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»Auf der Jagd nach burras, Mistress?«, rief einer der Männer.

»Nein, sie sucht bestimmt nach Elfen, nicht nach Raupen«, scherzte ein anderer.

»Wahrscheinlich findet Ihr eher eine Elfe in Eurem Krug als ich unter einem Stein«, rief ich zurück.

Der Mann hob den Krug, kniff ein Auge zu und blinzelte theatralisch tief hinein.

»Aye, nun ja, solange ich keine Raupen in meinem Krug habe«, erwiderte er und trank einen großen Schluck.

Sie hätten ohnehin für das, was ich tatsächlich suchte, genauso viel – oder wenig – Verständnis gehabt wie für Raupen, dachte ich und schob einen Stein ein Stückchen zur Seite, um die orange-braune Flechte auf seiner Oberfläche besser zu sehen. Ein paar Mal vorsichtig mit meinem kleinen Taschenmesser darüber geschabt, und schon fielen mir einige Flocken des seltsamen Symbionten auf die Handfläche. Ich schüttete sie vorsichtig in die billige Schnupftabakdose aus Blech, die meinen mühsam gesammelten Schatz enthielt.

Die relativ kosmopolitische Attitüde Edinburghs hatte auch auf die Besucher aus den Highlands abgefärbt; in den entlegenen Bergdörfern wäre ich argwöhnisch, wenn nicht sogar feindselig bei meinem Tun beobachtet worden, doch hier schien man es höchstens als harmlosen Spleen zu betrachten. Die Highlander behandelten mich zwar mit großem Respekt, doch ich stellte erleichtert fest, dass er nicht mit Angst einherging.

Selbst meine englische Herkunft verzieh man mir, sobald sich herumsprach, wer mein Mann war. Vermutlich würde ich nie mehr erfahren als das, was mir Jamie über seine Taten bei der Schlacht von Prestonpans erzählt hatte, doch was immer es war, es hatte die Schotten sehr beeindruckt, und der »Rote Jamie« wurde außerhalb von Holyrood mit lauten Rufen begrüßt, und die Leute blieben auf der Straße stehen.

Es war ein solcher Ruf der Highlander, der jetzt meine Aufmerksamkeit weckte, und als ich den Kopf hob, sah ich den Roten Jamie persönlich über das Gras schlendern. Er winkte den Männern zerstreut zu, während er das Gewirr der Steine hinter dem Palast absuchte.

Sein Gesicht erhellte sich, als er mich sah, und er kam über das Gras zu der Stelle herüber, an der ich zwischen den Steinen kniete.

»Da bist du ja«, sagte er. »Könntest du mit mir kommen? Und nimm doch bitte deinen Korb mit.«

Ich rappelte mich zum Stehen auf, strich mir das trockene Gras von den Knien meines Kleids und ließ das Messerchen in den Korb fallen.

»Also schön. Wohin gehen wir denn?«

»Colum hat mir ausrichten lassen, dass er uns sprechen möchte. Beide.«

»Und wo?«, fragte ich und verlängerte meine Schritte, um mithalten zu können.

»In der Kirche von Canongate.«

Das war ja interessant. Was auch immer der Grund war, warum Colum uns zu sehen wünschte, er wollte offenbar nicht, dass man in Holyrood erfuhr, dass er mit uns gesprochen hatte.

Auch Jamie wollte das nicht, daher der Korb. Wir schritten Arm in Arm durch die Pforte, und mein Korb lieferte die offensichtliche Begründung, warum wir die Royal Mile aufsuchten, sei es, um einzukaufen, sei es, um Arzneien zu den Männern und Familien zu bringen, die in den Gassen von Edinburgh einquartiert waren.

Edinburgh stieg entlang seiner Hauptstraße steil bergan. Holyrood stand würdevoll am Fuß, und das baufällige Gewölbe der alten Abtei strahlte in seiner Anmut ein trügerisches Gefühl der Sicherheit aus. Die finstere Gegenwart der Burg hoch über uns auf dem Felsenhügel ignorierte ich, so gut es ging. Zwischen den beiden Festungen erstreckte sich die Royal Mile mit ihrer Steigung von geschätzten fünfundvierzig Prozent. Während ich hochrot an Jamies Seite dahinschnaufte, fragte ich mich, wie zum Teufel Colum MacKenzie die Viertelmeile vom Palast bis zur Kirche wohl bewältigt haben mochte.

