»Ich mag ja in Eile sein, Fraser, aber die Zeit, die Grundregeln der Höflichkeit zu beachten, haben wir noch. Geht und gebt Eurer Frau einen Abschiedskuss, Mann. Ich warte draußen.«
Er machte auf dem Absatz kehrt und verbeugte sich tief vor mir, so dass der Zopf seiner Perücke vornüberfiel.
»Euer Diener, Ma’am.«
Ich wusste genug über Armeen, um zu begreifen, dass vermutlich erst einmal nichts Offensichtliches passieren würde, und so kam es auch. Kleine Trupps von Männern marschierten die einzige Straße von Tranent auf und ab. Ehefrauen, andere Armeeanhängsel und die obdachlosen Bewohner von Tranent liefen ziellos umher und überlegten, ob sie bleiben oder gehen sollten. Kuriere huschten mit ihren Botschaften quer durch die Menge.
Ich war Lord George bereits in Paris begegnet. Er war ein Mensch, der nie auf Formalitäten beharrt hätte, wenn Handeln gefragt war, obwohl ich vermutete, dass er nicht deshalb selbst zu Jamie gekommen war, weil es praktischer war oder weil er unter vier Augen mit ihm sprechen wollte, sondern weil ihn Prinz Charles’ Verhalten den letzten Nerv kostete und er O’Sullivan nicht mehr sehen konnte. Da die gesamte Highland-Armee zwischen fünfzehnhundert und zweitausend Mann zählte, waren dreißig Mann zwar kein Geschenk des Himmels, aber man spuckte auch nicht darauf.
Mein Blick fiel auf Fergus, der hin und her zappelte wie eine epileptische Kröte, und ich beschloss, dass ich genauso gut selbst ein paar Nachrichten verschicken konnte. Das Sprichwort besagt, dass unter den Blinden der Einäugige König ist. Basierend auf meinen Erfahrungen, erfand ich prompt eine Analogie, die lautete: »Wenn keiner weiß, was er tun soll, hört man auf jeden, der einen vernünftigen Vorschlag macht.«
Wir hatten Papier und Tinte in den Satteltaschen. Ich nahm Platz, von der Dame des Hauses mit beinahe abergläubischer Ehrfurcht beobachtet, weil sie vermutlich noch nie gesehen hatte, wie eine Frau etwas schrieb, und verfasste eine Note an Jenny Cameron. Sie war diejenige, die dreihundert Cameron-Männer über die Berge geführt hatte, um sich Prinz Charles anzuschließen, als er in Glenfinnan an der Küste seine Standarte gehisst hatte. Als ihr Bruder Hugh etwas spät zu Hause eintraf und hörte, was geschehen war, war er zwar Hals über Kopf nach Glenfinnan geritten, um sich an die Spitze seiner Männer zu stellen, doch Jenny hatte sich geweigert, heimzukehren und sich den Spaß entgehen zu lassen. Sie hatte zwar den Zwischenhalt in Edinburgh sehr genossen, wo Charles den Beifall seiner getreuen Untertanen entgegengenommen hatte, doch sie hatte sich auch genauso willig gezeigt, ihrem Prinzen in die Schlacht zu folgen.
Ich hatte zwar kein Siegel, doch in einer der Taschen befand sich Jamies Mütze mit der Anstecknadel, die das Wappen und Motto der Frasers trug. Ich löste sie und drückte sie in den Klecks aus warmem Kerzenwachs, mit dem ich die Note versiegelt hatte. Es sah sehr offiziell aus.
»Für die schottische Dame mit den Sommersprossen«, instruierte ich Fergus und beobachtete zufrieden, wie er zur Tür hinausschoss und sich in die Menge stürzte. Ich hatte zwar keine Ahnung, wo sich Jenny Cameron im Moment aufhielt, doch die Offiziere hatten im Pfarrhaus neben der Kirche Quartier bezogen, also konnte Fergus dort beginnen. Solange er sie suchte, konnte er zumindest keine Dummheiten anstellen.
Als das erledigt war, wandte ich mich an die Dame des Hauses.
»Nun denn«, sagte ich. »Was habt Ihr an Decken, Servietten und Unterröcken?«
Ich fand bald heraus, dass ich Jenny Camerons Charakter korrekt eingeschätzt hatte. Eine Frau, die dreihundert Männer mobilisieren und über die Berge führen konnte, damit sie an der Seite eines Dandys mit italienischem Akzent und einer Vorliebe für Branntwein kämpften, musste sich erstens leicht langweilen und zweitens großes Talent dafür besitzen, Menschen dazu zu drängen zu tun, was sie wollte.
»Sehr vernünftig«, sagte sie, nachdem sie sich meinen Plan angehört hatte. »Vetter Archie hat zwar sicher ein paar Vorbereitungen getroffen, aber natürlich will er jetzt bei der Armee sein.« Ihr entschlossenes Kinn schob sich weiter vor. »Da macht es schließlich den größten Spaß«, sagte sie ironisch.
