Es war ein klarer, eisiger Tag Mitte Dezember, als wir Beauly verließen, um Charles Stuart und der Highland-Armee entgegenzureiten. Sämtlichen Ratschlägen zum Trotz war Charles nach England vorgestoßen und hatte sich weder von Wetter oder gesundem Menschenverstand noch von seinen Generälen aufhalten lassen. Doch in Derby hatten sich die Generäle endlich durchgesetzt, weil sich die Clanführer weigerten, weiter vorzurücken, und jetzt befand sich die Highland-Armee auf dem Rückweg nach Norden. Ein Brief von Charles an Jamie hatte uns bedrängt, »ohne Aufschub« nach Süden zu kommen, um bei seiner Rückkehr nach Edinburgh mit Seiner Hoheit zusammenzutreffen. Simon junior, der in seinem scharlachroten Tartan wie der geborene Clanführer aussah, ritt an der Spitze einer Kolonne von Männern. Wer ein Pferd hatte, ritt hinter ihm, während die größere Anzahl der Fußsoldaten im Anschluss folgte.
Da wir beritten waren, ritten wir gemeinsam mit Simon vorweg. In Eskadale würden wir uns trennen, und Simon und die Männer des Fraser-Clans würden ihren Weg nach Edinburgh fortsetzen, während Jamie mich angeblich nach Lallybroch begleitete, ehe er ebenfalls nach Edinburgh zurückkehrte. Er hatte natürlich nicht die Absicht zurückzukehren, doch das brauchte Simon nicht zu wissen.
Irgendwann im Lauf des Vormittags trat ich aus dem Gebüsch am Wegrand, und Jamie erwartete mich schon ungeduldig. Man hatte den Männern zur Stärkung für die Reise vor dem Aufbruch heißes Ale ausgeschenkt. Und ich hatte nicht nur festgestellt, dass heißes Bier ein überraschend gutes Frühstück abgab, sondern auch, dass es eine frappierende Wirkung auf die Nieren hatte.
Jamie prustete. »Frauen«, sagte er. »Wie kann man nur derart lange brauchen, um etwas so Simples zu tun wie zu pinkeln? Du machst ja genauso ein Theater darum wie mein Großvater.«
»Nun, du kannst nächstes Mal gern mitkommen und zusehen«, schlug ich angesäuert vor. »Vielleicht hast du ja hilfreiche Vorschläge beizusteuern.«
Er prustete nur erneut und wandte sich ab, um die Kolonne der vorüberziehenden Männer zu beobachten, doch er lächelte. Der klare, sonnige Tag sorgte allgemein für gute Laune, doch Jamie war heute Morgen ganz besonders in Hochstimmung. Kein Wunder; wir waren unterwegs nach Hause. Ich wusste, dass er sich keine Illusionen machte, dass alles gut werden würde; dieser Krieg würde seinen Preis fordern. Doch auch wenn es uns nicht gelungen war, Charles Stuart aufzuhalten, so war es doch immer noch möglich, dass wir den kleinen Winkel Schottlands retten konnten, der uns am meisten am Herzen lag – Lallybroch. Das lag vielleicht noch in unserer Macht.
Ich warf einen Blick auf die langgezogene Kolonne.
»Zweihundert Männer machen doch einiges her.«
»Hundertsiebzig«, verbesserte Jamie geistesabwesend und griff nach den Zügeln seines Pferdes.
»Bist du sicher?«, fragte ich neugierig. »Lord Lovat hat gesagt, er schickt zweihundert. Ich habe selbst gehört, wie er den Brief diktiert hat, in dem das stand.«
»Er hat es aber nicht getan.« Jamie schwang sich in den Sattel, dann stellte er sich in die Steigbügel und zeigte auf die Stelle weit vor uns auf den Hang, wo das Fraser-Banner mit dem Hirschkopfwappen an der Spitze der Kolonne flatterte.
»Ich habe sie gezählt, während ich auf dich gewartet habe«, erklärte er. »Dreißig Reiter da oben bei Simon, dann fünfzig Mann mit Breitschwertern und Tartschen – sicher die Männer der örtlichen Wachpatrouille – und dann die Pachtbauern mit allem Möglichen von Sicheln bis hin zu Hämmern an ihren Gürteln; es sind neunzig.«
»Dann baut dein Großvater wohl darauf, dass Charles sie nicht persönlich zählen wird«, stellte ich zynisch fest. »Und versucht, sich mehr anrechnen zu lassen, als er geschickt hat.«
»Aye, aber die Namen werden in die Musterrollen eingetragen, wenn sie Edinburgh erreichen«, sagte Jamie stirnrunzelnd. »Das sehe ich mir besser an.«
Ich folgte ihm in gemächlicherem Tempo. Ich schätzte, dass mein Pferd etwa zwanzig Jahre alt war und dass es zu mehr als einem gesetzten Gang ohnehin nicht imstande war. Jamies Pferd war etwas lebhafter, auch wenn es Donas nicht das Wasser reichen konnte. Der gewaltige Hengst war in Edinburgh geblieben, da ihn Charles bei öffentlichen Anlässen zu reiten wünschte. Jamie hatte dieser Bitte nachgegeben, da er es Simon zutraute, das Pferd an sich zu bringen, falls Donas in Reichweite seiner gierigen Finger kam.
