»Du schläfst ja auch nicht viel«, erwiderte ich trocken. Wie lange hatte er jetzt schon gar nicht mehr geschlafen, fragte ich mich.
»Ich habe letzte Nacht auf dem Feld bei meinen Männern geschlafen.«
»Ach ja? Sehr erholsam«, sagte ich mit einem gereizten Unterton, der ihn zum Lachen brachte. Sechs Stunden Schlaf auf einem feuchten Feld, gefolgt von einer Schlacht, in deren Verlauf ein Pferd auf ihn getreten war, er durch ein Schwert verwundet worden war und er Gott weiß was noch getan hatte. Dann hatte er seine Männer um sich geschart, die Verletzten geborgen und versorgt, die Toten betrauert und seinem Prinzen gedient. Und ich hatte ihn nicht ein einziges Mal innehalten sehen, um zu essen, zu trinken oder sich auszuruhen.
Ich sparte mir die Mühe einer Standpauke. Es war überflüssig zu erwähnen, dass er eigentlich bei den anderen Patienten auf dem Boden liegen sollte. Es war seine Aufgabe, hier zu sein, das war alles.
»Es gibt noch andere Frauen, Sassenach«, sagte er sanft. »Soll ich Archie Cameron bitten, jemanden herzuschicken?«
Es war eine Verlockung, die ich jedoch von mir schob, ehe ich zu lange darüber nachdachte. Ich fürchtete, dass ich mich nie wieder bewegen würde, wenn ich mir meine Erschöpfung eingestand.
Ich legte mir die Hände ins Kreuz und reckte mich.
»Nein«, sagte ich. »Ich schaffe es noch bis zum Morgengrauen. Dann kann jemand anders eine Weile übernehmen.« Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich müsste sie durch die Nacht bekommen; wenn der Tag anbrach, würden sie in Sicherheit sein.
Auch er hielt mir keinen Vortrag, sondern legte mir nur die Hand auf die Schulter und zog mich an sich, so dass ich mich einen Moment anlehnen konnte. Wortlos teilten wir uns das, was uns an Kraft geblieben war.
»Dann bleibe ich bei dir«, sagte er, als er sich schließlich von mir löste. »Ich kann auch nicht schlafen, bis es hell wird.«
»Die anderen Männer aus Lallybroch?«
Er wies mit dem Kopf auf die Felder vor dem Ort, wo die Armee lagerte.
»Murtagh hat das Kommando.«
»Ja, dann. Kein Grund zur Sorge«, sagte ich und sah im Lichtschein des Fensters, wie er lächelte. Vor der Kate stand eine Bank, auf die sich die Hausfrau an sonnigen Tagen setzte, um Fisch auszunehmen oder Kleider zu flicken. Ich zog ihn neben mir zum Sitzen nieder, und er ließ sich mit einem Seufzer mit dem Rücken an die Hauswand sacken. Seine unübersehbare Erschöpfung erinnerte mich an Fergus und die verwirrte Miene des Jungen nach der Schlacht.
Ich streckte die Hand aus, um Jamies Nacken zu streicheln, und er wandte mir mit geschlossenen Augen den Kopf zu und legte die Stirn an die meine.
»Wie ist es gewesen, Jamie?«, fragte ich leise und rieb ihm langsam und fest mit den Fingern über die fest verknoteten Muskeln in Nacken und Schultern. »Wie hat es sich abgespielt? Erzähl es mir.«
Es folgte kurzes Schweigen, dann seufzte er und begann zu sprechen, erst stockend, dann schneller, als wollte es aus ihm heraus.
»Wir hatten kein Feuer, weil Lord George meinte, dass wir uns vor Tagesanbruch in Bewegung setzen müssten, und er nicht wollte, dass man unseren Aufbruch von unten sehen konnte. Wir haben eine Weile im Dunklen gesessen. Konnten uns nicht einmal unterhalten, weil unsere Stimmen auf die Ebene getragen worden wären. Also haben wir einfach dagesessen. Dann habe ich gespürt, wie etwas im Dunklen meinen Oberschenkel gepackt hat, und wäre fast aus der Haut gefahren.« Er schob sich einen Finger in den Mund und tastete vorsichtig umher. »Hätte mir fast die Zunge abgebissen.« Ich spürte die Bewegung seiner Muskeln, als er lächelte, obwohl sein Gesicht nicht zu erkennen war.
»Fergus?«
Der Hauch eines Lachens schwebte durch die Dunkelheit.
»Aye, Fergus. Kam auf dem Bauch durch das Gras gekrochen, der kleine Schurke. Fast hätte ich ihn sogar für eine Schlange gehalten. Er hat mir von Anderson erzählt, und ich bin hinter ihm hergekrochen und habe Anderson zu Lord George gebracht.«
Seine Stimme war langsam und verträumt, als spräche er unter dem Zauber meiner Berührung.
