»Ihr und Mr. Fraser seid gütig zu Mary gewesen«, sagte Alex und wälzte sich auf die Seite, um mich anzusehen. »Und zu mir ebenfalls. Ich … wusste von der Abmachung, die mein Bruder mit Euch getroffen hatte«, ein Hauch von Rosa stieg ihm in die Wangen, »doch ich weiß auch, was Ihr und Euer Mann für Mary getan habt … in Paris.« Er leckte sich die Lippen, die von der ständigen Hitze in der Kammer ausgetrocknet und aufgesprungen waren. »Ich glaube, Ihr solltet die Neuigkeit hören, die Johnny gestern aus dem Schloss mitgebracht hat.«
Jack Randall betrachtete mich voller Abneigung, doch er stand zu seinem Wort.
»Hawley ist Copes Nachfolger geworden, wie ich es Euch ja schon vorhergesagt habe«, sagte er. »Hawley hat wenig Talent als Anführer, abgesehen von einem gewissen blinden Vertrauen in die Männer unter seinem Befehl. Ob ihn das weiterbringen wird als Cope damals die Kanonen …« Er zuckte ungeduldig mit den Schultern.
»Wie dem auch sei, General Hawley hat die Anweisung erhalten, nordwärts zu marschieren und Stirling zurückzuerobern.«
»Ach ja?«, sagte ich. »Wisst Ihr, wie viele Männer er hat?«
Randall nickte knapp. »Im Moment hat er achttausend Mann, darunter dreizehnhundert Kavalleristen. Dazu rechnet er täglich mit dem Eintreffen von sechstausend Hessen.« Er runzelte die Stirn und überlegte. »Ich habe gehört, dass der Anführer des Campbell-Clans ebenfalls tausend Mann zu Hawley schickt, doch ich kann nicht sagen, ob diese Information verlässlich ist; anscheinend ist es ja unmöglich vorherzusagen, was die Schotten tun werden.«
»Ich verstehe.« Das war ernst; die Highland-Armee verfügte an diesem Punkt über irgendetwas zwischen sechs- und siebentausend Mann. Gegen Hawley hatten sie höchstens eine Chance, solange seine Verstärkung nicht eintraf. Zu warten, bis auch noch die Hessen und die Campbells kamen, war der reine Wahnsinn, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass den Highlandern der Angriff deutlich besser lag als die Verteidigung. Das sollte Lord George Murray besser sofort erfahren.
Jack Randalls Stimme rief mich aus meinen Überlegungen zurück.
»Guten Tag, Madam«, sagte er formell wie eh und je, und seine harten, attraktiven Züge legten keine Spur von Menschlichkeit an den Tag, als er sich vor mir verbeugte und ging.
»Danke«, sagte ich zu Alex Randall, während ich abwartete, bis Jonathan die lange, verwinkelte Treppe hinuntergestiegen war, ehe ich selber ging. »Ich weiß das sehr zu schätzen.«
Er nickte. Die Schatten unter seinen Augen waren deutlich zu sehen; wieder eine schlechte Nacht.
»Gern geschehen«, sagte er schlicht. »Werdet Ihr mir dann etwas von der Arznei hierlassen? Es wird ja vermutlich eine Weile dauern, bis ich Euch wiedersehe.«
Ich hielt inne, verdutzt über seine Annahme, dass ich selbst nach Stirling reiten würde. Das war es, wozu mich jede Faser meines Seins drängte, doch ich durfte die Männer im Tolbooth nicht vergessen.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Doch ja, ich lasse Euch etwas da.«
Ich ging langsam zu meinem Quartier zurück, während sich meine Gedanken überschlugen. Es stand fest, dass ich Jamie die Nachricht auf der Stelle zukommen lassen musste. Murtagh würde wohl gehen müssen. Natürlich würde Jamie mir glauben, wenn ich ihm eine Note schrieb. Doch konnte er Lord George, den Herzog von Perth oder die anderen Kommandeure überzeugen?
Ich konnte ihm schließlich nicht sagen, woher ich dieses Wissen hatte; würden die anderen Kommandeure bereit sein, dem bloßen schriftlichen Wort einer Frau zu glauben? Auch wenn es das Wort einer Frau war, der alle Welt übernatürliche Kräfte nachsagte? Ich dachte plötzlich an Maisri und erschauerte. Es ist ein Fluch, hatte sie gesagt. Ja, doch was blieb mir anderes übrig? Die einzige Macht, die ich habe, ist die, nicht zu sagen, was ich weiß. Auch ich besaß diese Macht, doch ich wagte es nicht, sie zu benutzen.
