Das Lächeln war verschwunden.
»Ich bitte um Verzeihung, wenn ich den Anschein erweckt habe, als nähme ich das auf die leichte Schulter«, sagte er leise. »Es war nicht meine Absicht, Euch zu verhöhnen.«
Ich blickte ihn an, doch ich sah nicht die geringste Spur von Belustigung unter seinen schwarzen Wimpern aufglitzern.
»Nein«, sagte ich und holte erneut tief Luft. »Vermutlich nicht. Ich nehme an, Ihr sagt mir jetzt, dass Ihr auch gar nicht vorhattet, mich wegen Hexerei ergreifen zu lassen.«
Seine grauen Augen sahen mich scharf an. »Das wusstet Ihr?«
»Von Geillis. Im Diebesloch hat sie gesagt, sie sei es, die Ihr loswerden wolltet; ich sei nur ein Unfall.«
»So ist es auch.« Er sah plötzlich sehr müde aus. »Wärt Ihr in der Burg gewesen, hätte ich Euch beschützen können. Was in Gottes Namen hat Euch bewogen, ins Dorf zu gehen?«
»Mir wurde gesagt, Geillis Duncan wäre krank und hätte nach mir gefragt«, erwiderte ich knapp.
»Ah«, sagte er leise. »Von wem, wenn ich fragen darf?«
»Laoghaire.« Ich konnte immer noch nicht verhindern, dass mir beim Namen des Mädchens die Wut hochkam. Aus verschmähter Eifersucht hatte sie nach meiner Heirat mit Jamie gezielt versucht, mich umbringen zu lassen. Erstaunlich weitgehende Bosheit für eine Sechzehnjährige. Und immer noch empfand ich unter der Wut diesen kleinen Funken grimmiger Genugtuung: Er ist mein, dachte ich beinahe wie von selbst. Mein. Du wirst ihn mir niemals nehmen. Nie.
»Ah«, sagte Colum erneut, während er mein errötetes Gesicht betrachtete. »Das habe ich mir fast gedacht. Sagt mir«, fuhr er fort und zog seine dunkle Augenbraue hoch, »wenn Euch eine bloße Entschuldigung unzureichend erscheint, wäre Euch dann Rache lieber?«
»Rache?« Ich muss sehr verblüfft ausgesehen haben, denn er lächelte schwach, wenn auch ohne Humor.
»Aye. Die Kleine ist vor sechs Monaten verheiratet worden. Mit Hugh MacKenzie aus Muldaur, einem meiner Gefolgsleute. Er wird mit ihr tun, was ich sage, wenn Ihr sie bestraft sehen wollt. Was möchtet Ihr, das ich tue?«
Ich blinzelte, unangenehm berührt von seinem Angebot. Er schien es nicht eilig damit zu haben, eine Antwort zu bekommen; er lehnte sich wortlos zurück und nippte an dem frischen Brandy, den ihm Angus Mhor eingeschenkt hatte. Er sah mich zwar nicht an, doch ich stand auf und trat zum Fenster, weil ich einen Moment allein sein wollte.
Die Wände waren hier anderthalb Meter dick; ich beugte mich in die tiefe Fensternische vor und verschaffte mir so Zurückgezogenheit. Die Sonne fiel auf die feinen blonden Härchen auf meinen Unterarmen, die auf der Fensterbank lagen. Ich musste an das Diebesloch denken, diese feuchte, stinkende Grube, und den einzelnen Sonnenstrahl, der durch die Öffnung in der Decke fiel und das finstere Loch darunter im Kontrast noch mehr wie ein Grab erscheinen ließ.
Meinen ersten Tag in Kälte und Schmutz hatte ich dort voll betäubtem Unglauben verbracht, den zweiten in bibberndem Elend und wachsender Angst, als mir nicht nur das volle Ausmaß von Geillis Duncans Verlogenheit klarwurde, sondern auch der Maßnahmen, die Colum dagegen ergriffen hatte. Und am dritten Tag hatten sie mich vor Gericht gestellt. Und ich hatte, von Scham und Angst erfüllt, unter den Wolken des drückenden Herbsthimmels gestanden und gespürt, wie Colums Falle über mir zuschnappte, ausgelöst durch ein Wort des Mädchens Laoghaire.
Laoghaire. Hellhäutig und blauäugig mit einem runden, hübschen Gesicht, jedoch ansonsten kaum von den anderen jungen Mädchen in Leoch zu unterscheiden. Ich hatte über sie nachgedacht – in der Grube mit Geillis Duncan hatte ich Zeit gehabt, über vieles nachzudenken. Doch trotz der Wut und der Angst, die ich empfunden hatte, trotz der Wut, die ich immer noch empfand, konnte ich mich zu keinem Zeitpunkt überwinden, sie für durch und durch böse zu halten.
»Sie war erst sechzehn, zum Kuckuck!«
»Alt genug zum Heiraten«, sagte eine sardonische Stimme hinter mir, und ich begriff, dass ich laut gesprochen hatte.
