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»Ist ja gut«, sagte ich zu ihr und tätschelte sie hilflos, denn ich wusste ja, dass ich nicht das Geringste dafür tun konnte, dass es gut wurde. »Du bist hier, und du hast ihn wiedergesehen, das ist doch das Wichtigste.«

Sie nickte wortlos und putzte sich die Nase. »Ja«, sagte sie schließlich mit belegter Stimme. »Wir haben … zwei Monate gehabt. Ich rede mir ständig ein, dass das mehr ist, als die meisten Menschen je erleben, zwei glückliche Monate … Aber wir haben so viel Zeit verloren, die wir hätten haben können, und … es ist nicht genug. Claire, es ist nicht genug!«

»Nein«, sagte ich leise. »Für eine solche Liebe ist ein ganzes Leben nicht genug.« Mit einem plötzlichen Stich fragte ich mich, wo Jamie war und wie es ihm ergehen mochte.

Mary, die sich jetzt ein wenig gefasst hatte, fasste meinen Ärmel. »Claire, kannst du mit mir zu ihm gehen? Ich weiß, dass du n-nicht viel tun kannst …« Ihr versagte die Stimme, und sie sammelte sich mühsam wieder. »Aber vielleicht könntest du ihm … helfen?« Sie bemerkte den Blick, den ich auf den Dienstboten warf, der draußen am Eingang der Gasse stand, ohne sich vom Verkehr beeindrucken zu lassen. »Ich bezahle ihn«, sagte sie schlicht. »Meine Tante glaubt, ich g-gehe jeden Nachmittag spazieren. Kommst du mit?«

»Ja, natürlich.« Ich blickte zwischen den hohen Gebäuden empor, um den Stand der Sonne einzuschätzen. In einer Stunde würde es dunkel sein; ich wollte, dass die Decken im Tolbooth ankamen, ehe die feuchten Steinmauern des Gefängnisses durch die Nacht noch kälter wurden. Plötzlich entschlossen, wandte ich mich an Fergus, der geduldig neben mir gestanden und Mary neugierig beobachtet hatte. Er war zwar mit dem Rest der Männer nach Edinburgh zurückgekehrt, war jedoch als Franzose dem Kerker entgangen und hatte sich zäh durchgeschlagen, indem er sich auf sein ursprüngliches Handwerk besann. Ich hatte ihn in der Nähe des Tolbooth gefunden, wo er seine eingesperrten Gefährten treu mit Nahrungsmitteln versorgte.

»Nimm dieses Geld«, sagte ich und reichte ihm meine Börse, »und geh Murtagh suchen. Sag ihm, er soll so viele Wolldecken kaufen, wie er hierfür bekommt, und dafür sorgen, dass sie dem Gefängniswärter im Tolbooth gebracht werden. Er ist zwar schon bestochen, aber behaltet vorsichtshalber ein paar Shilling über.«

»Aber Madame«, protestierte er, »ich habe Milord doch versprochen, dass ich Euch nicht von der Seite weiche …«

»Milord ist aber nicht hier«, sagte ich entschlossen, »und ich bin es. Geh, Fergus.«

Er blickte von mir zu Mary, beschloss offenbar, dass sie weniger bedrohlich für mich war, als es meine Verärgerung für ihn werden würde, und brach schulterzuckend auf, während er sich leise auf Französisch über die Sturheit der Frauen ereiferte.

Die kleine Dachkammer hatte sich seit meinem letzten Besuch sehr verändert. Sie war sauber, und alle horizontalen Oberflächen glänzten frisch poliert. Die Vorratskiste war gefüllt, und ein Federbett war nur eine der zahlreichen kleinen Annehmlichkeiten, die für den Patienten angeschafft worden waren. Mary hatte mir unterwegs anvertraut, dass sie heimlich den Schmuck ihrer Mutter versetzt hatte, um dafür zu sorgen, dass Alex Randall es so gut hatte, wie es mit Geld zu bewerkstelligen war.

Dies hatte zwar seine Grenzen, doch Alex’ Gesicht erhellte sich wie eine Kerzenflamme, als Mary durch die Tür kam, so dass der Raubbau der Krankheit für einen Moment verschwand.

»Ich habe Claire mitgebracht, Liebster.« Mary ließ ihren Umhang achtlos auf einen Stuhl fallen und kniete sich neben ihn, um seine dünnen, blaugeäderten Hände zu ergreifen.

»Mrs. Fraser.« Seine Stimme war nur ein atemloser Hauch, doch er lächelte mich an. »Es ist schön, ein freundliches Gesicht wiederzusehen.«

»Ja, das ist es.« Ich lächelte ihn an und nahm halb unbewusst den rapiden, flatternden Puls in seinem Hals zur Kenntnis und seine durchsichtige Haut. Die haselgrünen Augen waren sanft und warm und strahlten den Großteil dessen aus, was er noch an Leben in seinem gebrechlichen Körper hatte.