Zu meiner Überraschung stand die Tür meines Kämmerchens offen, und innen ertönten scheppernde und klirrende Geräusche. Ich hatte die wiedergewonnenen Waffen unter dem Bett verstaut und die Schwerter und anderen Klingen neben dem Kamin gestapelt, als dort kein Platz mehr war, bis schließlich der einzige freie Fleck auf dem Boden die Stelle war, an der Fergus seine Decke liegen hatte.
Auf der Treppe blieb ich stehen und staunte über die Szene, die ich über mir durch die offene Tür sehen konnte. Murtagh stand auf dem Bett und beaufsichtigte die Waffenausgabe an die Männer, die das Zimmer zum Überquellen brachten – die Männer aus Lallybroch.
»Madame!« Bei diesem Ausruf drehte ich mich um und sah Fergus an meiner Seite, ein Nagergrinsen in seinem blassen Gesicht.
»Madame! Ist es nicht wunderbar? Milord hat die Begnadigung seiner Männer erwirkt – heute Morgen ist ein Bote aus Stirling gekommen mit der Anordnung, sie freizulassen, und wir sollen sofort zu Milord nach Stirling kommen!«
Ich umarmte ihn und musste selbst ein wenig grinsen. »Das ist wunderbar, Fergus.« Einige der Männer hatten mich jetzt bemerkt und wandten sich lächelnd zu mir um, während sie ihre Kameraden an den Ärmeln zupften. Das Zimmer war von freudiger Erregung erfüllt. Dann sah mich Murtagh, der auf dem Bett hockte wie der Gnomenkönig auf einem Pilz, und er lächelte – eine Miene, die ihn quasi unkenntlich machte, so sehr verwandelte sie seine Züge.
»Wird Mr. Murtagh die Männer nach Stirling bringen?«, fragte Fergus. Er hatte ein kleines Schwert als seinen Anteil an der Bewaffnung erhalten, und während er mich ansprach, übte er, es zu ziehen und wieder einzustecken.
Ich sah Murtagh an und schüttelte den Kopf. Wenn Jenny Cameron die Männer ihres Bruders nach Glenfinnan führen konnte, dachte ich, sollte es mir wohl gelingen, die Kämpfer meines Mannes nach Stirling zu bringen. Und dann konnten Lord George und Seine Hoheit gern versuchen, meine persönlich überbrachten Neuigkeiten zu ignorieren.
»Nein«, sagte ich. »Ich werde es tun.«
Kapitel 43
Falkirk
Ich konnte die Männer in meiner Nähe spüren, ringsum in der Dunkelheit. Neben mir ging ein Dudelsackspieler; ich konnte den Luftsack unter seinem Arm ächzen hören und den Umriss der Bordunen hinter ihm aufragen sehen. Sie bewegten sich bei jedem seiner Schritte, so dass es so aussah, als hätte er ein kleines Tier im Arm, das sich schwach zur Wehr setzte.
Ich kannte ihn; er war ein Mann namens Labhriunn MacIan. Die Dudelsackspieler der einzelnen Clans wechselten sich damit ab, in Stirling die Morgendämmerung zu begrüßen, indem sie gemessenen Schrittes durch das Lager gingen, so dass das Heulen der Pfeifen von den dünnen Zelten abprallte und die Insassen zum Kampf des neuen Tages rief.
Abends kam dann ein neuer Spieler hervor und schlenderte langsam über den Hof, und das Lager hielt inne, um zu lauschen, und die Stimmen verstummten, während das Leuchten des Sonnenuntergangs auf dem Leinen der Zelte verblich. Die hohen, pfeifenden Pibroch-Töne riefen die Schatten aus dem Moor herbei, und wenn der Spieler fertig war, war die Nacht da.
Ob am Abend oder am Morgen, Labhriunn MacIan spielte mit geschlossenen Augen. Selbstsicher schritt er langsam über den Hof und zurück, den Ellbogen fest auf dem Sack, während seine Finger munter über die Spielpfeifen huschten. Trotz der Kälte saß ich manchmal abends da und sah ihm zu, und der Klang trieb Dornen durch mein Herz. MacIan schritt hin und her und wendete auf den Fußballen, ohne seine Umgebung zu beachten, und er legte seine ganze Seele in sein Spiel.
Es gibt die kleinen irischen Sackpfeifen, mit denen man in geschlossenen Räumen musiziert, und die großen Highland-Dudelsäcke, die im Freien den Weckruf spielen, die Clans zur Kampfordnung zusammenrufen und die Männer zum Angriff treiben. Es war eine Highlandpfeife, die MacIan spielte, während er auf und ab schritt, die Augen fest geschlossen.
Eines Abends stand ich von meinem Sitzplatz auf, als er fertig war, und wartete ab, während er mit einem ersterbenden Jaulen die letzte Luft aus seinem Sack presste. Als er dann mit einem Nicken in Richtung der Wache durch das Portal von Stirling schritt, fiel ich neben ihm ein.