»Wie? Oh, ja, Milady.« Er wandte sich seufzend um, vorerst zu einem Leben in friedlicher Langeweile verdammt.
Die langen Sommertage räumten jetzt schnell der Dunkelheit das Feld, und die Lampen brannten schon lange, als wir unsere Vorbereitungen beendeten. Draußen war es unruhig, weil immer noch ein reges Kommen und Gehen herrschte und am Horizont die Feuer brannten. Fergus, der nicht stillhalten konnte, flitzte in den Katen ein und aus, überbrachte Nachrichten, sammelte Gerüchte und tauchte hin und wieder mit aufgeregt glänzenden Äuglein wie ein kleiner, dunkler Geist aus dem Schatten auf.
»Milady«, sagte er und zupfte an meinem Ärmel, während ich damit beschäftigt war, Leintücher in Streifen zu reißen und auf einen zur Sterilisation bestimmten Haufen zu werfen. »Milady!«
»Was gibt es denn jetzt, Fergus?« Ich war ein bisschen gereizt über die Störung; ich war gerade dabei gewesen, einer Gruppe von Hausfrauen einen Vortrag darüber zu halten, wie wichtig es war, sich häufig die Hände zu waschen, während man Verletzte behandelte.
»Ein Mann, Milady. Er will den Kommandeur der Armee Seiner Hoheit sprechen. Er sagt, er hat wichtige Informationen.«
»Nun, ich halte ihn doch nicht davon ab, oder?« Ich zerrte an einem widerspenstigen Hemdsaum, dann biss ich das Ende mit den Zähnen los und riss daran. Mit einem zufriedenstellenden Geräusch ging es sauber entzwei.
Ich spuckte ein paar Fäden aus. Er stand immer noch da und wartete geduldig.
»Also schön«, sagte ich resigniert. »Was meinst du – oder er –, was ich tun kann?«
»Wenn Ihr es mir erlauben würdet, Milady«, sagte er dienstbeflissen, »könnte ich ihn zu meinem Herrn führen. Er könnte es arrangieren, dass der Mann den Kommandeur sprechen kann.«
In Fergus’ Augen konnte »er« selbstverständlich alles; also zweifellos auch auf dem Wasser wandeln, Wasser zu Wein machen und Lord George dazu bringen, mit mysteriösen Fremden zu sprechen, die mit wichtigen Informationen aus der Dunkelheit auftauchten.
Ich strich mir das Haar aus den Augen; ich hatte es zwar unter einem Häubchen zurückgebunden, doch immer wieder entwischten einzelne Locken.
»Ist dieser Mann irgendwo in der Nähe?«
Mehr Ermunterung brauchte er nicht; er verschwand zur offenen Tür hinaus und kehrte in Sekunden mit einem dünnen jungen Mann zurück, dessen Blick sich sofort mitteilungsbedürftig auf mein Gesicht heftete.
»Mrs. Fraser?« Auf mein Nicken hin verbeugte er sich umständlich, wischte sich die Hände an der Hose ab, als wüsste er nicht, was er sonst damit tun sollte, als wollte er sie aber für alle Fälle bereithalten.
»Ich … ich bin Richard Anderson aus Whitburgh.«
»Oh? Nun, das ist schön für Euch«, sagte ich höflich. »Mein Bediensteter sagt, Ihr habt wertvolle Informationen für Lord George Murray.«
Er nickte mit dem Kopf wie eine Wasserdrossel. »Seht Ihr, Mrs. Fraser, ich habe mein ganzes Leben in dieser Gegend verbracht. Ich … ich kenne das Gelände, auf dem sich die Armeen befinden, wie meine Westentasche. Und es gibt einen Weg, der von dem Hügel, auf dem die Highlandsoldaten lagern, hinunterführt – ein Weg, der sie an dem Graben am Fuß vorbeiführt.«
»Ich verstehe.« Bei diesen Worten wurde mir flau im Magen. Wenn die Highlander am nächsten Morgen mit der Sonne im Rücken angreifen wollten, mussten sie die Anhöhe im Lauf der Nacht verlassen. Und wenn ihr Angriff Erfolg haben sollte, musste dieser Graben entweder überquert oder umgangen werden.
Ich glaubte zwar zu wissen, was kommen würde, doch ich war mir alles andere als sicher. Ich war mit einem Historiker verheiratet gewesen – und empfand den üblichen leisen Stich bei dem Gedanken an Frank – und wusste genau, wie wenig verlässlich historische Quellen oftmals waren. Genauso wenig war ich mir sicher, ob meine Anwesenheit irgendetwas ändern konnte oder würde.