Da ich keinerlei Heilmittel dabeihatte, konnte ich nichts für ihn tun, doch ich untersuchte ihn vorsichtig und sorgte dafür, dass er es hinterher im Bett bequem hatte. Schon die Untersuchung war so anstrengend für ihn, dass seine Lippen am Ende blau angehaucht waren.

Ich überspielte die Nervosität, mit der mich sein Zustand erfüllte, und versprach ihm, am nächsten Tag mit einem Mittel zurückzukommen, das ihm das Schlafen erleichtern würde. Er bekam meine Worte kaum mit; seine ganze Aufmerksamkeit war auf Mary gerichtet, die nervös neben ihm saß und seine Hand hielt. Ich sah sie zum Fenster blicken, wo das Licht rapide schwand, und begriff den Grund für ihre Sorge; sie musste zum Haus ihrer Tante zurück, ehe es dunkel wurde.

»Dann gehe ich jetzt«, sagte ich zu Alex und entfernte mich, so taktvoll ich konnte, damit ihnen wenigstens noch einige kostbare Momente allein miteinander blieben.

Er blickte von mir zu Mary, dann erwiderte er dankbar mein Lächeln.

»Gott segne Euch, Mrs. Fraser«, sagte er.

»Wir sehen uns morgen«, sagte ich und ging in der Hoffnung, dass es so sein würde.

Die nächsten Tage hatte ich viel zu tun. Die Waffen der Männer waren natürlich bei ihrer Festnahme konfisziert worden, und ich tat mein Bestes zurückzubekommen, was ich konnte, wo nötig, mit Hilfe von Beschimpfungen und Drohungen, Erpressung oder Charme. Ich versetzte zwei Broschen, die mir Jared zum Abschied geschenkt hatte, und kaufte genug Lebensmittel, um sicherzustellen, dass die Männer aus Lallybroch zumindest so gut aßen wie der Rest der Armee – was ja wenig genug war.

Ich beschwatzte die Wachen, mich in die Gefängniszellen zu lassen, und brachte einige Zeit damit zu, die Beschwerden der Gefangenen zu behandeln, von Skorbut und der normalen winterlichen Mangelernährung bis hin zu eiternden Wunden, Frostbeulen, entzündeten Gelenken und einer Vielzahl von Atemwegserkrankungen.

Ich suchte sämtliche Clanoberhäupter und Fürsten auf, die sich noch in Edinburgh aufhielten – nicht viele – und die Jamie möglicherweise helfen konnten, wenn sein Besuch in Stirling erfolglos blieb. Davon ging ich zwar nicht aus, doch es erschien mir klug, auf alles vorbereitet zu sein.

Und zwischen all den anderen Tätigkeiten nahm ich mir täglich Zeit für einen Besuch bei Alex Randall. Ich achtete darauf, vormittags zu kommen, um seine Zeit mit Mary nicht aufzubrauchen. Alex schlief nur wenig und das bisschen auch nur schlecht; demzufolge war er morgens müde und schlapp, und ihm war nicht nach Reden zumute, doch er lächelte stets zur Begrüßung, wenn ich eintraf. Ich verabreichte ihm eine Mischung aus Minze und Lavendel mit ein paar Tropfen Mohnsirup; das ermöglichte es ihm normalerweise, ein paar Stunden zu schlafen, damit er wach sein konnte, wenn Mary am Nachmittag kam.

Außer mir und Mary hatte ich noch keine anderen Besucher in der oberen Etage des Hauses gesehen. Daher war ich überrascht, Stimmen hinter der geschlossenen Tür zu hören, als ich eines Morgens die Treppe zu seinem Zimmer hinaufstieg.

Ich klopfte einmal knapp, wie es unser vereinbartes Zeichen war, und ließ mich selber ein. Jonathan Randall saß in seiner roten und beigen Hauptmannsuniform am Bett seines Bruders. Bei meinem Eintreten erhob er sich, um sich mit kalter Miene korrekt zu verbeugen.

»Madam«, sagte er.

»Hauptmann«, sagte ich. Dann standen wir beklommen in der Mitte des Zimmerchens und starrten uns an, da keiner bereit war fortzufahren.

»Johnny«, sagte Alex heiser aus dem Bett. Seine Stimme hatte einen beschwörenden, aber auch gebieterischen Unterton, und sein Bruder zuckte gereizt mit den Achseln, als er sie hörte.

»Mein Bruder hat mich gerufen, um Euch eine Neuigkeit mitzuteilen«, sagte er schmallippig. Er trug heute Morgen keine Perücke, sondern hatte das dunkle Haar zu einem Zopf zurückgebunden, und die Ähnlichkeit mit seinem Bruder war verblüffend. So bleich und zerbrechlich, wie Alex war, sah er aus wie Jonathans Geist.