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»Eine Bremse«, sagte ich zur Erklärung.

»Spät dafür. Sei’s drum, ich war auch nicht davon ausgegangen, dass er dich hier stehengelassen hat, weil er es nicht abwarten kann, seinem Großvater gegenüberzutreten«, stellte Murtagh trocken wie immer fest. »Nicht, dass ich glaube, dass eine Frau eine Rolle dabei spielen würde, wie man ihn empfangen wird.«

Er nahm die Zügel wieder auf und trieb sein Pony an, das sich widerstrebend in Bewegung setzte, während ihm das Packpferd gutmütig folgte. Mein eigenes Pferd, das sich über die Gesellschaft freute und sich ohne die Bremsen wieder beruhigt hatte, fiel munteren Schrittes mit ein.

»Nicht einmal eine englische Frau?«, fragte ich neugierig. Soweit ich wusste, war Lord Lovats Einstellung gegenüber allem, was englisch war, alles andere als ein Grund zum Jubel.

»Englisch, französisch, holländisch oder deutsch, das ist alles ziemlich gleichgültig. Es wird der Junge sein, auf den der Alte Fuchs sich stürzt, nicht du.«

»Was meinst du damit?« Ich starrte den mürrischen kleinen Schotten an, der in seinem losen Plaid und Hemd große Ähnlichkeit mit einem seiner eigenen Bündel hatte. Irgendwie nahm jedes Kleidungsstück, das Murtagh anlegte, ganz gleich wie neu und wie gut geschneidert, auf der Stelle das Aussehen von etwas an, das er in letzter Minute von einem Abfallhaufen gerettet hatte.

»In was für einem Verhältnis stehen Jamie und Lord Lovat?«

Ich fing den Seitenblick eines seiner scharfsinnigen schwarzen Äuglein auf, dann wandte er den Kopf in Richtung der Burg. Er zuckte mit den Schultern – Resignation oder Vorfreude?

»Bis jetzt in gar keinem. Der Junge hat im Leben noch nie mit seinem Großvater gesprochen.«

»Aber woher weißt du denn so viel über ihn, wenn du ihm noch nie begegnet bist?«

Allmählich verstand ich Jamies anfängliches Widerstreben, hilfesuchend an seinen Großvater heranzutreten. Sobald wir wieder mit Jamie und seinem Pferd vereint waren – wobei Letzteres einen ziemlich ernüchterten Eindruck machte, der Erstgenannte hingegen einen furchtbar gereizten –, hatte Murtagh ihm einen nachdenklichen Blick zugeworfen und angeboten, mit dem Packpferd nach Beaufort vorzureiten, so dass Jamie und ich in Ruhe am Straßenrand zu Mittag essen konnten.

Über stärkenden Haferkeksen mit Bier hatte er mir schließlich erzählt, dass sein Großvater, Lord Lovat, von der Brautwahl seines Sohnes nicht begeistert gewesen war und es weder für nötig gehalten hatte, der Ehe seinen Segen zu geben, noch ein einziges Wort mit seinem Sohn – oder mit dessen Kindern – zu wechseln, seit Brian Fraser und Ellen MacKenzie vor über dreißig Jahren geheiratet hatten.

»Aber ich habe trotzdem einiges von ihm gehört«, erwiderte Jamie und kaute ein Stück Käse. »Er ist nämlich ein Mensch, der Eindruck auf die Leute macht.«

»Das habe ich auch schon gehört.« Der betagte Tullibardine, einer der Pariser Jakobiten, hatte mir seine unzensierte Meinung über das Oberhaupt des Fraser-Clans mitgeteilt, und ich dachte mir, dass Brian Fraser über den Mangel an väterlicher Aufmerksamkeit nicht unbedingt am Boden zerstört gewesen war. Das sagte ich zu Jamie, und er nickte.

»Oh, aye, ich kann mich nicht erinnern, dass mein Vater viel Gutes über den Alten zu sagen gehabt hätte, obwohl er sich auch nicht respektlos über ihn geäußert hat. Er hat nur einfach nicht oft von ihm gesprochen.« Er rieb sich den Hals, wo sich der Bremsenbiss jetzt als roter Fleck zeigte. Das launische Wetter war viel zu warm, und er hatte mir sein Plaid zum Picknicken auf den Boden gebreitet. Die Entsendung zum Oberhaupt des Fraser-Clans war Charles eine Investition in würdevolles Aussehen wert gewesen, und Jamie trug einen neuen Kilt von der militärischen Sorte, also mit Schnallen, während das Plaid aus einem separaten Tuch bestand. Das Ganze bot zwar weniger Schutz vor dem Wetter als das traditionelle Plaid, das man mit einem Gürtel befestigte, doch es ließ sich um einiges effizienter anziehen, wenn man es eilig hatte.

