Sie kamen jetzt den Hügel herauf, eine kleine Gruppe Flüchtender. Highlander, dem Klang und dem Aussehen nach, denn sie waren von Plaids, Bärten und Haaren umweht, so dass sie aussahen wie schwarze Wolken auf dem Gras, die vom Wind bergan getrieben wurden.
Ich fuhr mit einem Satz in die Kirche zurück, als der Erste von ihnen zur Tür hereinplatzte. Zwar konnte ich in der Dunkelheit sein Gesicht nicht sehen, doch ich erkannte seine Stimme, als er mit meinem Pferd zusammenprallte.
»Himmel!«
»Willie!«, rief ich. »Willie Coulter!«
»Großer Gott! Wer ist denn da?«
Mir blieb keine Zeit zu antworten, denn die Tür knallte vor die Wand, und zwei weitere schwarze Gestalten schossen in die kleine Kirche. Aufgebracht über die lautstarke Störung, wieherte mein Pferd und stieg, so dass seine Vorderhufe in die Luft schlugen. Dies löste Alarmrufe unter den Eindringlingen aus, die die Kirche wohl für leer gehalten hatten und jetzt bestürzt feststellten, dass dem nicht so war.
Die Ankunft weiterer Männer vergrößerte die Verwirrung noch, und ich gab es auf, das Pferd beruhigen zu wollen. An die Rückseite der Kirche gedrängt, zwängte ich mich in die kleine Lücke zwischen Altar und Wand und wartete, bis sich die Lage von selbst beruhigte.
Genau das schien sich jetzt abzuzeichnen, denn eine der verwirrten Stimmen in der Dunkelheit erhob sich über die anderen.
»Seid STILL!« rief sie in einem Ton, der keine Widerrede duldete. Alle bis auf das Pferd gehorchten, und als sich der Lärm dann legte, beruhigte sich sogar das Pferd. Es zog sich schnaubend in eine Ecke zurück und quietschte nur ab und zu angewidert auf.
»MacKenzie aus Leoch«, sagte die gebieterische Stimme. »Wer ist sonst noch hier?«
»Hier ist Geordie, Dougal, und mein Bruder ist bei mir«, sagte eine Stimme in meiner Nähe zutiefst erleichtert. »Rupert haben wir auch dabei; er ist verletzt. Himmel, ich dachte schon, der Teufel persönlich lauert uns hier auf!«
»Gordon McLeod aus Ardsmuir«, sagte eine andere Stimme, die ich nicht erkannte.
»Und Ewan Cameron aus Kinnoch«, sagte eine andere. »Wem gehört das Pferd?«
»Mir«, sagte ich und schob mich vorsichtig hinter dem Altar hervor. Der Klang meiner Stimme löste einen erneuten Aufruhr aus, den Dougal auch diesmal beendete, indem er seine Stimme über den Lärm erhob.
»RUHE, verdammt! Bist du das, Claire Fraser?«
»Die Königin ist es jedenfalls nicht«, sagte ich gereizt. »Willie Coulter ist auch hier, zumindest war er es vor einer Minute noch. Hat denn niemand Feuer?«
»Kein Licht!«, sagte Dougal. »Die Engländer werden diese Stelle kaum übersehen, wenn sie uns verfolgen, aber sollten sie es nicht tun, brauchen wir sie auch nicht darauf aufmerksam zu machen.«
»Also schön«, sagte ich und biss mir auf die Unterlippe. »Rupert, kannst du sprechen? Sag etwas, damit ich hören kann, wo du bist.« Ich wusste nicht, wie viel ich im Dunklen für ihn tun konnte; im Moment kam ich ja nicht einmal an meine Arzneikiste. Andererseits konnte ich ihn auch nicht einfach auf dem Boden verbluten lassen.
Von der anderen Seite der Kirche kam ein übel klingendes Husten, und eine heisere Stimme sagte »Hier, Kleine« und hustete erneut.
Leise fluchend tastete ich mich über den Boden vor. Ich konnte schon an seinem blubbernden Husten hören, dass es schlimm war; so schlimm, dass meine Kiste vermutlich nicht helfen würde. Ich watschelte den letzten Meter in der Hocke wie eine Ente und hielt die Arme weit von mir gestreckt, um zu ertasten, was mir möglicherweise im Weg war.
Meine Hand traf auf einen warmen Körper, und eine große Hand umklammerte mich. Das musste Rupert sein; ich konnte ihn atmen hören, ein rasselndes Geräusch, das mit einem leisen Gurgeln unterlegt war.
»Ich bin hier«, sagte ich und tätschelte ihn blind an einer Stelle, von der ich hoffte, dass sie zur Beruhigung geeignet war. Anscheinend war sie das, den er keuchte glucksend auf und bewegte die Hüften, während er meine Hand fest an sich presste.
