Ich betrachtete das gedämpfte Leuchten über der Kirche von Canongate, um abzuschätzen, wie viel Zeit mir noch blieb, bis es dunkel wurde. Mit etwas Glück noch genug für einen Halt in Mr. Haughs Apotheke. Mr. Haugh konnte zwar nicht mit der Vielfalt aufwarten, die man in Meister Raymonds Pariser Kräutertempel fand, doch er machte gute Geschäfte mit Rosskastanien und Ulmenrinde und war normalerweise auch imstande, mich mit Pfefferminze und Berberitze zu versorgen. Um diese Jahreszeit bezog er sein Einkommen hauptsächlich aus dem Verkauf von Kampferkugeln, die als unübertreffliches Heilmittel für Husten, Schnupfen und Schwindsucht galten. Sie mochten ja nicht wirksamer sein als moderne Hustenmittel, dachte ich, doch sie waren auch nicht schlechter, und wenigstens rochen sie erfrischend gesund.
Obwohl alle Welt rote Nasen und weiße Gesichter hatte, fanden an mehreren Abenden in der Woche im Palast Empfänge statt, und der Adel Edinburghs hieß seinen Prinzen mit Begeisterung willkommen. Noch zwei Stunden, und die ersten Laternen der Dienstboten, die die Ballgäste begleiteten, würden auf der Straße aufflackern.
Ich seufzte bei dem Gedanken an den nächsten Ball, der von niesenden Galanen besucht wurde, die mir mit verschleimter Stimme Komplimente machten. Vielleicht sollte ich auch noch Knoblauch auf meine Liste setzen; wenn man ihn in einem silbernen Duftamulett um den Hals trug, wehrte er angeblich Krankheiten ab. Was er wohl in Wirklichkeit abwehrte, waren die Annäherungen verseuchter Ballbesucher – was von meiner Warte aus genauso zufriedenstellend war.
Charles’ Truppen hatten die Stadt besetzt, und die Engländer wurden zwar nicht belagert, doch sie waren zumindest oben im Schloss von der Außenwelt abgeschnitten. Dennoch sickerten immer wieder Neuigkeiten – von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt – in beide Richtungen durch. Mr. Haugh zufolge besagte das jüngste Gerücht, dass der Herzog von Cumberland südlich von Newcastle ein Heer zusammenzog und die Absicht hegte, mehr oder minder sofort gen Norden zu marschieren. Ich hatte keine Ahnung, ob das stimmte, bezweifelte es aber, da ich mich nicht daran erinnern konnte, dass Cumberland vor dem Frühjahr 1746 irgendwo erwähnt worden wäre, und so weit waren wir ja noch nicht. Dennoch konnte ich das Gerücht nicht ignorieren.
Der Wachtposten an der Pforte winkte mich hustend durch. Das Geräusch setzte sich über die Reihen der Türsteher in den Fluren und auf den Treppenabsätzen fort. Ich unterdrückte den Impuls, im Vorübergehen meinen Knoblauchkorb wie ein Weihrauchfass nach ihnen zu schwenken, und begab mich treppauf in den Nachmittagssalon, wo man mich fraglos vorließ.
Ich traf Seine Hoheit mit Jamie, Aeneas MacDonald, O’Sullivan, seinem Sekretär und einem finsteren Herrn namens Francis Townsend an, der in letzter Zeit sehr in der Gunst Seiner Hoheit stand. Die meisten von ihnen hatten rote Nasen vom Niesen, und die Kaminplatte vor dem eleganten Sims war mit Auswurf verschmiert. Ich warf einen scharfen Blick auf Jamie, der kreidebleich und erschöpft in seinem Sessel hing.
Die Männer, die von meinen Ausflügen in die Stadt wussten und auf Neuigkeiten über die Engländer brannten, hörten mir mit großer Aufmerksamkeit zu.
»Wir stehen für diese Auskünfte sehr in Eurer Schuld, Mistress Fraser«, sagte Seine Hoheit mit einer eleganten Verbeugung und einem Lächeln. »Ihr müsst mir sagen, ob ich Euch für Eure großzügigen Dienste irgendwie bezahlen kann.«
»Das könnt Ihr«, packte ich die Gelegenheit beim Schopf. »Ich möchte meinen Mann ins Bett holen. Auf der Stelle.«
Der Prinz bekam zwar große Augen, doch er erholte sich schnell. Aeneas MacDonald war nicht so selbstbeherrscht und bekam einen verdächtig erstickten Hustenanfall. Jamies weißes Gesicht wurde plötzlich feuerrot. Er nieste und versteckte seine Miene in einem Taschentuch, doch seine blauen Augen sprühten Funken in meine Richtung.
