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»Oh? Und weißt du es?« Ich legte mich hin und wartete darauf, dass er ins Bett kam. Er griff nach der Kerze und grinste auf mich hinunter, und das flackernde Licht spiegelte sich im blauen Glanz seiner Augen.

»Wuff«, sagte er und blies die Kerze aus.

Während der nächsten Tage bekam ich Jamie eigentlich nur abends zu sehen. Tagsüber wich er nicht von der Seite seines Großvaters, und sie gingen auf die Jagd oder ritten aus – denn Lovat war trotz seines Alters ein energischer Mensch – oder tranken gemeinsam im Studierzimmer, während der Alte Fuchs langsam seine Schlüsse zog und seine Pläne schmiedete.

Ich verbrachte den Großteil der Zeit mit Frances und den anderen Frauen. Sobald sie aus dem Schatten ihres respekteinflößenden alten Vaters trat, brachte Frances den Mut auf, zu sagen, was sie dachte, und entpuppte sich als intelligente, interessante Gesprächspartnerin. Sie trug die Verantwortung für den reibungslosen Alltag der Burg und ihrer Bediensteten, doch wenn ihr Vater die Bühne betrat, schwand sie zur Bedeutungslosigkeit dahin und erhob weder den Kopf noch die Stimme. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihr das verübelte.

Zwei Wochen später holte mich Jamie aus dem Salon, wo ich mit Frances und Aline saß, und sagte, Lord Lovat wünschte mich zu sprechen.

Der Alte Simon winkte beiläufig in Richtung der Karaffen auf dem Tisch an der Wand, dann setzte er sich in einen breiten Sessel aus Walnussholz mit zerknittertem Polster aus abgenutztem blauem Samt. Der Sessel fügte sich um seine kurze, untersetzte Gestalt, als wäre er um ihn herumgebaut worden; ich fragte mich, ob der Sessel eine Maßanfertigung war oder ob Simon im Lauf der Jahre die Form des Möbelstücks angenommen hatte.

Ich setzte mich still mit meinem Portwein in eine Ecke und blieb auch still, während Simon Jamie einmal mehr über Charles Stuarts Situation und seine Aussichten ausfragte.

Zum zwanzigsten Mal innerhalb einer Woche wiederholte Jamie geduldig die Anzahl der verfügbaren Männer, ihre Kommandostruktur – sofern vorhanden –, ihre Bewaffnung und deren Zustand – zum Großteil schlecht –, die Wahrscheinlichkeit, dass sich Lord Lewis Gordon oder die Farquharsons Charles anschließen würden, was Glengarry in der Folge von Prestonpans gesagt hatte, was Cameron über die englischen Truppenbewegungen wusste oder vermutete, warum sich Charles zum Vormarsch nach Süden entschlossen hatte und so weiter und so fort. Ich ertappte mich dabei, über meinem Glas einzunicken, und wurde gerade noch rechtzeitig wieder ruckartig wach, um zu verhindern, dass ich mir die rote Flüssigkeit auf den Rock kippte.

»… und Lord George Murray und Kilmarnock sind beide der Meinung, dass Seine Hoheit gut beraten wäre, wenn er sich über den Winter in die Highlands zurückziehen würde«, schloss Jamie mit einem herzhaften Gähnen. Weil er auf dem schmalen Stuhl, den man ihm zugewiesen hatte, kaum sitzen konnte, erhob er sich und reckte sich, so dass sein Schatten über die hellen Wandbehänge hinwegflackerte, die die Steinmauern verdeckten.

»Und was denkst du selbst?« Simons Augen glitzerten über halb geschlossenen Lidern, und er lehnte sich im Sessel zurück. Das Feuer im Kamin brannte lodernd und hell; Frances hatte das Feuer im großen Saal mit Torf zugedeckt, doch dieses hier war auf Lovats Anordnung neu angezündet worden, und zwar mit Holz, nicht mit Torf. Der scharfe Kiefernharzduft des brennenden Holzes vermischte sich mit dem kräftigeren Rauchgeruch.

Das Licht warf Jamies Schatten hoch an die Wand, während er jetzt unruhig hin- und herschritt, denn er wollte sich nicht wieder setzen. Es war stickig und dunkel in dem kleinen Studierzimmer, dessen Fenster bereits für die Nacht verhängt war – ganz anders als auf dem offenen, sonnigen Kirchhof, auf dem ihm Colum dieselbe Frage gestellt hatte. Genauso hatte sich auch die ganze Situation verändert; Charles war nicht länger das verhätschelte Prinzchen, das sich von den Clanhäuptlingen vertrösten ließ; er entsandte Abordnungen und forderte ein, was sie ihm versprochen hatten. Doch die Gestalt des Problems war dieselbe geblieben – ein dunkler, formloser Umriss, der wie ein Schatten über uns hing.

