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Ich war eindeutig nicht gegenüber allen Erkrankungen immun, sonst hätte ich das Fieber nicht bekommen. Doch die häufigen ansteckenden Krankheiten? Manches ließ sich natürlich mit meinen Impfungen erklären. Ich konnte zum Beispiel keine Pocken bekommen, keinen Typhus, keine Cholera und kein Gelbfieber. Nicht, dass Gelbfieber häufig vorkam, aber dennoch. Ich stellte die Tasse ab und betastete meinen linken Arm durch den Stoff des Ärmels. Die Impfnarbe war im Lauf der Zeit verblasst, doch sie zeichnete sich immer noch so ab, dass ich sie deutlich spüren konnte; eine rundliche Pocke in der Haut, deren Durchmesser vielleicht einen Zentimeter betrug.

Ich erschauerte kurz, denn wieder musste ich an Geillis Duncan denken; dann schob ich den Gedanken von mir und wandte mich wieder der Betrachtung meines Gesundheitszustands zu, um weder an die Frau denken zu müssen, die den Flammentod erlitten hatte, noch an Colum MacKenzie, den Mann, der sie in diesen Tod geschickt hatte.

Die Tasse war beinahe leer, und ich erhob mich, um sie wieder zu füllen, während ich überlegte. Eine erworbene Immunität vielleicht? Ich hatte in der Schwesternausbildung gelernt, dass Erkältungen durch eine Vielzahl von Viren ausgelöst werden, von denen ein jeder eigenständig und in einer ständigen Evolution begriffen war. Wenn man einem bestimmten Virus einmal ausgesetzt gewesen war, hatte der Ausbilder erklärt, wurde man dagegen immun. Man erkältete sich weiter, weil man mit immer neuen, anderen Viren in Berührung kam, doch je älter man wurde, desto geringer war die Chance, auf etwas zu stoßen, dem man noch nicht ausgesetzt gewesen war. Daher, hatte er gesagt, erkälteten sich Kinder im Schnitt sechsmal im Jahr, Menschen in den mittleren Jahren nur zweimal, und ältere Menschen erkälteten sich möglicherweise jahrelang gar nicht, weil sie mit den meisten verbreiteten Viren schon in Kontakt gekommen und nun immun dagegen waren.

Das war eine Möglichkeit, dachte ich. Was, wenn manche Arten der Immunität erblich wurden, weil sich Viren und Menschen parallel weiterentwickelten? Die Antikörper vieler Krankheiten konnten von der Mutter an das Kind weitergegeben werden, das wusste ich. Über die Plazenta oder die Muttermilch, so dass das Kind – zumindest vorübergehend – gegen Krankheiten immun war, mit denen die Mutter in Berührung gekommen war. Vielleicht erkältete ich mich deshalb nie, weil ich ererbte Antikörper zu den Viren des achtzehnten Jahrhunderts in mir trug – also von den Erkältungen profitierte, die meine gesammelten Vorfahren in den letzten zweihundert Jahren gehabt hatten?

Ich war so fasziniert von diesem unterhaltsamen Gedanken, dass ich mich gar nicht wieder hinsetzte, sondern meinen Tee mitten im Zimmer im Stehen trank, als es leise an der Tür klopfte.

Ich seufzte ungeduldig und ärgerte mich über die Störung. Ich machte mir nicht die Mühe, die Tasse hinzustellen, sondern ging in der Erwartung zur Tür, eine Nachfrage nach Jamies Gesundheit entgegenzunehmen – und abzuweisen. Vermutlich war Cameron auf eine unklare Passage in einer Depesche gestoßen, oder Seine Hoheit wollte seinen großzügigen Verzicht auf Jamies Anwesenheit beim heutigen Ball zurücknehmen. Nun, heute Abend würden sie ihn nur über meine zertrampelte Leiche aus dem Bett holen.

Ich riss die Tür auf, und die Begrüßung blieb mir im Hals stecken. Jack Randall stand im Schatten des Eingangs.

Die Nässe des verschütteten Tees, die durch den Stoff meiner Röcke drang, brachte mich zu mir, doch er war bereits eingetreten. Er betrachtete mich mit seiner üblichen Miene herablassender Einschätzung von oben bis unten, dann fiel sein Blick auf die geschlossene Schlafzimmertür.

»Ihr seid allein?«

»Ja!«

Seine haselgrünen Augen huschten von mir zur Tür, wie um sich zu überzeugen, ob ich die Wahrheit gesagt hatte. Sein Gesicht war von Krankheit gezeichnet, blass von der schlechten Ernährung und einem Winter in geschlossenen Räumen, doch sein Scharfsinn hatte nicht gelitten. Sein schneller, gnadenloser Verstand hatte sich zwar ein wenig weiter hinter den Vorhang seiner eisigen Augen zurückgezogen, doch er war noch da; kein Zweifel.

