sein Schicksal und hob sich plötzlich unter knarrenden Stahlfedern und großen Staubwolken.

Brianna wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht hin und her und hustete. »Puh!«, sagte sie. »Wie lange ist denn hier schon niemand mehr gewesen?«

»Seit Urzeiten, vermute ich«, erwiderte Roger geistesabwesend. Er hielt den Strahl seiner Taschenlampe ins Innere der Garage, und das Licht fiel flüchtig auf stapelweise Pappkartons und Holzkisten, alte Schrankkoffer, von denen sich die Aufkleber lösten, und formlose Umrisse unter Planen. Hier und dort ragten die Beine umgedrehter Möbelstücke aus dem Dämmerlicht wie kleine Dinosaurierskelette aus einer Felsformation.

Eine Art Riss zog sich durch das Sammelsurium; Roger zwängte sich hinein und verschwand prompt in einem Tunnel voller Staub und Schatten. Der schwache Lichtfleck seiner Taschenlampe, der hin und wieder an die Garagendecke fiel, kennzeichnete seinen Weg. Mit einem Triumphschrei packte er schließlich das baumelnde Ende einer Schnur, die von oben herabhing, und plötzlich wurde die Garage in das Gleißen einer riesigen Glühbirne getaucht.

»Hier entlang«, sagte Roger, der jetzt wieder auftauchte und Brianna bei der Hand nahm. »An der Rückwand ist ein bisschen Platz.«

An der hinteren Wand stand ein betagter Tisch. Was vielleicht einmal das Prunkstück im Esszimmer des Reverends gewesen war, hatte danach offensichtlich mehrere Inkarnationen als Küchenplatte, Werkzeugbank, Sägebock und Tapeziertisch erlebt, ehe es an dieser staubigen Stätte seine Zuflucht fand. Ein Fenster voller dichter Spinnweben warf gedämpftes Licht auf eine Oberfläche, die mit Einkerbungen und Farbspritzern übersät war.

»Hier können wir arbeiten«, sagte Roger. Er zerrte einen Hocker aus dem Durcheinander und staubte ihn oberflächlich mit einem großen Taschentuch ab. »Setz dich, und ich schaue, ob ich das Fenster öffnen kann; sonst ersticken wir hier noch.«

Brianna nickte, doch statt sich zu setzen, begann sie, neugierig in den nächstbesten Stapeln umherzustöbern, während Roger mit dem verzogenen Fensterrahmen kämpfte. Er konnte hören, wie sie hinter ihm die Beschriftung der Kartons las.

»Hier ist 1930 bis 33«, sagte sie. »Und hier 1942 bis 46. Was ist das?«

»Tagebücher«, sagte Roger grunzend, während er sich mit den Ellbogen auf der schmutzigen Fensterbank abstützte. »Mein Vater – ich meine, der Reverend – hat regelmäßig Tagebuch geführt. Jeden Abend hat er nach dem Essen einen Eintrag geschrieben.«

»Anscheinend hatte er immer reichlich Stoff.« Brianna hob mehrere Kartons herunter und stellte sie beiseite, um die nächste Schicht zu inspizieren. »Hier sind ein paar Kartons mit Namen darauf. ›Kerse‹, ›Livingston‹, ›Balnain‹. Gemeindemitglieder?«

»Nein. Dörfer.« Keuchend hielt Roger einen Moment inne. Er wischte sich über die Stirn und hinterließ dabei einen Schmutzstreifen auf seinem Hemdsärmel. Ein Glück, dass sie beide alte Kleider trugen, die für das Wühlen im Dreck geeignet waren. »Das dürften Notizen zur Geschichte diverser Highlanddörfer sein. Aus einigen dieser Kartons sind schon Bücher geworden; man findet sie überall in den Highlands in den Souvenirläden.«

Er wandte sich einem gelochten Brett zu, an dem eine Sammlung maroder Werkzeuge hing, und wählte einen großen Schraubenzieher zur Unterstützung seiner Attacke auf das Fenster aus.

»Sieh nach, ob irgendwo ›Pfarrbücher‹ steht«, riet er ihr. »Oder such nach den Namen der Dörfer in der Gegend von Broch Tuarach.«

»Ich weiß doch gar nicht, wie die Dörfer dort heißen«, sagte Brianna.

»Oh, aye, das habe ich ganz vergessen.« Roger schob die Spitze des Schraubenziehers in die Ritze des Fensterrahmens und meißelte sich grimmig durch die alten Farbschichten. »Such nach den Namen Broch Mordha … äh, Mariannan und … oh, St. Kilda. Es gibt zwar noch mehr, aber von diesen drei weiß ich, dass sie anständige Kirchen hatten, die entweder geschlossen oder abgerissen worden sind.«

»Okay.« Brianna schob ein Stück Plane beiseite, das ihr im Weg hing, und fuhr plötzlich mit einem Aufschrei zurück.

»Was? Was ist denn?« Roger fuhr herum, den Schraubenzieher im Anschlag.

»Ich weiß es nicht. Irgendetwas ist losgeflitzt, als ich die Abdeckplane angefasst habe.« Brianna zeigte mit dem Finger auf die Stelle, und Roger ließ erleichtert seine Waffe sinken.

»Oh, das ist alles? Vermutlich eine Maus. Oder eine Ratte.«

»Eine Ratte? Hier gibt es Ratten?« Brianna war sichtlich beunruhigt.

»Na ja, ich hoffe nicht, denn sonst haben sie am Ende an den Dokumenten genagt, nach denen wir suchen«, erwiderte Roger. Er reichte ihr die Taschenlampe. »Hier, halte sie in die dunklen Ecken, dann wirst du wenigstens nicht überrascht.«

»Vielen Dank.« Brianna nahm zwar die Taschenlampe, doch ihr Blick ruhte immer noch widerstrebend auf den Kartonstapeln.

»Ach, komm schon«, sagte Roger. »Oder möchtest du eine spontane Rattensatire hören?«