»Mach das noch einmal, Kleine, dann vergesse ich die Musketenkugel«, sagte er.
Ich entriss ihm meine Hand.
»Später vielleicht«, sagte ich ironisch. Ich bewegte meine Hand aufwärts über seinen Körper, bis ich seinen Kopf fand. Dichte Bartstoppeln verrieten mir, dass ich mein Ziel erreicht hatte, und ich tastete unter dem Gestrüpp nach dem Puls in seinem Hals. Schnell und leicht, aber noch ziemlich regelmäßig. Seine Stirn war schweißüberströmt, obwohl sich seine Haut klamm anfühlte. Ich streifte seine Nasenspitze; sie war kalt von der Luft im Freien.
»Schade, dass ich kein Hund bin«, sagte er und lachte leise zwischen den keuchenden Atemzügen. »Kalte Nase … wäre ein gutes Zeichen.«
»Es wäre ein noch besseres Zeichen, wenn du aufhören würdest zu reden«, sagte ich. »Wo hat dich die Kugel erwischt? Nein, sag es mir nicht, nimm meine Hand und leg sie auf die Wunde … und wenn du sie irgendwo anders hinlegst, Rupert MacKenzie, kannst du hier gerne sterben wie ein Hund.«
Ich konnte spüren, wie seine breite Brust unter meiner Hand vor unterdrücktem Lachen bebte. Er zog meine Hand langsam unter sein Plaid, und ich schob den hinderlichen Stoff mit der anderen Hand beiseite.
»Gut. Ich habe es gefunden«, flüsterte ich. Ich konnte das kleine Loch in seinem Hemd spüren, dessen Ränder feucht vom Blut waren, und ich fasste mit beiden Händen danach und riss es auf. Ich strich ihm ganz leicht mit den Fingern über die Seite und spürte erst die Gänsehaut unter ihnen, dann das Löchlein der Eintrittswunde. Es schien mir bemerkenswert klein zu sein, verglichen mit Ruperts Körpermasse; er war schließlich ein kräftiger Mann.
»Ist sie irgendwo wieder herausgekommen?«, flüsterte ich. Im Inneren der Kirche war es still, bis auf das Pferd, das sich unruhig in seiner Ecke bewegte. Durch die geschlossene Tür waren die Geräusche der Schlacht im Freien zwar noch zu hören, doch sie waren diffus; es war unmöglich zu sagen, wie weit sie entfernt waren.
»Nein«, sagte er und hustete erneut. Ich konnte spüren, wie er die Hand an seinen Mund hob, und ich folgte ihr mit einem Zipfel seines Plaids. Weiter würden sich meine Augen vermutlich nicht an die Dunkelheit gewöhnen, aber er war nach wie vor nicht mehr als ein rundlicher Umriss vor mir auf dem Boden. Für manche Dinge jedoch reichte der Tastsinn aus. Zwar blutete es an der Eintrittswunde kaum, doch der Stoff, den ich ihm an den Mund hielt, tränkte meine Hand mit plötzlicher feuchter Wärme.
Die Kugel war ihm mindestens durch eine Lunge gedrungen, möglicherweise auch durch beide, und sein Brustkorb war dabei, sich mit Blut zu füllen. Er konnte in diesem Zustand ein paar Stunden überdauern, einen Tag vielleicht, wenn eine Lunge noch funktionierte. Wenn der Herzbeutel verletzt war, würde es schneller gehen. Doch retten konnte ihn nur eine Operation, und zwar von einer Sorte, die ich nicht durchführen konnte.
Ich konnte einen warmen Körper hinter mir spüren und hörte normale Atmung, als sich jemand auf mich zutastete. Ich griff hinter mich, und jemand packte meine Hand. Dougal MacKenzie.
Er kam ganz an meine Seite und legte Rupert die Hand auf den Körper.
»Wie ist es, Mann?«, fragte er leise. »Kannst du laufen?« Meine andere Hand, die noch auf Rupert lag, spürte sein Kopfschütteln als Antwort auf Dougals Frage. Die Männer hinter uns in der Kirche hatten angefangen, sich flüsternd zu unterhalten.
Dougals Hand drückte mir auf die Schulter.
»Was brauchst du, um ihm zu helfen? Deine Kiste? Ist sie auf dem Pferd?« Er stand schon, ehe ich ihm sagen konnte, dass es in der Kiste nichts gab, was Rupert helfen konnte.
Ein plötzliches lautes Knacken vom Altar ließ das Flüstern verstummen, und überall hörte ich Bewegung, als die Männer nach ihren abgelegten Waffen griffen. Noch ein Knacken, dann riss etwas, und das Öltuch vor dem Fenster wich der hereinströmenden kalten, klaren Luft und ein paar wirbelnden Schneeflocken.