»Ja, sie wollte Jamie«, sagte ich und drehte mich um. Colum saß nach wie vor auf dem Sofa, die verstümmelten Beine unter einer wärmenden Decke. Angus Mhor stand schweigend hinter ihm, die Augen auf seinen Herrn geheftet. »Vielleicht hat sie ja gedacht, dass sie ihn liebt.«
Auf dem Hof exerzierten Männer unter lautem Rufen und Waffengeklirr. Die Sonne glitzerte auf dem Metall von Schwertern und Musketen, auf den Messingbeschlägen der Tartschen – und auf Jamies rotgoldenem Haar, das im Wind wehte, während er sich mit der Hand über das errötete, verschwitzte Gesicht wischte und über einen von Murtaghs trockenen Witzen lachte.
Vielleicht hatte ich Laoghaire doch unrecht getan mit der Annahme, dass sie weniger für Jamie empfand als ich. Ob sie aus unreifem Trotz oder wahrer Leidenschaft gehandelt hatte, konnte ich nicht wissen. Ich hatte überlebt. Und Jamie war mein. Während ich ihn beobachtete, schob er seinen Kilt hoch und kratzte sich beiläufig am Hintern, und die Sonne fing sich in dem rötlichen Pelz, der die eisenharte Rundung seines Oberschenkels abmilderte. Ich lächelte und kehrte zu meinem Sessel bei Colum zurück.
»Ich nehme lieber die Entschuldigung«, sagte ich.
Er nickte, und der Blick seiner grauen Augen war nachdenklich.
»Dann glaubt Ihr also an die Gnade, Mistress?«
»Eher an die Gerechtigkeit«, sagte ich. »Apropos, ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr den ganzen Weg von Leoch bis nach Edinburgh gekommen seid, nur um Euch bei mir zu entschuldigen. Es muss eine höllische Reise gewesen sein.«
»Aye, das war es.« Angus Mhor bewegte sich lautlos hinter ihm, und die Art, wie sich sein massiger Kopf über seinen Herrn beugte, sagte alles. Colum spürte die Bewegung und hob kurz die Hand – es geht schon, sagte die Geste, im Moment ist alles gut.
»Nein«, sagte Colum. »Ich habe gar nicht gewusst, dass Ihr in Edinburgh seid, bis Seine Hoheit Jamie Fraser erwähnt hat und ich nachgefragt habe.« Ein Lächeln breitete sich plötzlich über sein Gesicht. »Seine Hoheit ist Euch nicht besonders wohlgesinnt, Mistress Claire. Aber ich nehme an, das wusstet Ihr bereits?«
Ich ignorierte diese Frage. »Dann denkt Ihr tatsächlich darüber nach, Euch Prinz Charles anzuschließen?«
Colum, Dougal und Jamie besaßen alle dieselbe Fähigkeit zu verbergen, was sie dachten, wenn sie das wollten, doch Colum konnte es zweifellos am besten. Wenn ihm nicht nach Mitteilsamkeit zumute war, bekam man aus den steinernen Häuptern am Springbrunnen auf dem Hof mehr heraus.
»Ich bin hier, weil ich ihn sehen wollte«, war alles, was er sagte.
Einen Moment saß ich da und fragte mich, was ich – wenn überhaupt – in Charles’ Interesse sagen konnte oder sollte. Vielleicht überließ ich es besser Jamie. Die Tatsache, dass Colum es bedauerte, mich unabsichtlich beinahe umgebracht zu haben, bedeutete schließlich nicht notwendigerweise auch, dass er mir trauen würde. Und die Tatsache, dass ich hier war und zu Charles’ Anhang zählte, sprach zwar dagegen, dass ich eine englische Spionin war, aber unmöglich war es dennoch nicht.
Ich debattierte immer noch mit mir selbst, als Colum plötzlich sein Brandyglas beiseitestellte und mich direkt ansah.
»Wisst Ihr, wie viel ich seit heute Morgen hiervon getrunken habe?«
»Nein.« Er hielt seine Hände ruhig. Von der Krankheit waren sie schwielig und rauh, doch sie waren gepflegt. Seine geröteten Lider und die blutunterlaufenen Augen konnten genauso gut von den Strapazen der Reise herrühren wie vom Alkohol. Er lallte nicht, und seine etwas gemächlichen Bewegungen waren das Einzige, was darauf hingedeutet hätte, dass er nicht stocknüchtern war. Doch ich sah Colum nicht zum ersten Mal trinken und hatte eine äußerst respektvolle Vorstellung davon, was er vertrug.
Er winkte Angus Mhors Hand beiseite, die über der Karaffe schwebte. »Eine halbe Flasche. Bis heute Abend habe ich sie leer.«
»Ah.« Das war also der Grund für die Bitte, meine Arzneikiste mitzubringen. Sie stand auf dem Boden, und ich streckte die Hand danach aus.