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»Vielleicht solltest du Seiner Hoheit besser zur Hand gehen?«, schlug ich vor.

»Mmpfm.«

Resigniert schluckte Jamie den Rest seines Törtchens herunter, doch ehe er aufstehen konnte, sah ich, wie Simpson junior, der die Situation rasch erfasst hatte, seinen Vater in die Rippen stieß.

Senior näherte sich und verbeugte sich feierlich vor Prinz Charles, und ehe der benommene Prinz reagieren konnte, hatten die Schwertschmiede den spanischen Abgesandten bei den Hand- und Fußgelenken gepackt. Sie spannten die an der Esse abgehärteten Muskeln an, dann hoben sie ihn von seinem Sitz und trugen ihn davon. Dabei ließen sie ihn sacht zwischen sich schwingen wie ein großes Stück erlegtes Wild. Sie verschwanden durch die Tür am anderen Ende des Saals, und Seine Hoheit folgte ihnen auf unsicherem Fuße.

Dieser reichlich unzeremonielle Aufbruch signalisierte das Ende des Balls. Die anderen Gäste setzten sich gemächlich in Bewegung; während die Damen im Vorraum verschwanden, um ihre Schultertücher und Umhänge an sich zu nehmen, standen die Herren ungeduldig in kleinen Gruppen herum und beklagten sich darüber, wie lange die Damen brauchten, um sich zum Gehen bereitzumachen.

Da wir in Holyrood einquartiert waren, gingen wir durch die andere Tür am Nordende der Galerie und bewegten uns durch den Morgen- und den Abendsalon auf die Haupttreppe zu.

Der Treppenabsatz und die gewaltige Treppe waren mit Wandbehängen gesäumt, deren Figuren silbrig dumpf im Kerzenschein glänzten. Und darunter stand die hünenhafte Gestalt Angus Mhors, die einen riesigen Schatten an die Wand warf und wankte wie eine der Gestalten auf den Wandbehängen, die im Luftzug aufschimmerten.

»Mein Herr ist tot«, sagte er.

»Seine Hoheit sagt«, berichtete Jamie, »dass es möglicherweise besser so ist.« Sein Ton war von bitterem Sarkasmus erfüllt.

»Dougals wegen«, fügte er angesichts meiner schockierten Verwunderung über diese Feststellung hinzu. »Dougal ist ja immer schon mehr als willig gewesen, sich Seiner Hoheit bei seinem Feldzug anzuschließen. Nun, da Colum nicht mehr da ist, ist Dougal der Anführer. Und so werden die MacKenzies von Leoch mit der Highlandarmee marschieren«, sagte er leise. »Zum Sieg … oder auch nicht.«

Schmerz und Erschöpfung hatten ihm tiefe Falten ins Gesicht gegraben, und er ließ mich ohne Widerrede hinter ihn treten und meine Hände auf die breite Wölbung seiner Schultern legen. Er stieß einen kleinen, unartikulierten Laut der Erleichterung aus, als sich meine Fingerspitzen fest in die Muskeln an seinem Halsansatz gruben, und beugte den Kopf nach vorn, so dass er auf seinen verschränkten Armen ruhte. Er saß am Tisch in unserem Zimmer, umgeben von ordentlich aufeinandergestapelten Briefen und Depeschen. Inmitten der Dokumente lag ein kleines, abgenutztes Notizbuch, das in rotes Leder gebunden war. Colums Tagebuch, das Jamie aus den Gemächern seines Onkels mitgenommen hatte, weil er hoffte, dass es einen frischen Eintrag enthielt, der Colums Entscheidung bestätigte, die Jakobiten nicht zu unterstützen.

»Nicht, dass das Dougal umstimmen würde«, sagte er, während er die engbeschriebenen Seiten durchblätterte, »aber es ist das Einzige, was wir versuchen können.«

Doch Colums Tagebuch enthielt für die letzten drei Tage nichts als einen kurzen Eintrag, den er nach seiner Rückkehr vom Kirchhof verfasst haben musste.

Habe mich mit Jamie und seiner Frau getroffen. Habe endlich meinen Frieden mit Ellen gemacht. Und das war zwar natürlich wichtig – für Colum, für Jamie und vielleicht für Ellen –, doch es würde kaum helfen, Dougal MacKenzies Meinung zu ändern.

Nach einem kurzen Moment richtete sich Jamie auf und wandte sich mir zu. Seine Augen waren dunkel vor Sorge und Resignation.

»Was es bedeutet, ist, dass wir jetzt auf Gedeih und Verderb zu ihm stehen müssen, Claire – zu Charles, meine ich. Mehr als je zuvor. Wir müssen versuchen, ihm den Sieg zu sichern.«

Mein Mund war trocken von zu viel Wein. Ich leckte mir die Lippen, um sie anzufeuchten, ehe ich antwortete.