»Und dann kam der Befehl, loszuziehen und Andersons Pfad zu nehmen. Und die ganze Armee ist aufgestanden und im Dunklen aufgebrochen.«
Die Nacht war klar und mondlos ohne die übliche Wolkendecke, die den Sternenschein fing und auf dem Weg zur Erde filterte. Während die Highland-Armee Richard Anderson schweigend auf dem schmalen Pfad folgte, konnte keiner weiter als bis zu den schlurfenden Füßen seines Vordermannes sehen, und jeder Schritt verbreiterte den Pfad im nassen Gras.
Die Armee bewegte sich beinahe geräuschlos. Breitschwerter und Äxte waren in den Falten ihrer Plaids versteckt, und Pulverflaschen lagen im Inneren ihrer Hemden auf ihren klopfenden Herzen.
Sobald sie festen Boden unter den Füßen hatten, setzten sich die Highlander immer noch in absoluter Stille nieder, aßen ihre kalten Rationen und wickelten sich in Sichtweite der feindlichen Lagerfeuer zum Ausruhen in ihre Plaids.
»Wir konnten sie sprechen hören«, sagte Jamie. Er lehnte mit geschlossenen Augen und im Nacken verschränkten Händen an der Hauswand. »Seltsam, Männer über einen Witz lachen zu hören oder um eine Prise Salz oder einen Schluck Wein bitten zu hören … und zu wissen, dass man sie in ein paar Stunden vielleicht umbringen wird – oder von ihnen umgebracht wird. Man muss sich dann einfach fragen – wie sieht das Gesicht hinter dieser Stimme aus? Werde ich den Mann erkennen, wenn ich am Morgen auf ihn treffe?«
Dennoch, das Beben der Erwartung auf die Schlacht war nichts gegen die schiere Erschöpfung. Die »Schwarzen Frasers« – so genannt nach den Holzkohlespuren, die auch jetzt noch ihre Gesichter zierten – und ihr Anführer waren zu diesem Zeitpunkt seit sechsunddreißig Stunden wach. Er hatte sich ein Grasbüschel als Kissen gesucht, sich das Plaid um die Schultern gezogen und sich neben seinen Männern in das wogende Gras gelegt.
Während seiner Zeit in der französischen Armee hatte vor Jahren einer der Sergeanten den jüngeren Söldnern erklärt, wie man am Abend vor einer Schlacht einschlafen konnte.
»Macht es euch bequem, geht mit euch ins Gewissen und betet einen anständigen Rosenkranz. Vater Hugo sagt, dass es im Krieg möglich ist, die Vergebung der Sünden zu erlangen, selbst wenn kein Priester da ist, der einem die Beichte abnehmen kann. Da man im Schlaf nicht sündigen kann – nicht einmal du, Simenon! –, erwacht man im Zustand der Gnade, bereit, über die Mistkerle herzufallen. Und wenn einen entweder der Sieg oder der Himmel erwartet – wie kann man da Angst haben?«
Zwar waren Jamie insgeheim einige Fehler an dieser Argumentation aufgefallen, doch er hatte den Ratschlag dennoch hilfreich gefunden. Sich das Gewissen zu erleichtern, beruhigte die Seele, und die tröstenden Wiederholungen des Gebets lenkten den Kopf von Schreckensbildern ab und lullten ihn in den Schlaf.
Er blickte in das schwarze Himmelsgewölbe auf und zwang die Anspannung in Nacken und Schultern, sich der harten Umarmung des Bodens zu überlassen. Die Sterne waren schwach und dunstig und verschwanden im Leuchten der nahen englischen Feuer.
Seine Gedanken wanderten zu den Männern ringsum und machten nacheinander kurz bei jedem Einzelnen von ihnen halt. Der Schandfleck der Sünde war eine leichte Last auf seinem Gewissen, verglichen mit ihrem Gewicht. Ross, McMurdo, Kincaid, Kent, McClure … Er hielt kurz inne, um zu danken, dass zumindest seine eigene Frau in Sicherheit war. Seine Gedanken verweilten bei seiner Frau, um sich in der Erinnerung an ihr ermutigendes Lächeln zu sonnen, ihre herrliche Wärme in seinen Armen, als er sie am Nachmittag fest an sich gedrückt und zum Abschied geküsst hatte. Am liebsten hätte er sie auf die Matratze gedrückt und sie auf der Stelle genommen, ohne sich oder sie zu entkleiden, obwohl er so erschöpft war und Lord George draußen wartete. Seltsam, wie ein unmittelbar bevorstehender Kampf stets seine Bereitschaft weckte. Selbst jetzt …
Aber er war mit seinem geistigen Abendappell noch nicht fertig, und er spürte doch schon, wie sich seine Augenlider schlossen und ihn die Müdigkeit an sich zu reißen suchte. Er dachte nicht weiter an das leise Ziehen in seinen Hoden, das den Gedanken an sie begleitete, und lenkte die Gedanken wieder auf seine Männer, ein Schäfer, der sich verräterisch in den Schlaf lullen ließ, indem er genau die Schafe zählte, die er zur Schlachtbank führen würde.