Eine Sekunde lang fragte ich mich wild, was wohl geschehen würde, wenn ich versuchte, Richard Anderson davon abzuhalten, mit Lord George zu sprechen. Würde sich der Ausgang der morgigen Schlacht ändern? Würde die Highland-Armee – und mit ihr Jamie und seine Männer – abgeschlachtet werden, während sie über sumpfiges Gelände bergab in einen Graben rannte? Würde Lord George sich einen anderen funktionierenden Plan einfallen lassen? Oder würde Richard Anderson einfach selbst losgehen und einen Weg finden, mit Lord George zu sprechen, ganz gleich, was ich tat?
Mir war nicht danach, mit diesem Risiko herumzuexperimentieren. Ich blickte Fergus an, der auf der Stelle zappelte und es gar nicht abwarten konnte zu gehen.
»Meinst du, du kannst deinen Herrn finden? Auf dem Hügel ist es so finster wie in einem Kohleneimer. Ich möchte nicht, dass einer von euch beiden angeschossen wird, während ihr dort oben umhertappt.«
»Ich kann ihn finden, Madame«, sagte Fergus zuversichtlich. Vermutlich stimmte das, dachte ich. In Bezug auf Jamie schien er eine Art Radar zu besitzen.
»Also schön«, gab ich nach. »Aber sei um Gottes willen vorsichtig.«
»Oui, Madame!« Und schon war er an der Tür – er vibrierte geradezu, so sehr drängte es ihn zu gehen.
Erst eine halbe Stunde nach ihrem Aufbruch fiel mir auf, dass auch das Messer fort war, das ich auf dem Tisch liegen gehabt hatte. Und erst da wurde mir mit einem Schlag klar, dass ich Fergus zwar gesagt hatte, er solle vorsichtig sein, dass ich jedoch nicht daran gedacht hatte, ihm zu sagen, dass er zurückkommen sollte.
Die erste Kanone erscholl im Zwielicht vor der Dämmerung, ein dumpfes Donnern, das sich durch die Dielen fortzusetzen schien, auf denen ich schlief. Mein Gesäß spannte sich an, weil ich unwillkürlich den Schwanz einzog, den ich nicht besaß, und meine Finger umklammerten die Hand der Frau, die neben mir unter der Decke lag. Das Wissen, dass etwas geschehen wird, sollte eigentlich wie ein Bollwerk sein, doch irgendwie ist es das nie.
In einer Ecke der Kate stöhnte jemand leise, und die Frau neben mir murmelte »Mary, Michael und Bride, seid bei uns«. Überall auf dem Boden regte es sich, und die Frauen begannen aufzustehen. Kaum jemand sprach, als seien alle Ohren gespitzt, um die Geräusche der Schlacht auf der Ebene zu hören.
Mein Blick fiel auf Mrs. MacPherson, die Frau eines der Highlander, die neben dem ergrauenden Fenster ihre Decke zusammenfaltete. In ihrem Gesicht war die blanke Angst, und sie schloss schaudernd die Augen, als das nächste gedämpfte Donnern erklang.
Ich überdachte meine Meinung, was die Nutzlosigkeit meines Wissens betraf. Diese Frauen hatten keine Ahnung von geheimen Pfaden, Angriffen im Gegenlicht und Überraschungsattacken. Alles, was diese Frauen wussten, war, dass ihre Ehemänner und Söhne in diesem Moment den Kanonen und Musketen einer englischen Arme gegenüberstanden, die ihnen zahlenmäßig um das Vierfache überlegen war.
Die Wahrsagerei ist immer eine riskante Sache, und ich wusste, dass sie nicht auf mich hören würden. Das Beste, was ich für sie tun konnte, war, sie zu beschäftigen. Mir ging ein flüchtiges Bild durch den Kopf, von der aufgehenden Sonne, die sich leuchtend in flammenden Haaren fing und den Besitzer zur perfekten Zielscheibe machte. Ein zweites Bild folgte auf dem Fuße; ein Junge mit Nagerzähnen, der mit meinem gestohlenen Schlachtermesser und seinem blauäugigen Glauben an die Glorie des Krieges bewaffnet war. Ich schloss die Augen und schluckte krampfhaft. Es galt auch für mich: Das Beste, was ich für mich tun konnte, war, mich zu beschäftigen.
»Meine Damen!«, sagte ich. »Wir haben schon viel getan, doch es gibt noch viel mehr zu tun. Wir werden kochendes Wasser brauchen. Kessel zum Erhitzen, Töpfe zum Einweichen. Porridge für die, die etwas essen können; Milch für die, die es nicht können. Talg und Knoblauch für Wundverbände. Holzlatten zum Schienen. Flaschen und Krüge, Becher und Löffel. Nähnadeln und stabilen Zwirn. Mrs. MacPherson, wenn Ihr so freundlich wärt …«