»Ich habe dir doch schon gesagt, was ich denke – ein Dutzend Mal oder noch öfter«, sagte Jamie abrupt. Er bewegte ungeduldig die Schultern, als sei ihm sein Rock zu eng.

»Oh, aye. Das hast du. Aber diesmal hätte ich gern die Wahrheit.« Der Alte schmiegte sich noch bequemer in seinen Sessel und verschränkte die Hände auf dem Bauch.

»Ach ja?« Jamie stieß einen Lacher aus und wandte sich seinem Großvater zu. Er lehnte sich an den Tisch und stützte die Hände hinter sich auf. Zwischen den beiden Männern herrschte eine Anspannung, die trotz der Unterschiede in ihrer Haltung und ihrem Körperbau eine flüchtige Ähnlichkeit ans Licht holte. Der eine hochgewachsen, der andere untersetzt, doch beide kraftvoll, stur und fest entschlossen, dieses Wortgefecht zu gewinnen.

»Bin ich denn nicht dein Verwandter? Und dein Anführer? Bist du mir nicht zur Loyalität verpflichtet?«

Darum ging es also. Colum, der so sehr an körperliche Schwäche gewöhnt war, hatte das Geheimnis gekannt, wie man die Schwächen anderer für seine eigenen Zwecke nutzt. Simon Fraser, der noch im hohen Alter bei Kräften und voller Energie war, war es gewohnt, seinen Willen auf direkterem Weg zu bekommen. An Jamies säuerlichem Lächeln konnte ich erkennen, dass auch er Colums Bitte mit der Forderung seines Großvaters verglich.

»Bin ich das? Ich erinnere mich nicht, dir einen Eid geleistet zu haben.«

Wie es bei alten Männern häufig vorkommt, wuchsen Simon mehrere lange steife Härchen aus den Augenbrauen. Diese zitterten im Feuerschein, obwohl ich nicht sagen konnte, ob vor Entrüstung oder Belustigung.

»Einen Eid? Fließt dir denn kein Fraser-Blut durch die Adern?«

Jamies Mund zuckte ironisch, als er antwortete. »Es heißt doch, wer den eigenen Vater kennt, weiß mehr als andere, aye? Meine Mutter war eine MacKenzie; so viel weiß ich.«

Simons Gesicht lief dunkelrot an, und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Dann öffnete sich sein Mund, und er brüllte vor Lachen. Er lachte, bis er gezwungen war, sich im Sessel aufzurichten und sich hustend und spuckend vornüberzubeugen. Schließlich schlug er hilflos mit der einen Hand auf seine Armlehne, griff sich mit der anderen in den Mund und zog sich die falschen Zähne heraus.

»Dott«, stammelte er keuchend, während ihm die Tränen und der Speichel über das Gesicht liefen. Er tastete blindlings nach dem Tischchen neben seinem Stuhl und ließ das Gebiss auf den Kuchenteller fallen. Seine knorrigen Finger schlossen sich um eine Leinenserviette, die er an sein Gesicht presste, um sich – immer noch unter ersticktem, lachendem Grunzen – abzuwischen.

»Himmel, Junge«, sagte er schließlich unter heftigem Lispeln. »Reich mir den Whifky.«

Mit hochgezogenen Augenbrauen nahm Jamie die Karaffe hinter sich vom Tisch und reichte sie seinem Großvater, der den Stopfen herauszog und eine beträchtliche Menge des Inhalts in sich hineinschüttete, ohne sich mit Formalitäten wie einem Glas aufzuhalten.

»Du meinft, du bift kein Frawer?«, sagte er. Er ließ die Karaffe sinken und atmete heftig aus. »Ha!« Er lehnte sich wieder zurück, und sein Bauch hob und senkte sich hechelnd, während er wieder zu Atem kam. Er zeigte mit seinem langen, dünnen Finger auf Jamie.

»Dein eigener Vater hat genau da geftanden, wo du jetzt stehft, und hat mir genau daffelbe gewagt wie du gerade, an dem Tag, an dem er Beaufort für immer verlaffen hat.« Der alte Mann wurde jetzt allmählich ruhiger; er hustete mehrfach und wischte sich noch einmal über das Gesicht.

»Wuffteft du, daff ich verwucht habe, die Heirat deiner Eltern pfu verhindern, indem ich behauptet habe, daf Kind wäre nicht von Brian?«

»Aye, das wusste ich.« Jamie hatte sich wieder an den Tisch gelehnt und betrachtete seinen Großvater mit zusammengekniffenen Augen.

Lord Lovat prustete. »Ich wwage ja nicht, daff immer nur eitel Wonnenschein twiffen mir und den Meinen war, aber ich kenne meine Wöhne. Und meine Enkel«, fügte er spitz hinzu. »Hol mich der Teufel, wenn ich glaube, daff einer von ihnen ein Betrüger wein könnte, genauwo wenig wie ich.«