»Ich bin überrascht, dass Ihr nicht darauf bestanden habt mitzugehen«, sagte ich.
Sie lachte, und ihr schmales, gutmütiges Gesicht mit dem Unterbiss ließ sie wie eine freundliche Bulldogge aussehen.
»Das würde ich tun, wenn ich könnte«, gab sie offen zu. »Aber jetzt, da Hugh hier ist, versucht er ständig, mich heimzuschicken. Habe ihm gesagt«, sie vergewisserte sich mit einem Blick, dass uns niemand hörte, und senkte verschwörerisch die Stimme, »der Teufel soll mich holen, wenn ich zu Hause herumsitze. Nicht, wenn ich mich hier nützlich machen kann.«
Sie stand auf der Schwelle der Kate und ließ den Blick nachdenklich über die Straße schweifen.
»Ich dachte mir, auf mich hören sie nicht«, sagte ich. »Weil ich Engländerin bin.«
»Aye, Ihr habt recht«, sagte sie, »aber auf mich hören sie. Ich weiß nicht, wie viele Verletzte es geben wird – hoffentlich nicht viele«, und sie bekreuzigte sich unauffällig. »Aber am besten fangen wir mit den Häusern in der Nähe des Pfarrhauses an; dort macht es weniger Umstände, Wasser aus dem Brunnen zu holen.« Entschlossen trat sie von der Schwelle und setzte sich in Bewegung. Ich folgte ihr dicht auf den Fersen.
Am Ende kamen uns nicht nur Miss Camerons Position und Überzeugungskraft zu Hilfe, sondern auch die Tatsache, dass Herumsitzen und Warten zu den elendiglichsten Beschäftigungen zählt, die die Menschheit kennt – vor allem ihre weibliche Hälfte. Als die Sonne hinter der Dorfkirche von Tranent versank, hatten wir unsere Lazarettbrigade zumindest ansatzweise organisiert.
In den umliegenden Wäldern fielen die ersten Blätter von den Eichen und Erlen und lagen gelb und lose auf dem sandigen Boden. Hier und dort war ein Blatt vertrocknet und hatte sich eingerollt, und es segelte im Wind davon wie ein kleines Boot auf rauher See.
Eines dieser Blätter wirbelte an mir vorüber und landete sanft, als die Windströmung nachließ. Ich fing es auf meiner Handfläche auf und hielt es einen Moment dort fest, um die Perfektion seiner Rippen und Adern zu bewundern, ein feines Skelett, das bleiben würde, wenn das Blatt längst verrottet war. Ein plötzlicher Windstoß, und das zu einer Schale gewölbte Blatt hob sich von meiner Hand, segelte zu Boden und rollte über die leere Straße davon.
Ich hielt mir die Hand zum Schutz gegen die sinkende Sonne über die Augen und konnte den Hügelkamm vor dem Ort sehen, auf dem die Armee lagerte. Seine Hoheit war mit seiner Hälfte der Armee vor einer Stunde zurückgekehrt und hatte auf dem Weg zu Lord George die letzten Säumigen aus dem Dorf mitgerissen. Aus dieser Entfernung konnte ich nur hin und wieder eine winzige Gestalt schwarz vor dem ergrauenden Himmel ausmachen, wenn ein Mann über den Hügelkamm kam. Eine Viertelmeile hinter dem Ende der Hauptstraße konnte ich sehen, wie die ersten englischen Feuer entzündet wurden, die im sterbenden Licht hell brannten. Der schwere Geruch der Torffeuer aus den Häusern vermischte sich mit dem schärferen Holzduft der englischen Feuer und verdrängte die würzige Luft der nahen See.
Was an Vorbereitungen möglich war, war auf den Weg gebracht. Die Frauen und Familien der Highlandsoldaten waren gastfreundlich aufgenommen worden und waren zum Großteil in den Katen an der Straße untergebracht, wo ihnen ihre Gastgeber ein einfaches Mahl aus Suppe und Salzhering auftischten. Auch auf mich wartete das Abendessen im Haus, obwohl ich kaum Appetit hatte.
Eine kleine Gestalt tauchte lautlos wie die wachsenden Schatten neben mir auf.
»Kommt Ihr etwas essen, Milady? Unsere Wirtin hält etwas für Euch bereit.«
»Oh? Oh, ja, Fergus. Ja, ich komme.« Ich warf einen letzten Blick auf den Hügel, dann wandte ich mich den Häusern zu.
»Kommst du mit, Fergus?«, fragte ich, als ich sah, dass er auf der Straße stehen geblieben war. Auch er hielt sich eine Hand über die Augen, um zu sehen, was draußen auf dem Hügel vor sich ging. Obwohl ihm Jamie mit Nachdruck befohlen hatte, bei mir zu bleiben, war nicht zu übersehen, wie sehr er sich danach sehnte, bei den Soldaten zu sein, die sich auf die morgige Schlacht vorbereiteten.