Lord Lewis Gordon, der jüngere Bruder des Herzogs von Gordon, weilte derzeit zwar in Holyrood, um Charles seine Aufwartung zu machen und mit der leuchtenden Aussicht auf den Rückhalt des gesamten Gordon-Clans zu winken, aber es war ein weiter Weg von einem Handkuss zur tatsächlichen Mobilisierung von Männern.
Und die schottischen Lowlands jubelten zwar bereitwillig über die Nachricht von Charles Stuarts Sieg, doch ihre Begeisterung endete da, wo es darum ging, ihm Männer zu seiner Unterstützung zu senden; seine Armee bestand so gut wie vollständig aus Highlandern, und das würde vermutlich auch so bleiben. Aber eine völlige Pleite waren auch die Lowlands nicht gewesen; Lord George Murray hatte mir erzählt, dass man in den Gemeinden im Süden Nahrungsmittel, Ausrüstung und Geld hatte eintreiben können – ein recht nützlicher Beitrag zum Unterhalt der Armee, der eine Weile reichen würde.
»Allein in Glasgow haben wir über fünftausend Pfund zusammengebracht. Obwohl das auch nur Kleingeld ist, verglichen mit den versprochenen Geldern aus Frankreich und Spanien«, hatte Seine Lordschaft Jamie anvertraut. »Doch ich werde es deshalb nicht zurückweisen, vor allem, da Seine Hoheit aus Frankreich bis jetzt nur Vertröstungen erhalten hat, kein Gold.«
Jamie, der genau wusste, wie unwahrscheinlich es war, dass das Gold aus Frankreich auftauchte, hatte nur genickt.
»Hast du heute wieder etwas herausgefunden, a nighean donn?«, fragte er mich, als ich hereinkam. Er hatte eine halbfertige Depesche vor sich liegen und war gerade im Begriff, den Gänsekiel in das Tintenfass zu tauchen, um ihn frisch anzufeuchten. Ich hob mir die verregnete Kapuze von meinem elektrisch knisternden Haar, und nickte.
»Es geht das Gerücht um, dass General Hawley im Süden Kavallerie-Einheiten formiert. Er hat die Order, acht Regimenter aufzustellen.«
Jamie grunzte. Da die Highlander gegenüber Kavalleristen ausgeprägte Aversionen hegten, waren das keine guten Nachrichten. Er massierte sich geistesabwesend den Rücken an der Stelle, wo die hufeisenförmige Prellung aus Prestonpans inzwischen so gut wie verschwunden war.
»Dann notiere ich das für Oberst Cameron«, sagte er. »Was meinst du, wie verlässlich dieses Gerücht ist, Sassenach?« Beinahe automatisch blickte er hinter sich, um sich zu vergewissern, dass wir allein waren. Er nannte mich jetzt nur noch unter vier Augen »Sassenach« und benutzte in der Öffentlichkeit das formellere »Claire«.
»Du kannst Gift darauf nehmen«, sagte ich. »Es ist absolut verlässlich.«
Es war schließlich gar kein Gerücht; es war die jüngste Auskunft von Jack Randall, die jüngste Rate der Schuld, auf deren Bezahlung er beharrte, weil ich mich um seinen Bruder kümmerte.
Jamie wusste natürlich, dass ich nicht nur die Kranken der Jakobiten-Armee aufsuchte, sondern auch Alex Randall. Was er nicht wusste und was ich ihm auch nicht erzählen durfte, war, dass ich mich einmal in der Woche – manchmal auch öfter – mit Jack Randall traf, um zu hören, welche Neuigkeiten aus dem Süden nach Edinburgh vordrangen.
Manchmal kam er zu Alex, wenn ich in seinem Zimmer war; manchmal war ich in der Dämmerung auf dem Heimweg, ganz darauf konzentriert, wohin ich auf dem rutschigen Pflaster der Royal Mile trat, und plötzlich winkte mir eine Gestalt in braunem Leinen aus der Mündung einer Gasse zu, oder eine leise Stimme kam hinter mir aus dem Nebel. Es war furchtbar verunsichernd, als spukte mir Franks Geist hinterher.
Es wäre in vielfacher Hinsicht einfacher für ihn gewesen, mir einen Brief in Alex’ Quartier zu hinterlegen, doch er weigerte sich, auch nur ein Wort schriftlich festzuhalten, und ich verstand, warum. Wenn ein solcher Brief je gefunden wurde, und sei es unsigniert, würde er nicht nur selbst unter Verdacht geraten, sondern zusätzlich auch Alex. Aber Edinburgh war ja voller Fremder; Freiwillige, die sich um König James’ Standarte scharten, Schaulustige aus dem Süden und Norden, Abgesandte aus Frankreich und Spanien, Spione und Informanten in Hülle und Fülle. Die Einzigen, die sich nicht auf der Straße zeigten, waren die Offiziere und Männer der englischen Garnison, die sich oben im Schloss verschanzt hielten. Solange ihn niemand mit mir reden hörte, würde ihn auch niemand als das identifizieren, was er war, oder sich etwas Außergewöhnliches bei unseren Begegnungen denken, selbst wenn wir gesehen wurden – und er war so vorsichtig, dass das nur selten geschah.