»So ist es wohl. Verdammt! Warum konnte Colum nicht etwas länger warten? Nur bis zum Morgen, wenn er Charles hätte sehen können?«

Jamie lächelte schief.

»Ich nehme an, er hatte dabei nicht mitzureden, Sassenach. Es gibt nicht viele, die die Stunde ihres Todes wählen können.«

»Colum hatte es vor.« Ich war mir zunächst nicht sicher gewesen, ob ich Jamie erzählen sollte, was sich bei unserer ersten Begegnung in Holyrood zwischen Colum und mir abgespielt hatte, doch jetzt war es sinnlos, Colums Geheimnis weiter zu bewahren.

Jamie schüttelte ungläubig den Kopf und seufzte. Seine Schultern sackten bei der Enthüllung zusammen, dass Colum vorgehabt hatte, sich das Leben zu nehmen.

»Dann frage ich mich«, murmelte er halb zu sich selbst. »Meinst du, es ist ein Zeichen gewesen, Claire?«

»Ein Zeichen?«

»Colums Tod zu diesem Zeitpunkt, ehe er sein Vorhaben ausführen und Charles’ Hilferuf zurückweisen konnte. Ist er ein Zeichen dafür, dass es Charles bestimmt ist, diesen Kampf zu gewinnen?«

Ich dachte daran, wie ich Colum zuletzt gesehen hatte. Der Tod hatte ihn im Bett sitzend ereilt, ein Glas Brandy unangetastet neben seiner Hand. Er war also in den Tod gegangen, wie er es sich gewünscht hatte, bei klarem Verstand und hellwach; sein Kopf war hintenüber gesunken, doch seine Augen waren weit offen, glasig gegenüber dem, was er hinter sich gelassen hatte. Sein Mund war fest zusammengepresst, die üblichen Falten von der Nase bis zum Kinn tief in seine Haut gegraben. Der Schmerz, der ihn nie allein ließ, hatte ihn begleitet, so weit es ging.

»Weiß Gott«, sagte ich schließlich.

»Aye?«, sagte er, und wieder wurde seine Stimme von seinen Armen gedämpft. »Aye, nun ja. Ich hoffe doch, dass es irgendjemand weiß.«

Kapitel 38

Ein Handel mit dem Teufel

Der Katarrh legte sich über Edinburgh wie die kalte Regenwolke, die das Schloss auf dem Hügel vor unseren Blicken verbarg. Wasser lief Tag und Nacht über die Straßen, und das Pflaster war zwar vorübergehend frei von Fäkalien, doch das vorübergehende Fehlen des Gestanks wurde mehr als wettgemacht durch den Auswurf, der jede Gasse mit Schleim überzog, und die beißende Wolke aus Kaminrauch, die von den Hüften bis zur Decke in jedem Zimmer stand.

So kalt und elend das Wetter im Freien war; ich war dennoch viel zu Fuß auf dem Gelände von Holyrood und im Canongate-Viertel unterwegs. Ich hatte lieber den Regen im Gesicht als die Lungen im Trockenen voller Rauch und Bakterien. Der ganze Palast war von Husten- und Niesgeräuschen erfüllt, obwohl die noble Gegenwart Seiner Hoheit die meisten verschleimten Patienten bewog, in schmutzige Taschentücher oder die Delfter Kamine zu spucken statt auf die gebohnerten schottischen Eichendielen.

Um diese Jahreszeit schwand das Licht schnell, und ich machte auf halber Höhe der Royal Mile kehrt, um vor Anbruch der Dunkelheit wieder in Holyrood zu sein. Nicht, dass ich mich vor Überfällen im Dunklen fürchtete; selbst wenn ich inzwischen nicht allen jakobitischen Soldaten in der Stadt bekannt gewesen wäre, so hielt doch die verbreitete Angst vor der frischen Luft jedermann im Haus.

Wer noch gesund genug war, geschäftlich vor die Tür zu gehen, erledigte seine Besorgungen in Eile, ehe er dankbar die verrauchte Zuflucht von Jenny Ha und ihrem Wirtshaus aufsuchte und es sich dort im luftleeren Raum gemütlich machte, wo der Geruch nach nasser Wolle, ungewaschenen Menschen, Whisky und Ale den Gestank des Ofens weitgehend erfolgreich besiegte.

Meine einzige Angst war die, im Dunklen den Halt zu verlieren und mir auf dem rutschigen Pflaster den Knöchel zu brechen. Die Beleuchtung in der Stadt rührte allein von den schwachen Laternen der Nachtwächter, und diese hatten die verstörende Angewohnheit, sich von Tür zu Tür zu ducken und wie Glühwürmchen aufzutauchen und wieder zu verschwinden … manchmal sogar eine halbe Stunde lang, weil der Laternenträger einen Abstecher in das World’s End unternahm, um dort ein lebensrettendes heißes Ale zu trinken.