»Guten Abend, Mistress«, sagte er. Seine Stimme war sanft, und seine Augen zwar geöffnet, aber noch sanfter, weil der Zauber seines Spiels noch ungebrochen über ihm lag.
»Guten Abend, MacIan«, sagte ich. »Ich habe mich gefragt, MacIan, warum Ihr mit geschlossenen Augen spielt?«
Er lächelte und kratzte sich am Kopf, doch er antwortete bereitwillig.
»Wahrscheinlich, weil es mir mein Großvater beigebracht hat, Mistress, und er war blind. Ich sehe ihn immer vor mir, wenn ich spiele, wie er mit wehendem Bart über das windige Ufer geschritten ist, die blinden Augen zum Schutz vor dem beißenden Sand geschlossen, während er hörte, wie ihm der Klang der Pfeifen von den Felsklippen entgegenkam, so dass er immer wusste, wo er gerade war.«
»Dann seht Ihr ihn vor Euch, und auch Ihr spielt für die Klippen und die See? Wo kommt Ihr her, MacIan?«, fragte ich. Seine Aussprache war langsam und von noch mehr Zischlauten erfüllt als die der meisten Highlander.
»Von den Shetlands, Mistress«, erwiderte er, und es hörte sich fast wie »Zetlands« an. »Weit fort von hier.« Er lächelte erneut und verbeugte sich vor mir, als wir das Gästequartier erreichten, wo ich abbiegen musste. »Aber ich habe den Eindruck, dass Ihr von noch weiter herkommt, Mistress.«
»Das ist wahr«, sagte ich. »Gute Nacht, MacIan.«
Jetzt, einige Tage später, fragte ich mich, ob ihm sein blindes Können wohl hier in der Dunkelheit helfen würde. Eine große Gruppe von Männern auf dem Marsch macht reichlich Geräusche, ganz gleich, wie leise sie sich bewegen, doch ich dachte, dass jedes Echo, das sie auslösten, im Heulen des zunehmenden Windes untergehen musste. Die Nacht war mondlos, aber der Himmel war wolkenhell, und Eisregen fiel und biss mir in die Wangen.
Die Männer der Highland-Armee überquerten das Gelände in kleineren Gruppen von zehn oder zwanzig und bewegten sich in asymmetrischer Formation voran, als hätte die Erde hier und da kleine Hügel aufgeworfen, oder als wanderten Lärchen- und Erlenhaine durch die Dunkelheit. Meine Neuigkeit war nicht ohne Rückendeckung geblieben; auch Ewan Camerons Spione hatten von Hawleys Vormarsch berichtet, und jetzt hatte sich die Schotten-Armee aufgemacht, um ihm entgegenzutreten, irgendwo südlich von Stirling und seiner Festung.
Jamie hatte es aufgegeben, mich zur Rückkehr zu drängen. Ich hatte versprochen, nicht im Weg zu sein, doch wenn es zur Schlacht kommen sollte, mussten die Stabsärzte hinterher zur Stelle sein. Ich konnte erkennen, wie sich sein Augenmerk auf seine Männer richtete und auf das, was vor uns lag, weil sein Kopf sich plötzlich neigte. Auf Donas saß er hoch genug, um als Schatten erkennbar zu sein, selbst im Dunklen, und als er jetzt den Arm hob, lösten sich zwei kleinere Schatten aus der marschierenden Masse und traten an seine Seite. Einen Moment unterhielten sie sich flüsternd, dann richtete er sich im Sattel auf und wandte sich an mich.
»Die Kundschafter sagen, man hat uns entdeckt; englische Wachen sind im Eiltempo zum Callendar House unterwegs, um General Hawley zu warnen. Wir warten nicht länger; ich umrunde mit meinen Männern hinter Dougal den Hügel von Falkirk. Dann kommen wir von hinten und die MacKenzies von Westen. Links von dir steht eine kleine Kirche auf dem Hügel, vielleicht eine Viertelmeile. Das ist dein Platz, Sassenach. Reite jetzt dorthin und rühr dich nicht von der Stelle.« Er tastete im Dunklen nach meinem Arm, fand ihn und drückte ihn.
»Ich komme dich holen, sobald ich kann, oder schicke dir Murtagh, falls ich nicht kann. Wenn es sich gegen uns wendet, geh in die Kirche und nimm Asyl in Anspruch. Etwas Besseres fällt mir nicht ein.«
»Mach dir keine Sorgen um mich«, sagte ich. Meine Lippen waren kalt, und ich hoffte, dass meine Stimme nicht so zittrig klang, wie ich mich fühlte. Ich verkniff mir das »Sei vorsichtig!«, das ich eigentlich als Nächstes gesagt hätte, und begnügte mich damit, ihn rasch zu berühren, seine kalte Wange, hart wie Metall unter meiner Hand, eine Haarsträhne, kalt und glatt wie ein Hirschfell.