»Ich habe mich manchmal gefragt«, sagte er nachdenklich, »ob mein Vater die Art Vater war, die er war, weil der alte Simon ihn so kalt behandelt hat. Es war mir natürlich damals nicht klar, aber es kommt nicht so häufig vor, dass ein Mann seine Gefühle gegenüber seinen Söhnen offen zeigt.«

»Das hast du dich öfter als nur manchmal gefragt.« Ich hielt ihm eine neue Aleflasche hin, und er ergriff sie mit einem Lächeln, das mir mehr Wärme schenkte als die blasse Spätherbstsonne.

»Aye, das habe ich. Ich habe mich gefragt, was für ein Vater ich wohl für meine eigenen Kinder sein würde, und ich habe zurückgeblickt, weil mein eigener Vater mein bestes Vorbild war. Und doch wusste ich von dem bisschen, was er mir erzählt hat oder was ich von Murtagh gehört habe, dass sein eigener Vater völlig anders gewesen war. Also dachte ich, dass er sich irgendwann entschlossen haben muss, alles anders zu machen, sobald er die Chance dazu bekam.«

Ich seufzte leise und legte meinen Käse beiseite.

»Jamie«, sagte ich. »Glaubst du wirklich, dass wir jemals …«

»Ja«, sagte er mit voller Überzeugung, ohne mich ausreden zu lassen. Er beugte sich vor und küsste mir die Stirn. »Ich weiß es, Sassenach, und du auch. Du bist dazu bestimmt, Mutter zu werden, und ich habe gewiss nicht vor zuzulassen, dass jemand anders der Vater deiner Kinder wird.«

»Dann ist es ja gut«, sagte ich. »Ich auch nicht.«

Er lachte und hob mein Kinn, um mich auf die Lippen zu küssen. Ich erwiderte den Kuss, dann wischte ich ihm mit der Hand einen Brotkrümel fort, der in den Bartstoppeln an seinem Mund hing.

»Meinst du nicht, du solltest dich rasieren?«, fragte ich. »Ehe du deinen Großvater zum ersten Mal siehst?«

»Oh, ich habe ihn schon einmal gesehen«, sagte er beiläufig. »Und er hat mich ebenfalls gesehen. Was mein heutiges Aussehen betrifft, so kann er mich nehmen, wie ich bin – hol’s der Teufel.«

»Aber Murtagh sagt doch, du bist ihm noch nie begegnet!«

»Mpfm.« Er strich sich die restlichen Krümel vom Hemd und runzelte die Stirn, während er überlegte, wie viel er mir erzählen sollte. Schließlich zuckte er mit den Schultern und legte sich im Schatten eines Ginsterbuschs zurück. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und blickte in den Himmel.

»Nun, tatsächlich begegnet sind wir uns nicht. Es war so …«

Mit siebzehn hatte der junge Jamie Fraser ein Schiff bestiegen, um seiner Bildung an der Universität von Paris den letzten Schliff zu verleihen und darüber hinaus dort Dinge zu lernen, die nicht in den Lehrbüchern stehen.

»Ich bin im Hafen von Beauly losgefahren«, sagte er und wies kopfnickend über den nächsten Hügel hinweg, wo ein schmaler grauer Streifen am Horizont den Beginn des Moray Firth markierte. »Ich hätte auch einen anderen Hafen nehmen können – Inverness wäre am wahrscheinlichsten gewesen –, doch mein Vater hat die Fahrt gebucht, und er hat Beauly gewählt. Er ist mit mir dorthin geritten, um mich in die Welt zu entlassen, könnte man sagen.«

Brian Fraser hatte Lallybroch in den Jahren nach seiner Heirat nur selten verlassen, und er hatte große Freude daran gehabt, seinem Sohn unterwegs diverse Stellen zu zeigen, an denen er als Junge gejagt hatte oder anderweitig unterwegs gewesen war.

»Aber als wir in die Nähe von Beaufort kamen, ist er still geworden. Er hatte meinen Großvater bis jetzt auf dem Weg nicht erwähnt, und ich war nicht so unklug, selbst davon anzufangen. Aber ich wusste, dass es einen Grund gab, warum er mich von Beauly aus losfahren ließ.«

Mehrere kleine Spatzen näherten sich vorsichtig. Sie tauchten aus dem Unterholz auf und verschwanden wieder, allzeit bereit, sich beim kleinsten Hauch von Gefahr wieder in Sicherheit zu bringen. Bei ihrem Anblick griff Jamie nach einem Brotrest und warf ihn zielsicher in die Mitte des kleinen Schwarms, der wie eine Granate explodierte und vor der plötzlichen Störung floh.