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Sie versuchten es. Alle versuchten sie es. Schottland, so führten sie an, gehörte Charles bereits mit Haut und Haaren. Immer noch strömten Männer aus dem Norden herbei, während aus dem Süden kaum Unterstützung kam. Und den schottischen Fürsten war allzu bewusst, dass die Highlander zwar tapfere Kämpfer und getreue Gefolgsmänner waren, dass sie jedoch gleichzeitig Bauern waren. Felder mussten für die Aussaat im Frühjahr gepflügt werden; das Vieh musste für den Winter aufgestallt werden. Viele der Männer würden sich dagegen wehren, während der Wintermonate tief in den Süden vorzurücken.

»Und diese Männer – sie sind nicht meine Untertanen? Sie gehen nicht, wohin ich es befehle? Unsinn«, sagte Charles entschlossen. Und das war alles. Beinahe.

»James, mein Freund! Wartet, ich spreche mit Euch kurz unter vier Augen, bitte.« Seine Hoheit wandte sich von seinem Wortwechsel mit Lord Pitsligo ab, und sein stures Kinn nahm einen etwas sanfteren Zug an, als er Jamie zuwinkte.

Ich ging zwar nicht davon aus, dass sich diese Einladung auch auf mich bezog, doch ich hatte auch nicht vor zu gehen und setzte mich fester auf meinen goldenen Damaststuhl, während die jakobitischen Fürsten nacheinander murmelnd das Zimmer verließen.

»Ha!« Charles schnippte verächtlich mit den Fingern in die Richtung der zuschwingenden Tür. »Alte Weiber, alle miteinander! Sie werden ja sehen – genau wie mein Vetter Louis und wie Philip. Brauche ich ihre Hilfe? Ich zeige es ihnen allen.« Ich sah, wie sich seine weißen, gepflegten Finger kurz auf seine Brust legten, wo sich ein rechteckiger Umriss schwach unter der Seide seines Rockes abmalte. Er trug Louises Miniatur bei sich; ich hatte sie gesehen.

»Ich wünsche Eurer Hoheit viel Glück bei diesem Unterfangen«, murmelte Jamie, »aber …«

»Ah, danke, cher James! Ihr glaubt wenigstens an mich!« Charles warf Jamie den Arm um die Schultern und massierte ihm liebevoll die Deltamuskeln.

»Ich bin untröstlich, dass Ihr mich nicht begleiten werdet, dass Ihr nicht an meiner Seite sein werdet, um den Beifall meiner Untertanen entgegenzunehmen, wenn wir in England einmarschieren«, sagte Charles, und sein Arm drückte fest zu.

»Nicht?« Jamie wirkte verdattert.

»Leider, mon cher ami, verlangt Euch die Pflicht ein großes Opfer ab. Ich weiß, wie sehr sich Euer großes Herz nach Schlachtenruhm sehnt, doch ich benötige Euch für eine andere Aufgabe.«

»Ach ja?«, sagte Jamie.

»Was?«, entfuhr es mir.

Charles bedachte mich mit einem Blick voll wohlerzogener Abneigung, dann wandte er sich wieder an Jamie und fuhr in jovialem Ton fort:

»Es ist eine Aufgabe von größter Bedeutung, mein werter James, und nur Ihr könnt sie ausführen. Es ist wahr, dass sich die Männer in Scharen um die Standarte meines Vaters sammeln; es werden täglich mehr. Dennoch sollten wir uns nicht voreilig sicher fühlen, nein? Durch großes Glück haben sich Eure Verwandten, die MacKenzies, an meine Seite gestellt. Doch Eure Familie hat noch eine andere Seite, wie?«

»Nein«, sagte Jamie, und in seinem Gesicht dämmerte das Grauen heran.

»Aber ja«, sagte Charles mit einem letzten Schulterdruck. Dann baute er sich strahlend vor Jamie auf. »Ihr werdet nach Norden gehen, in das Land Eurer Väter, und kehrt an der Spitze der Männer des Fraser-Clans zu mir zurück.«

Kapitel 40

Der Fuchsbau

Kennst du deinen Großvater gut?«, fragte ich und schlug nach einer späten Bremse, die dem Winter trotzte und sich offenbar nicht entscheiden konnte, ob das Pferd oder ich die bessere Mahlzeit abgeben würde.

Jamie schüttelte den Kopf.