Ich lenkte mein Pferd nach links und arbeitete mich langsam voran, während die herannahenden Männer mich umströmten. Der Wallach war aufgeregt über das Getümmel; er schüttelte schnaubend den Kopf und tänzelte unter mir. Ich brachte ihn abrupt zum Stehen, wie Jamie es mir beigebracht hatte, und nahm die Zügel kurz, weil der Boden unter den Pferdehufen plötzlich anzusteigen begann. Einmal noch sah ich mich um, doch Jamie war in der Nacht verschwunden, und ich benötigte meine ganze Konzentration, um im Dunklen die Kirche zu finden.
Es war ein kleines Gebäude mit einem Rietdach, das in einer kleinen Mulde auf dem Hügel hockte wie ein geducktes Tier – was ich gut nachvollziehen konnte. Von hier aus waren die englischen Wachfeuer zu sehen, die durch den Eisregen schimmerten, und in der Ferne konnte ich Rufe hören – ob Schottisch oder Englisch, konnte ich nicht sagen.
Dann setzten die Dudelsäcke ein, ein schrilles, gespenstisches Kreischen im Sturm. An mehreren Stellen des Hügels stiegen ihre lautstarken Misstöne unheimlich in den Himmel. Da ich es schon aus der Nähe gesehen hatte, konnte ich mir vorstellen, wie die Dudelsackspieler ihre Instrumente aufbliesen, indem sie keuchend ihre Lungen füllten, die blauen Lippen fest um die Spielpfeifen geschlossen, während sie mit steif gefrorenen Fingern versuchten, den Tönen Melodie zu geben.
Ich konnte beinahe spüren, wie der Ledersack hartnäckig Widerstand leistete, zwar unter dem Plaid gewärmt und flexibel gehalten, aber dennoch zögernd, sich ganz zu füllen, bis er plötzlich lebendig wurde, Körperteil seines Spielers, wie eine dritte Lunge, die für ihn atmete, wenn ihm der Wind den Atem raubte, als füllten ihn die Highlander ringsum mit ihren Schreien an.
Das Schreien war jetzt lauter und erreichte mich in Wellen mit dem wechselhaften Wind und seinen frostigen Regenböen. Die Kirche hatte keinen schützenden Vorbau, und auf dem Hügel standen keine Bäume, die den Wind gebrochen hätten. Mein Pferd senkte den Kopf, und seine Mähne peitschte mein Gesicht mit Eis.
Die Kirche bot nicht nur Schutz vor den Engländern, sondern auch vor den Elementen. Ich schob die Tür auf, zog am Zügel und führte das Pferd hinter mir hinein.
Im Inneren war es dunkel, und das einzige, mit Öltuch bedeckte Fenster war nicht mehr als ein dämmriger Fleck in der Schwärze über dem Altar. Verglichen mit dem Wetter draußen, erschien es warm, aber es roch erstickend nach altem Schweiß. Es gab keine Sitze, die das Pferd hätte umstürzen können, nichts außer einem kleinen Schrein, der in eine Wand eingelassen war, und dem Altar selbst. Durch den kräftigen Menschengeruch bedrängt, stand das Pferd zwar schnaubend da, doch es bewegte sich kaum. Ich behielt es argwöhnisch im Blick, während ich zur Tür zurückkehrte und den Kopf ins Freie steckte.
Es war unmöglich zu sagen, was auf dem Hügel von Falkirk vor sich ging. Hier und da blitzten Gewehrfeuerfunken in der Dunkelheit auf. Leise und unterbrochen konnte ich Metall klirren hören und gelegentlich den Donner einer Explosion. Hin und wieder erscholl der Aufschrei eines Verletzten, schrill wie das Kreischen eines Dudelsacks, anders als das gälische Kriegsgeschrei. Und dann drehte sich der Wind, und ich hörte nichts mehr – oder bildete mir ein, Stimmen zu hören, die nichts anderes waren als der heulende Wind.
Ich hatte die Schlacht von Prestonpans nicht gesehen. Da ich instinktiv auf die umständlichen Manöver großer, an Panzer und Mörser gebundener Armeen eingestellt war, war mir nicht klar gewesen, wie schnell sich die Ereignisse in einer kleinen, hitzigen Schlacht mit Zweikämpfen und leichten Waffen überstürzen konnten.
Meine erste Warnung war ein Ausruf dicht in meiner Nähe. »Tulach Ard!« Durch den Wind betäubt, hatte ich nicht gehört, wie sie den Hügel heraufgekommen waren. »Tulach Ard!« Es war der Schlachtruf der MacKenzies; einige von Dougals Männern sahen sich zum Rückzug in meine Zuflucht gezwungen. Ich zog den Kopf wieder ein, hielt die Tür jedoch einen Spaltbreit geöffnet, so dass ich hinausschauen konnte.