»Äh … Euren Mann«, stellte sich Charles tapfer der Herausforderung. »Oh …« Seine Wangen verfärbten sich zartrosa.
»Er ist krank«, sagte ich mit einem Hauch von Schärfe. »Das könnt Ihr doch wohl sehen? Ich will, dass er ins Bett geht und sich ausruht.«
»Oh, sich ausruht«, murmelte MacDonald wie zu sich selbst.
Ich suchte nach angemessen höflichen Worten.
»Ich bedaure es zwar, Eure Hoheit vorübergehend um die Anwesenheit meines Mannes bringen zu müssen, doch wenn es ihm nicht gestattet wird, sich hinreichend auszuruhen, so werdet Ihr vermutlich in Kürze ganz auf ihn verzichten müssen.«
Charles, der inzwischen die Fassung wiedererlangt hatte, schien sich jetzt an Jamies offensichtlichem Unbehagen zu weiden.
»Gewiss doch«, sagte er mit einem Blick auf Jamie, dessen Gesichtsfarbe jetzt zu einer fleckigen Blässe ausgeblichen war. »Eine solche Vorstellung wäre uns sehr zuwider, Madam.« Er neigte den Kopf in meine Richtung. »Es sei, wie Ihr es wünscht, Madam. Cher James ist davon entschuldigt, unserer Person aufzuwarten, bis er sich erholt hat. Bitte bringt Euren Gemahl unbedingt in Eure Gemächer und, äh … lasst ihm die … äh … nötige Behandlung angedeihen.« Die Mundwinkel des Prinzen zuckten plötzlich, und er folgte Jamies Beispiel, indem er ein großes Taschentuch aus seiner Tasche zog und die untere Gesichtshälfte mit einem gezierten Hüsteln darin verbarg.
»Seid lieber vorsichtig, Hoheit«, riet ihm MacDonald etwas beißend. »Am Ende steckt Ihr Euch noch bei Mr. Fraser an.«
»Man könnte sich wünschen, nur die Hälfte von Mr. Frasers Beschwerden zu haben«, murmelte Francis Townsend und versuchte erst gar nicht, das sardonische Lächeln zu verbergen, das ihm das Aussehen eines Fuchses im Hühnerstall verlieh.
Jamie, der jetzt große Ähnlichkeit mit einer frostgeschädigten Tomate hatte, erhob sich abrupt, verbeugte sich mit einem knappen »Danke, Hoheit« vor dem Prinzen, nahm mich beim Arm und hielt auf die Tür zu.
»Lass los«, fauchte ich, während wir an den Türstehern im Vorzimmer vorüberhasteten. »Du brichst mir ja den Arm.«
»Gut«, murmelte er. »Sobald wir unter vier Augen sind, werde ich dir den Hals brechen.« Doch ich sah, wie sich sein Mundwinkel kräuselte, und wusste, dass die Schroffheit nur vorgetäuscht war.
Sobald wir unsere Suite betreten und die Tür fest geschlossen hatten, zog er mich an sich, lehnte sich an die Tür und lachte, die Wange auf meinen Scheitel gepresst.
»Danke, Sassenach«, sagte er unter leisem Keuchen.
»Du bist nicht wütend?«, fragte ich gedämpft in die Vorderseite seines Hemds hinein. »Ich wollte dich nicht blamieren.«
»Nein, es stört mich nicht«, sagte er und ließ mich los. »Gott, es hätte mich nicht einmal gestört, wenn du gesagt hättest, du willst mich in der Galerie in Brand stecken, solange ich nur von Seiner Hoheit fort und mich ein bisschen ausruhen kann. Ich kann den Mann nicht mehr ertragen, und ich habe Schmerzen an jedem einzelnen Muskel.« Er wurde von einem plötzlichen Hustenkrampf geschüttelt, und er lehnte sich wieder an die Tür, diesmal, um sich zu stützen.
»Geht es dir gut?« Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihm die Hand auf die Stirn zu legen. Ich war zwar nicht überrascht, aber doch einigermaßen alarmiert, wie heiß seine Haut unter meiner Handfläche war.
»Du«, sagte ich anklagend, »hast Fieber!«
»Ach ja, jeder hat doch Fieber, Sassenach«, sagte er leicht gereizt. »Manche fühlen sich nur heißer an als andere, oder?«
»Keine Spitzfindigkeiten«, sagte ich und war erleichtert, dass es ihm noch gut genug ging, um logische Spielchen zu treiben. »Zieh deine Kleider aus. Und sag es ja nicht«, fügte ich trocken hinzu, als ich das Grinsen sah, als er den Mund zum Antworten öffnete. »Ich habe keine weiteren Pläne mit deinem verseuchten Kadaver, als ihn in ein Nachthemd zu stecken.«