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Schließlich wandte Jamie langsam den Kopf und sah mich an. Seine blauen Augen hielten mich fest. Du hast auch dabei mitzureden, sagte sein Blick. Was soll ich tun?

Ich konnte spüren, wie sich Colums Augen ebenfalls auf mich richteten, spürte, wie sich die dichten, dunklen Brauen darüber fragend hoben. Doch was ich vor meinem inneren Auge sah, war der kleine Hamish, ein rothaariger Zehnjähriger, der Jamie so ähnlich sah, dass er genauso gut sein Sohn hätte sein können statt seines Vetters. Und wie sein Leben aussehen würde und das seines Clans, wenn die MacKenzies von Leoch mit Charles in Culloden fielen. Die Männer von Lallybroch hatten Jamie, der sie vor diesem Gemetzel bewahren konnte, wenn es dazu kam. Die Männer von Leoch nicht. Und doch konnte es nicht meine Entscheidung sein. Ich zuckte mit den Schultern und ließ den Kopf sinken. Jamie holte tief Luft und fasste seinen Entschluss.

»Geh heim nach Leoch, Onkel Colum«, sagte er. »Und behalte deine Männer dort.«

Eine lange Minute saß Colum reglos da und sah mich direkt an. Schließlich verzog sich sein Mund nach oben, doch eigentlich war es dennoch kein Lächeln.

»Ich hätte Ned Gowan beinahe aufgehalten, als er losgezogen ist, um zu verhindern, dass Claire Fraser auf dem Scheiterhaufen landet«, sagte er zu mir. »Ich bin doch froh, dass ich es nicht getan habe.«

»Danke«, sagte ich im gleichen Ton wie er.

Er seufzte und rieb sich mit der schwieligen Hand den Nacken, als schmerzte er unter dem Gewicht seiner Anführerrolle.

»Nun denn. Morgen früh werde ich Seine Hoheit aufsuchen und ihm meine Entscheidung mitteilen.« Die Hand senkte sich und blieb erschlafft zwischen ihm und seinem Neffen auf der Steinbank liegen. »Ich danke dir, Jamie, für deinen Rat.« Er zögerte, dann fügte er hinzu: »Und möge Gott dich begleiten.«

Jamie beugte sich vor und legte seine Hand auf Colums. Er lächelte das breite, bezaubernde Lächeln seiner Mutter und sagte: »Und dich auch, mo charaid

Die Royal Mile war voller Menschen, die die kurzen Stunden der Wärme nutzen wollten. Wir bewegten uns schweigend durch die Menge, und meine Hand steckte tief in Jamies angewinkelter Ellenbeuge. Schließlich schüttelte er den Kopf und murmelte etwas auf Gälisch vor sich hin.

»Du hast das Richtige getan«, sagte ich zu ihm und beantwortete eher den Gedanken als die Worte. »Ich hätte es genauso gemacht. Was auch immer geschieht, wenigstens die MacKenzies werden in Sicherheit sein.«

»Aye, vielleicht.« Mit einem Kopfnicken erwiderte er die Begrüßung eines vorbeigehenden Offiziers, der sich durch die Menge vor dem World’s End schob. »Aber was ist mit dem Rest – den MacDonalds und MacGillivrays und den anderen, die hier sind. Werden sie jetzt vernichtet werden, und wäre es möglicherweise anders gewesen, wenn ich den Mut gehabt hätte, Colum zu sagen, dass er sich ihnen anschließen soll?« Sein Gesicht war sorgenvoll, und wieder schüttelte er den Kopf. »Man kann es einfach nicht wissen, oder, Sassenach?«

»Nein«, sagte ich leise und drückte seinen Arm. »Was wir wissen, ist nie genug. Oder vielleicht zu viel. Aber wir können nichts daran ändern, oder?«

Auch er schenkte mir ein angedeutetes Lächeln und drückte meine Hand.

»Nein, Sassenach, vermutlich können wir das nicht. Und jetzt ist es vorbei, und es ist nicht mehr zu ändern, deshalb nützt es auch nichts, sich darüber Sorgen zu machen. Die MacKenzies werden sich heraushalten.«

Der Wachtposten an der Pforte von Holyrood war ein MacDonald, einer von Glengarrys Männern. Er erkannte Jamie und ließ uns kopfnickend auf den Hof durch, nachdem er kurz von seiner Läusehatz aufgeblickt hatte. Durch das warme Wetter wurde das Ungeziefer aktiv, und wenn es seine gemütlichen Nester im Schritt oder in der Achselhöhle verließ, konnte man es oft bei der Überquerung gefährlichen Terrains wie eines Hemds oder Plaids überraschen und vom Körper seines Wirts entfernen.

