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Immer wieder verscheuchte ich die Sorge, die mich plagte wie eine Mücke, und sagte mir, dass ich ihn ja unter den Verwundeten ebenfalls nicht sah. Ich hatte nur ganz am Anfang kurz Zeit gehabt, das kleine Zelt auf dem Hang aufzusuchen, wo die Toten der Schlacht in ordentlichen Reihen aufgebahrt wurden, als warteten sie auf eine letzte Truppeninspektion. Doch dort konnte er unmöglich sein.

Unmöglich, sagte ich mir.

Die Tür schwang auf, und Jamie trat ein.

Ich spürte, wie meine Knie bei seinem Anblick nachgaben, und streckte die Hand aus, um mich am Schornstein der Kate abzustützen. Er war auf der Suche nach mir; sein Blick huschte durch den Raum, ehe er auf mich fiel, und mir blieb fast das Herz stehen, als ich sein Lächeln sah.

Er war voller Schmutz und Schwarzpulverrauch, blutbespritzt, barfuß und mit Schlamm befleckt. Aber er war unversehrt, und er stand. Ich hatte nicht vor, mich über Einzelheiten zu mokieren.

Die Begrüßungsrufe einiger Verwundeter auf dem Boden rissen seinen Blick von mir los. Er senkte den Kopf und lächelte George McClure an, der zu seinem Kommandeur emporgrinste, obwohl ihm ein Ohr nur noch an einem Hautfetzen am Kopf hing. Dann richtete er den Blick schnell wieder auf mich.

Gott sei Dank, sagten seine dunkelblauen Augen, und Gott sei Dank kam das Echo der meinen.

Mehr Zeit hatten wir nicht; immer noch kamen Verletzte an, und sämtliche diensttauglichen Zivilisten im Dorf waren zwangsverpflichtet worden, bei ihrer Versorgung zu helfen. Archie Cameron, Lochiels Bruder, der Arzt war, hastete zwischen den Katen hin und her. Offiziell hatte er das Sagen, und hier und da leistete er sogar brauchbare Arbeit.

Ich hatte dafür gesorgt, dass alle Frasers aus Lallybroch in die Kate gebracht wurden, wo ich sie selbst untersuchte und mir in aller Eile ein Bild von der Schwere ihrer Verletzungen machte. Die, die noch gehen konnten, schickte ich die Straße entlang zu Jenny Cameron, die Sterbenden auf die andere Straßenseite in die Kirche – ich ging davon aus, dass Archie zumindest in der Lage war, ihnen Laudanum zu verabreichen, und vielleicht spendete ihnen die Umgebung ja ein wenig Trost.

Um die ernsten Verletzungen kümmerte ich mich, so gut ich konnte. Knochenbrüche wurden im Nachbarhaus versorgt, wo zwei Stabsärzte aus dem MacIntosh-Regiment sie schienen und verbinden konnten. Nicht lebensgefährliche Brustverletzungen lehnten in halb sitzender Position so bequem wie möglich an der Wand, damit sie besser Luft bekamen; da ich weder Sauerstoff zur Verfügung hatte noch operieren konnte, konnte ich sonst nicht viel für sie tun. Schwere Kopfverletzungen wanderten in die Kirche zu den offensichtlich Sterbenden; ich konnte ihnen keine Hilfe bieten, und wenn schon nicht bei Archie Cameron, so waren sie doch in Gottes Hand besser aufgehoben.

Zerschmetterte und fehlende Gliedmaßen und Bauchverletzungen waren das Schlimmste. Steriles Arbeiten war unmöglich; alles, was ich tun konnte, war, mir zwischen zwei Patienten die Hände zu waschen, meine Helfer dazu zu treiben, das ebenfalls zu tun – jedenfalls solange sie unter meiner direkten Aufsicht arbeiteten –, und zu versuchen, dafür zu sorgen, dass die Kompressen, die wir auflegten, alle abgekocht waren. Ich wusste genau, dass man diese Vorkehrungen in den anderen Katen trotz meiner Vorträge als Zeitverschwendung ignorierte. Wenn ich die Schwestern und Ärzte im Hôpital des Anges nicht von der Existenz der Bakterien überzeugen konnte, war es kaum wahrscheinlich, dass ich bei einer bunten Mischung aus schottischen Hausfrauen und Armeeärzten, die eigentlich Hufschmiede waren, mehr Erfolg haben würde.

Ich verdrängte den Gedanken an all die Männer mit eigentlich behandelbaren Verletzungen, die an Wundinfektionen sterben würden. Den Männern von Lallybroch und ein paar anderen konnte ich den Segen sauberer Hände angedeihen lassen; um den Rest konnte und durfte ich mir keine Sorgen machen. Ein Diktum hatte ich in einem fernen Krieg auf den Schlachtfeldern Frankreichs gelernt: Man kann die Welt nicht retten, aber wenn man schnell genug arbeitet, rettet man vielleicht den Mann, den man vor sich hat.