»Nein. Nach allem, was ich höre, führt er sich wie ein altes Ungeheuer auf, aber du brauchst keine Angst vor ihm zu haben.« Er lächelte mich an, und ich wedelte mit einem Zipfel meines Schultertuchs nach der Bremse. »Ich bin ja bei dir.«

»Oh, verkrustete Greise beeindrucken mich nicht«, sagte ich. »Ich habe schon viele davon erlebt. Meistens sind sie unter der harten Schale butterweich. Ich vermute, dass es bei deinem Großvater nicht anders ist.«

»Mm, nein«, erwiderte er nachdenklich. »Er ist tatsächlich ein altes Ungeheuer. Aber wenn du dich ängstlich verhältst, wird er noch schlimmer. Wie ein Tier, das Blut wittert.«

Ich warf einen Blick nach vorn, wo die fernen Hügel, hinter denen sich die Burg Beaufort verbarg, plötzlich ein unheilvolles Aussehen annahmen. Die Bremse nutzte den Moment der Unaufmerksamkeit aus und stürzte sich auf mein linkes Ohr. Ich kreischte auf und duckte mich zur Seite, und das Pferd erschrak über die plötzliche Bewegung und scheute.

»Heh! Cuir stad!« Jamie warf sich zur Seite, um meine Zügel zu packen, und ließ dazu die seinen los. Sein Pferd, das besser ausgebildet war als das meine, schnaubte zwar, ließ das Manöver aber zu und zuckte nur geduldig mit den Ohren.

Jamie hielt sich mit den Knien im Sattel fest und brachte mein Pferd zum Stehen, indem er an den Zügeln zog.

»Also«, sagte er und verfolgte mit zusammengekniffenen Augen den Zickzackflug der summenden Bremse. »Lass sie landen, Sassenach, dann erwische ich sie.« Er wartete mit erhobenen Händen und blinzelte im Sonnenschein.

Ich saß da wie eine etwas nervöse Statue, halb hypnotisiert durch das bedrohliche Summen. Das schwere geflügelte Insekt summte trügerisch langsam und träge zwischen meinen Ohren und denen des Pferdes hin und her. Das Pferd zuckte heftig mit den Ohren, ein Impuls, der mein ganzes Mitgefühl hatte.

»Wenn dieses Tier in meinem Ohr landet, Jamie, dann …«, begann ich.

»Schhh!«, befahl er. Er beugte sich angespannt vor und krümmte die linke Hand wie ein Panther vor dem Angriff. »Noch eine Sekunde, dann habe ich sie.«

In diesem Moment sah ich den dunklen Fleck auf seiner Schulter landen. Eine zweite Bremse auf der Suche nach einem Platz an der Sonne. Wieder öffnete ich den Mund.

»Jamie …«

»Still!« Er ließ die Hände triumphierend über meinem Plagegeist zusammenschlagen, und im nächsten Moment senkte die Bremse an seinem Kragen ihre Fänge in seinen Hals.

Highlandschotten folgten im Kampf ihren alten Traditionen. Frei von jeder Strategie, Taktik oder Raffinesse war ihre Angriffsmethode die Einfachheit selbst. Wenn sie den Feind in Reichweite erspähten, ließen sie ihre Plaids fallen, packten ihre Schwerter und rannten mit Gebrüll auf ihn zu – eine Methode, die gerade dank dieses Gebrülls erstaunlich oft erfolgreich war. Ein Großteil ihrer Gegner verlor angesichts einer Masse haariger, halbnackter Furien, die sich auf sie stürzten, schlicht die Nerven und ergriff die Flucht.

Jamies Pferd mochte noch so gut ausgebildet sein, doch niemand hatte es auf diesen gälischen Aufschrei vorbereitet, der aus voller Kehle einen halben Meter hinter seinen Ohren erscholl. Es verlor ebenfalls die Nerven, legte die Ohren an und flüchtete, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her.

Mein Pferd und ich standen wie angewurzelt auf der Straße und wurden Zeugen einer außerordentlichen Demonstration schottischer Reitkunst, denn Jamie, der bei dem abrupten Aufbruch seines Pferdes beide Steigbügel verloren hatte und halb aus dem Sattel katapultiert worden war, warf sich verzweifelt nach vorn und griff nach der Mähne. Sein Plaid umwehte ihn wild im Fahrtwind, und dem Pferd, das längst durch und durch in Panik war, diente die wirbelnde Masse aus Farben als Entschuldigung, noch schneller zu rennen.

Jamie, der sich mit einer Hand in die lange Mähne gekrallt hatte, zog sich grimmig hoch und klammerte sich mit seinen langen Beinen an die Flanken des Pferdes, ohne die eisernen Steigbügel zu beachten, die unter dem Bauch der Tieres tanzten. Etwas, das selbst ich mit meinem begrenzten gälischen Wortschatz als extrem obszöne Ausdrucksweise erkannte, wehte in Fetzen auf dem sanften Wind zu mir zurück.

Ich hörte langsame Klappergeräusche und sah mich um. Murtagh, der das Packpferd führte, kam über die kleine Anhöhe geritten, die wir gerade hinter uns gelassen hatten. Vorsichtig stieg er hinunter zur Straße, auf der ich wartete. Er brachte sein Pferd in aller Ruhe zum Stehen und blickte geradeaus zu der Stelle, an der Jamie und sein panisches Pferd jetzt hinter der nächsten Hügelkuppe verschwanden.