Jamie sagte etwas auf Gälisch zu ihm und lächelte. Der Mann lachte, pickte sich etwas vom Hemd und schnippte es zu Jamie hinüber, der vorgab, es aufzufangen, das imaginäre Tierchen kritisch betrachtete und es sich dann mit einem an mich gewandten Augenzwinkern in den Mund steckte.

»Äh, wie geht es dem Kopf Eures Sohnes, Lord Kilmarnock?«, erkundigte ich mich höflich, als wir gemeinsam auf die Tanzfläche in Holyroods großer Galerie hinaustraten. Es interessierte mich zwar nicht besonders, doch ich war der Meinung, dass sich das Thema auch nicht vollständig vermeiden ließ und es daher besser war, es an einem Ort anzusprechen, an dem offene Feindseligkeit unwahrscheinlich war.

Die Galerie erfüllte diese Voraussetzung, dachte ich. Der langgezogene Saal mit den beiden gewaltigen Kaminfeuern und den haushohen Fenstern war seit Charles’ triumphaler Ankunft in Edinburgh ständig der Schauplatz von Bällen und Empfängen. Jetzt schien der ganze Raum zu glitzern, angefüllt mit den Koryphäen der Oberklasse von Edinburgh, die es eilig hatten, ihrem Prinzen die Ehre zu erweisen – da es nun den Anschein hatte, dass er tatsächlich gewinnen könnte. Don Francisco, der Ehrengast, stand gemeinsam mit Charles am anderen Ende des Saals. Seine Kleidung bestand dem deprimierenden spanischen Stil entsprechend aus dunklen Pluderhosen, einem formlosen Rock und sogar einer kleinen Halskrause, die unter den jüngeren, modebewussteren Gästen für beträchtliche Belustigung sorgte.

»Oh, nicht schlecht, Mistress Fraser«, erwiderte Kilmarnock unerschütterlich. »Ein Rums auf den Schädel wird einen Jungen in seinem Alter nicht lange stören, obwohl sein Stolz vielleicht etwas länger zur Wiederherstellung benötigen wird«, fügte er hinzu, und sein breiter Mund verzog sich plötzlich humorvoll.

Ich lächelte ihn erleichtert an.

»Ihr seid nicht böse?«

Er schüttelte den Kopf und blickte auf seine Füße, um sicherzugehen, dass sie genug Abstand zu meinen ausladenden Röcken hatten.

»Ich habe versucht, John alles beizubringen, was er als Erbe Kilmarnocks wissen sollte. Bei der Aufgabe, ihn Demut zu lehren, scheine ich dramatisch gescheitert zu sein; vielleicht hatte Euer Bediensteter dabei mehr Erfolg.«

»Vermutlich habt Ihr ihm nicht unter freiem Himmel den Hintern versohlt«, sagte ich geistesabwesend.

»Pardon?«

»Nichts«, sagte ich und wurde rot. »Seht, ist das Lochiel? Ich dachte, er wäre krank.«

Ich brauchte den Großteil meiner Atemluft zum Tanzen, und Lord Kilmarnock schien nicht besonders auf eine Unterhaltung erpicht zu sein, also hatte ich Zeit, mich umzusehen. Charles tanzte nicht; er war zwar ein guter Tänzer, und die jungen Damen Edinburghs buhlten um seine Aufmerksamkeit, doch diese galt heute Abend ganz der Unterhaltung seines Gastes. Ich hatte heute Nachmittag gesehen, wie ein kleines Fass mit einem portugiesischen Brand in die Küche gerollt wurde, und schon den ganzen Abend tauchte wie von Zauberhand ein Glas rubinrote Flüssigkeit nach dem anderen neben Don Francisco auf.

Wir kreuzten Jamies Weg. Er bewegte eine der Williams-Damen durch die Figuren des Tanzes. Es gab drei dieser Damen, und sie waren so gut wie gar nicht voneinander zu unterscheiden – jung, braunhaarig, nicht besonders hübsch und alle »so furchtbar an dieser noblen Sache interessiert, Mr. Fraser«. Ich fand sie sehr ermüdend, doch Jamie, die Geduld in Person, tanzte nacheinander mit ihnen allen und beantwortete ein ums andere Mal dieselben albernen Fragen.

»Nun, es ist eine Abwechslung für sie, vor die Tür zu kommen, die armen Dinger«, erklärte er großherzig. »Und ihr Vater ist ein reicher Kaufmann, an dessen Sympathien Seiner Hoheit sehr gelegen ist.«