Jamie blieb einen Moment im Eingang stehen und verschaffte sich einen Überblick, dann setzte er sich in Bewegung, um bei der Schwerarbeit zu helfen und Patienten umzulagern, Kessel mit heißem Wasser hochzuhieven und Eimer mit frischem Wasser aus dem Brunnen auf dem Dorfplatz von Tranent zu holen. Von meiner Angst um ihn erlöst und vom Wirbelwind der Arbeit mitgerissen, vergaß ich ihn nun zum Großteil.

Die Triage-Station eines Feldlazaretts hat immer große Ähnlichkeit mit einem Schlachthaus, und dies war keine Ausnahme. Der Boden bestand aus gestampftem Lehm, keine schlechte Oberfläche, da sie Blut und andere Flüssigkeiten aufsaugte. Andererseits wurden besonders stark durchtränkte Stellen matschig, und dort wurde der Untergrund gefährlich.

Aus dem kochenden Kessel über dem Feuer stieg Dampf auf und trug das Seine zu der ermüdenden Hitze bei. Alle waren klatschnass; die Arbeitenden vom klebrigen Schweiß ihrer Anstrengung, die Verwundeten vom stinkenden Schweiß der Angst und ihrer längst verflogenen Wut. Der Nebel aus Schwarzpulverrauch driftete vom tiefer gelegenen Schlachtfeld auf die Straße von Tranent herauf und waberte durch die offenen Türen herein; ein Dunstschleier, der in den Augen brannte und eine Bedrohung für die Sauberkeit des frisch abgekochten Leinens darstellte, das tropfend neben dem Herdfeuer an einem Trockengestell für Heringe hing.

Die Verletzten kamen in Wellen herbeigeströmt. Sie spülten wie Gischt in die Kate, und jede frische Woge wühlte alles aufs Neue um. Wir schlugen um uns und kämpften gegen den Sog der Tide an, und wann immer eine Welle abebbte, schnappten wir nach Luft und widmeten uns dem neuen Treibgut, das sie zurückgelassen hatte.

Natürlich gibt es auch in der größten Hektik Pausen. Diese wurden am Nachmittag häufiger, und als der Strom der Verletzten gegen Sonnenuntergang zu einem Rinnsal abflaute, nahm die Versorgung der Männer, die noch bei uns waren, schließlich einen ebenmäßigen Rhythmus an. Es war zwar immer noch viel zu tun, doch endlich hatte ich Zeit zum Atemholen, einen Moment auf der Stelle zu stehen und mich umzusehen.

Ich stand an der offenen Tür und atmete die frische Meeresbrise ein, als Jamie mit einer Ladung Brennholz in die Kate zurückkehrte. Er legte es neben das Herdfeuer, kam zu mir zurück und legte mir flüchtig die Hand auf die Schulter. Schweißtropfen liefen ihm über die Wangen, und ich hob einen Zipfel meiner Schürze, um sie abzutupfen.

»Bist du schon in den anderen Katen gewesen?«, fragte ich.

Er nickte, während er allmählich wieder zu Atem kam. Sein Gesicht war so voller Ruß- und Blutflecken, dass ich es nicht mit Gewissheit sagen konnte, aber ich hatte den Eindruck, dass er blass aussah.

»Aye. Auf dem Feld sind noch Plünderer unterwegs, und viele Männer werden noch vermisst. Aber unsere Verwundeten sind alle hier – keiner ist anderswo.« Er wies kopfnickend zum anderen Ende der Kate, wo die drei Verletzten aus Lallybroch kameradschaftlich am Kamin lagen oder saßen und mit den anderen Schotten gutmütige Beleidigungen austauschten. Die wenigen verletzten Engländer in dieser Kate lagen für sich in der Nähe der Tür. Sie redeten deutlich weniger und begnügten sich damit, über die finsteren Aussichten der Gefangenschaft nachzudenken.

»Keiner schwer verletzt?«, fragte er mich und warf einen Blick auf die drei.

Ich schüttelte den Kopf. »Möglich, dass George McClure das Ohr verliert; ich kann es nicht sagen. Aber nein; ich glaube, sie werden alle wieder.«

»Gut.« Er lächelte mich müde an und wischte sich mit dem Plaid über das heiße Gesicht. Ich sah, dass er es sich achtlos um den Körper geschlungen hatte, statt es sich über die Schulter zu drapieren. Vermutlich, damit es nicht im Weg war, aber es musste heiß darunter sein.

Er wandte sich zum Gehen und griff nach der Wasserflasche, die am Türhaken hing.