Er fasste seinen Entschluss, packte mich am Arm und ergriff mit der anderen Hand meinen abgelegten Umhang.

»Kommt mit mir.«

Ich hätte mich lieber von ihm in Stücke hacken lassen, ehe ich einen Laut von mir gab, der dazu geführt hätte, dass sich die Schlafzimmertür öffnete.

Wir waren schon halb durch den Flur, ehe ich glaubte, gefahrlos sprechen zu können. Im Inneren des Stabsquartiers waren keine Wachen stationiert, doch auf dem Gelände waren Patrouillen unterwegs. Er konnte nicht darauf hoffen, mich unentdeckt durch den Steingarten oder die Seitenpforten schleusen zu können, geschweige denn, durch das Hauptportal des Palastes. Was immer er von mir wollte, musste also etwas sein, das sich innerhalb der Mauern von Holyrood erledigen ließ.

Mord vielleicht als Rache für die Verletzung, die Jamie ihm zugefügt hatte? Der Gedanke verknotete mir den Magen, und ich betrachtete ihn, so genau ich es konnte, während wir rasch unter den Lichtkegeln der Kerzenhalter an der Wand hindurchschritten. Da die Kerzen in diesem Teil des Palastes weder dekorativen noch großzügigen Zwecken dienten, waren sie in großen Abständen angebracht und spendeten gerade so viel Licht, dass sie den Gästen den Rückweg in ihre Gemächer wiesen.

Er trug keine Uniform und schien völlig unbewaffnet zu sein. Er trug gewöhnliche Leinenkleidung mit einem warmen Rock über einer einfachen braunen Kniehose und Strümpfen. Allein seine aufrechte Haltung und die arrogante Neigung seines unbedeckten Kopfes verrieten seine Identität – er hätte problemlos als Dienstbote getarnt mit einer Gruppe von Ballgästen eintreffen können.

Nein, beschloss ich und betrachtete ihn argwöhnisch, während wir aus der Dunkelheit ins Licht traten, er war nicht bewaffnet, obwohl die Hand, die sich um meinen Arm schloss, hart wie Eisen war. Dennoch, wenn er vorhatte, mich zu erwürgen, würde ich es ihm nicht leichtmachen; ich war beinahe genauso groß wie er und um einiges besser genährt.

Als spürte er meinen Gedanken, blieb er kurz vor dem Ende des Korridors stehen und drehte mich zu sich hin. Seine Hände lagen fest auf meinen Ellbogen.

»Ich will Euch nichts tun«, sagte er leise, aber entschlossen.

»Ha, ha, guter Witz«, sagte ich und fragte mich, ob mich jemand hören würde, wenn ich hier schrie. Ich wusste, dass am Fuß der Treppe ein Wachtposten stand, doch dazwischen lagen zwei Türen, ein kurzer Treppenabsatz und eine lange Treppe.

Andererseits war es unentschieden. Er konnte mich nicht weiter entführen, doch ich konnte hier auch keine Hilfe rufen. In diesem Teil des Korridors herrschte kaum Verkehr, und die Palastbewohner würden sich jetzt alle im anderen Flügel aufhalten, entweder als Besucher oder als Bedienstete auf dem Ball.

Sein Ton war ungeduldig.

»Seid doch nicht dumm. Wenn ich Euch umbringen wollte, könnte ich es hier tun. Es wäre um einiges ungefährlicher, als Euch ins Freie zu bringen. Außerdem«, fügte er hinzu, »wenn ich Euch etwas antun wollte, warum sollte ich dann Euren Umhang mitnehmen?« Er hob das Kleidungsstück zur Demonstration von seinem Arm.

»Woher soll ich das wissen?«, fragte ich, obwohl es eindeutig ein Argument zu sein schien. »Warum habt Ihr ihn mitgenommen?«

»Weil ich möchte, dass Ihr mich begleitet. Ich habe Euch ein Angebot zu machen, und ich gehe dabei kein Risiko ein, dass jemand mithört.« Er richtete den Blick auf die Tür am Ende des Korridors. Wie die anderen Türen in Holyrood bestand auch sie aus sechs Paneelen; die oberen vier bildeten ein Kreuz, während die unteren beiden länglich geformt waren und an eine offene Bibel erinnerten. Holyrood war einst ein Kloster gewesen.

»Kommt Ihr mit in die Kirche? Dort können wir reden, ohne eine Unterbrechung zu befürchten.« Das stimmte; die Kirche, die an den Palast grenzte, war nicht mehr in Betrieb, weil sie nach Jahren der Vernachlässigung als baufällig galt. Ich zögerte und fragte mich, was ich tun sollte.