Wir fanden Colum auf dem Kirchhof. Er saß auf einer Steinbank, wo ihm die Nachmittagssonne den Rücken wärmen konnte. Sein Schlehdornstock lag neben ihm auf der Bank, und seine kurzen krummen Beine baumelten einige Zentimeter über dem Boden. Mit seinen vornübergebeugten Schultern und dem nachdenklich gesenkten Kopf wirkte er aus der Entfernung wie ein Gnom, ein natürlicher Bewohner dieses menschengemachten Steingartens mit seinen kippenden Steinen und kriechenden Flechten. Mein Blick fiel auf ein Prachtexemplar auf einem verwitterten Grabgewölbe, doch ich ging davon aus, dass wir uns damit nicht aufhalten konnten.

Das Gras unter unseren Füßen dämpfte jedes Geräusch, aber Colum hob den Kopf, als wir noch ein ganzes Stück entfernt waren. Seine Wahrnehmung war auf jeden Fall nicht beeinträchtigt.

Der Schatten unter einer Linde in seiner Nähe bewegte sich sacht, als wir näher kamen. Auch Angus Mhors Wahrnehmung war nicht beeinträchtigt. Sobald er sich vergewissert hatte, wer wir waren, nahm der hünenhafte Bedienstete lautlos seinen Wächterposten wieder ein und verschmolz mit der Umgebung.

Colum begrüßte uns kopfnickend und wies neben sich auf die Bank. Aus der Nähe erinnerte er trotz seines verkrüppelten Körpers nicht mehr an einen Gnomen. Von Angesicht zu Angesicht sah man nichts als den Mann in seinem Inneren.

Jamie suchte mir einen Sitzplatz auf einem Stein, ehe er den angewiesenen Platz an Colums Seite einnahm. Der Marmor fühlte sich selbst durch meine dicken Röcke überraschend kalt an. Ich rutschte ein wenig hin und her, wobei ich den Schädel und die gekreuzten Knochen auf dem Grabstein unangenehm unter mir spürte. Ich sah den Grabspruch, der darunter eingemeißelt war, und grinste:

Hier liegt Martin Elginbrod,

Sei gnädig meiner Seel’, Herr Gott,

Wie ich’s auch tät, wär ich Herr Gott,

Und du wärst Martin Elginbrod.

Jamie sah mich mit warnend hochgezogener Augenbraue an, dann wandte er sich Colum zu. »Du wolltest uns sehen, Onkel Colum?«

»Ich habe eine Frage an dich, Jamie Fraser«, sagte Colum ohne Umschweife. »Betrachtest du mich als deinen Verwandten?«

Jamie schwieg einen Moment und betrachtete das Gesicht seines Onkels. Dann lächelte er schwach.

»Du hast die Augen meiner Mutter«, sagte er. »Soll ich das etwa leugnen?«

Im ersten Moment wirkte Colum verblüfft. Seine Augen hatten den klaren, sanften Grauton eines Taubenflügels, seine Wimpern waren dicht und schwarz. Doch bei aller Schönheit konnten sie auch kalt glänzen wie Stahl, und ich fragte mich nicht zum ersten Mal, was für ein Mensch Jamies Mutter wohl gewesen war.

»Du erinnerst dich an deine Mutter? Du warst doch noch ganz klein, als sie gestorben ist.«

Jamies Mund verzog sich ein wenig, aber er antwortete ruhig.

»Groß genug. Außerdem gab es im Haus meines Vaters einen Spiegel; es heißt, ich sehe ihr ein bisschen ähnlich.«

Colum lachte auf. »Mehr als nur ein bisschen.« Er kniff die Augen gegen die Sonne zusammen und betrachtete Jamie genau. »Oh, aye, Junge; du bist Ellens Sohn, kein Zweifel. Dein Haar, zum einen …« Er wies mit einer vagen Geste auf Jamies Haar, das kastanienbraun und bernsteinfarben, rötlich grau und zinnoberrot in der Sonne glänzte, eine dichte, gewellte Masse in tausend Rot- und Goldtönen. »Und dein Mund …« Colums Mundwinkel verzog sich, als erinnerte er sich widerstrebend. »Groß wie ein Nachttopf, habe ich sie immer aufgezogen. Du könntest Insekten fangen wie eine Kröte, habe ich zu ihr gesagt, wenn du eine klebrige Zunge hättest.«

Jamie lachte überrascht.

»Das hat Willie auch einmal zu mir gesagt.« Dann presste er die vollen Lippen aufeinander. Er sprach nur selten von seinem toten älteren Bruder, und ich ging davon aus, dass er Willie Colum gegenüber noch nie erwähnt hatte.