Der Szene nach, die sich nun vor mir entfaltete, hatte sich Jamie in Bezug auf den Charakter seines Großvaters nicht geirrt. Jamie war zunächst zu Simons Buchhalter geritten und hatte etwas, das von meinem Aussichtspunkt wie eine erhitzte Auseinandersetzung aussah, zunächst beendet, indem er sich aus dem Sattel beugte, die Zügel des Buchhalters packte und das Pferd des entrüsteten Mannes an den Rand des matschigen Pfades zerrte.
Die beiden Männer stiegen ab und traten einander gegenüber, um das Wortgefecht mit Händen und Füßen fortzusetzen. Simon, der den Streit sah, parierte seinerseits durch und winkte dem Rest der Kolonne, ihren Weg fortzusetzen. Es folgte ein heftiges Hin und Her; inzwischen waren wir nah genug, um Simons vor Ärger rotes Gesicht zu sehen, die besorgte Miene des Buchhalters und Jamies Abfolge ziemlich leidenschaftlicher Gesten.
Ich beobachtete diese Pantomime fasziniert, bis der Buchhalter schließlich mit einem resignierten Achselzucken seine Satteltaschen öffnete, in ihren Tiefen kramte und mehrere Bögen Pergament zum Vorschein brachte. Jamie riss sie ihm aus der Hand und überflog sie hastig, während sein Zeigefinger den Zeilen folgte. Er ergriff einen Bogen, ließ den Rest auf den Boden fallen, und schüttelte ihn Simon Fraser ins Gesicht. Der Junge Fuchs sah ziemlich verdattert aus. Er nahm das Pergament und las es, dann hob er verwirrt den Kopf. Jamie nahm ihm den Bogen ab, und plötzlich riss er das zähe Pergament mit aller Kraft der Länge nach durch, dann noch einmal quer, und stopfte die Fetzen in seinen Sporran.
Ich hatte mein Pony angehalten, und es nutzte die Pause, um die Nase in die letzten, mageren Überreste der Vegetation zu stecken. Simon wandte sich mit feuerrotem Nacken zu seinem Pferd zurück, und ich beschloss, mich lieber abseits zu halten. Jamie stieg wieder auf und kam über den Wegrand zu mir zurückgetrabt. Sein rotes Haar flatterte wie ein Banner im Wind, seine Augen brannten vor Wut, und seine Lippen waren fest zusammengekniffen.
»Dieser dreckige alte Arsch«, sagte er ohne Umschweife.
»Was hat er getan?«, erkundigte ich mich.
»Die Namen meiner Männer auf seine Musterrolle gesetzt«, sagte Jamie. »Sie als Teil seines Fraser-Regiments für sich beansprucht. Dieser widerliche alte Wurm!« Er schaute sich voll Sehnsucht um. »Schade, dass wir schon zu weit sind, um zurückzureiten und den alten Mistkerl zu versohlen.«
Ich verkniff es mir, Jamie zu weiteren blumigen Beschimpfungen seines Großvaters anzutreiben, und fragte stattdessen: »Warum sollte er das tun? Nur, um sich den Anschein zu geben, als wäre sein Beitrag für die Stuarts größer?«
Jamie nickte, und die Wutröte auf seinen Wangen verblasste ein wenig.
»Aye, das auch. Er rückt sich selbst in ein besseres Licht, ohne dass es ihn etwas kostet. Aber nicht nur das. Der hinterlistige alte Furzknoten will mein Land zurück – schon seit er gezwungen war, es bei der Hochzeit meiner Eltern herauszurücken. Jetzt glaubt er, wenn alles gutgeht und man ihn zum Herzog von Inverness macht, kann er behaupten, Lallybroch hat ihm immer schon gehört und ich bin nur sein Pächter – und als Beweis kann er anführen, dass er die Männer des Anwesens mobilisiert hat, dem Ruf der Stuarts zu folgen.«
»Könnte er denn mit so etwas tatsächlich durchkommen?«, fragte ich skeptisch.
Jamie holte tief Luft und atmete wieder aus, und ein Dampfwölkchen stieg ihm wie Drachenqualm aus den Nasenlöchern. Er lächelte grimmig und klopfte auf den Sporran an seiner Taille.
»Nein, jetzt nicht mehr«, sagte er.
Bei gutem Wetter, mit gesunden Pferden und auf trockenem Boden waren es zwei Tagesritte von Beauly nach Lallybroch, wenn man nur für das Notwendigste an Essen, Schlaf und Körperhygiene anhielt. So jedoch wurde eins der Pferde sechs Meilen hinter Beauly lahm; es schneite, graupelte und stürmte abwechselnd, und der sumpfige Untergrund gefror zu einem Flickenteppich aus Glatteis, so dass es eine gute Woche dauerte, bis wir den letzten Hang hinunterstiegen, der zum Farmhaus von Lallybroch führte – frierend, müde und alles andere als hygienisch.