Mir selbst war das ebenso recht; auch ich hätte ja jedes Schriftstück vernichten müssen. Ich bezweifelte zwar, dass Jamie Randalls Handschrift erkennen würde, doch ich hätte ihm eine ständige Informationsquelle nicht erklären können, ohne zu lügen. Viel besser, es so aussehen zu lassen, als sei das, was Randall mir verriet, schlicht Teil dessen, was ich auf meinen täglichen Rundgängen hörte.
Der Nachteil bestand natürlich in der Möglichkeit, dass Randalls Beiträge in demselben Licht betrachtet wurden wie die anderen Gerüchte, die ich sammelte, und dass man sie nicht ernst nahm oder ignorierte. Ich ging zwar davon aus, dass mir Jack Randall nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft erteilte – falls man sich so etwas überhaupt bei ihm vorstellen konnte –, aber daraus folgte nicht unbedingt, dass das, was er sagte, in jedem Fall korrekt war. Gut also, wenn es mit Skepsis aufgenommen wurde.
Auch die Nachricht von Hawleys neuen Regimentern gab ich mit dem üblichen Hauch eines schlechten Gewissens über meinen Quasi-Betrug weiter. Doch ich war inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass Aufrichtigkeit zwischen Mann und Frau zwar von grundlegender Wichtigkeit war, dass man es damit aber auch übertreiben konnte. Und ich sah keinen Grund, warum sich Jamie quälen sollte, während ich die Jakobiten mit nützlichem Wissen versorgte.
»Der Herzog von Cumberland wartet nach wie vor darauf, dass seine Truppen aus Flandern zurückkehren«, fügte ich hinzu. »Und bei der Belagerung von Carlisle gibt es keine Fortschritte.«
Jamie grunzte, während er sich geschäftig Notizen machte. »Das wusste ich schon; Lord George hat vor zwei Tagen eine Depesche von Francis Townsend erhalten; er hält zwar die Stadt, doch die Gräben, die Seine Hoheit so unbedingt wollte, sind Arbeits- und Zeitverschwendung. Sie sind überflüssig; es wäre besser, wenn sie die Festung von weitem unter Kanonenbeschuss nehmen und sie dann stürmen würden.«
»Warum heben sie dann Gräben aus?«
Jamie winkte zerstreut ab, weil er sich immer noch auf seine Notizen konzentrierte. Seine Ohren wurden rot vor Frustration.
»Weil sie es bei der Belagerung von Gaeta so gemacht haben, und das ist die einzige Belagerung, die Seine Hoheit je miterlebt hat, also macht man es offensichtlich so, aye?«
»Och, aye«, sagte ich.
Es funktionierte; er blickte zu mir auf und lachte so herzhaft, dass sich seine Augen dabei halb schlossen.
»Das war gar nicht so schlecht, Sassenach«, sagte er. »Was kannst du sonst noch sagen?«
»Würdest du dich mit dem Vaterunser auf Gälisch zufriedengeben?«, fragte ich.
»Nein«, sagte er und bestreute seine Depesche mit Sand. Er stand auf, küsste mich flüchtig und griff nach seinem Rock. »Aber mit Abendessen würde ich mich zufriedengeben. Komm mit, Sassenach. Wir suchen uns ein gemütliches Wirtshaus, und dann bringe ich dir einen Haufen Ausdrücke bei, die du nicht in der Öffentlichkeit sagen darfst. Ich habe sie gerade alle frisch im Kopf.«
Schließlich fiel die Festung von Carlisle doch. Der Preis war hoch, die Wahrscheinlichkeit, die Festung auf Dauer zu halten, gering, und der Nutzen zweifelhaft. Doch die Wirkung auf Charles war euphorisierend – und katastrophal.
»Es ist mir endlich gelungen, Murray zu überzeugen – was für ein sturköpfiger Narr er doch ist!«, unterbrach Charles sich stirnrunzelnd selbst. »Doch wie ich sage, habe ich gesiegt. Wir marschieren in einer Woche nach England, um das ganze Land meines Vaters zurückzuerobern!«
Die schottischen Anführer, die im Morgensalon versammelt waren, blickten einander an, und es folgte allgemeines Hüsteln und Stühlerücken. Die Nachricht schien keine große Begeisterung auszulösen.