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Einen Moment stand der MacKenzie reglos da, die Augen geschlossen, die Hände um den Griff seines Dolches geklammert. Dann erhob sich Jamie, nahm ihn bei den Schultern und wandte ihn ab, während er leise etwas auf Gälisch sagte. Jamie sah mich an, und ich nickte und streckte die Arme aus. Er drehte Dougal sanft zu mir hin, und ich zog ihn an mich. Dann hockten wir beide am Boden, und ich hielt ihn in den Armen, während er weinte.

Auch Jamies Gesicht war tränenüberströmt, und ich konnte das seufzende Schluchzen der anderen hören. Wenn die Engländer uns hier festnahmen, drohte uns allen der Tod des Hochverräters. Es war einfacher, um Rupert zu trauern, der es hinter sich hatte, durch einen Freund auf den letzten Weg geschickt.

Doch während der ganzen langen Winternacht kamen sie nicht. Wir saßen zusammengekauert an der Wand unter Plaids und Umhängen und warteten. An Jamies Schulter gelehnt, döste ich immer wieder ein, während Dougal schweigend auf meiner anderen Seite hockte. Ich glaubte, dass keiner von ihnen schlief, sondern dass sie die Nacht hindurch über Ruperts Leichnam wachten, der still auf der anderen Seite der Kirche unter seinem Plaid lag – auf der anderen Seite des Abgrunds, der die Toten von den Lebenden trennt.

Wir sprachen nicht viel, doch ich wusste, was sie dachten. Genau wie ich fragten sie sich, ob sich die englischen Soldaten zurückgezogen hatten, um sich am Callendar House wieder mit der eigentlichen Armee zu vereinen, oder ob sie immer noch draußen aufpassten, dass niemand im Schutz der Dunkelheit aus dem Kirchlein entwischte, und auf das Morgengrauen warteten, ehe sie tätig wurden.

Mit dem Licht kam auch die Antwort.

»Hallo, in der Kirche! Kommt heraus und ergebt Euch!«, erklang eine kräftige englische Stimme von unterhalb.

Es kam Bewegung in die Männer in der Kirche, und das Pferd, das dösend in der Ecke gestanden hatte, riss erschrocken schnaubend den Kopf hoch. Jamie und Dougal wechselten einen Blick, dann erhoben sie sich, als hätten sie es gemeinsam geplant, und stellten sich Schulter an Schulter vor die geschlossene Tür. Jamie wies mit einem Ruck seines Kopfes in meine Richtung, und ich zog mich wieder an die Rückseite der Kirche zurück, hinter den schützenden Altar.

Ein weiterer Ruf von außen wurde ebenfalls schweigend aufgenommen. Jamie zog die Steinschlosspistole aus seinem Gürtel und prüfte beiläufig die Ladung, als hätte er alle Zeit der Welt. Er ließ sich auf ein Knie sinken und stützte die Pistole auf seinen Arm, so dass sie auf der Höhe eines Menschenkopfes auf die Tür zielte.

Geordie und Willie bewachten das Fenster an der Rückseite mit gezogenen Pistolen und Schwertern. Doch es war wahrscheinlicher, dass ein Angriff von der Vorderseite erfolgen würde; hinter der Kirche stieg der Hügel steil bergan, und zwischen Hang und Kirchenmauer war kaum genug Platz für einen Menschen.

Ich hörte Schritte, die im Schlamm auf die Tür zukamen, und leises Waffengeklirr. In einigem Abstand verstummten die Geräusche, und wieder ertönte die Stimme, näher und lauter.

»Im Namen Seiner Majestät, König George, kommt heraus und ergebt Euch! Wir wissen, dass Ihr da seid!«

Jamie feuerte. Das Echo im Inneren der kleinen Kirche war ohrenbetäubend. Auch für die Außenstehenden muss es beeindruckend geklungen haben; ich hörte die hastigen Geräusche eines rutschenden Rückzugs, begleitet von gedämpften Flüchen. Die Kirchentür hatte ein kleines Loch von der Kugel; Dougal schlich darauf zu und blickte hinaus.

»Verdammt«, murmelte er. »Es sind ziemlich viele.«

Jamie warf mir einen Blick zu, dann spannte er den Mund an und konzentrierte sich darauf, seine Pistole neu zu laden. Die Schotten hatten eindeutig nicht vor, sich zu ergeben. Genauso eindeutig waren die Engländer nicht darauf versessen, die Kirche zu stürmen, da sich ihre Eingänge leicht verteidigen ließen. Sie hatten doch nicht vor, uns auszuhungern? Gewiss würde die Highland-Armee Männer auf die Suche nach den Verletzten der Schlacht des Vorabends schicken. Wenn sie eintrafen, ehe die Engländer eine Kanone auf die Kirche richten konnten, war Rettung vielleicht möglich.

Unglücklicherweise war draußen ein kluger Kopf zugange. Wieder hörten wir Schritte und dann eine gemessene englische Stimme voll Autorität.

»Ihr habt eine Minute, herauszukommen und Euch zu ergeben«, sagte sie, »sonst stecken wir das Dach in Brand.«

Völlig entsetzt hob ich den Blick. Die Mauern der Kirche waren zwar aus Stein, doch das Rietdach würde sofort Feuer fangen, selbst von Regen und Eis durchtränkt, und wenn es einmal brannte, würde es Flammen und qualmende Glut auf uns regnen. Ich erinnerte mich noch, wie furchtbar schnell die Fackel aus verdrehtem Riet gestern Abend abgebrannt war; ihr verkohlter Überrest lag neben Ruperts verhüllter Leiche auf dem Boden, Spur des Schreckens im Morgengrauen.

»Nein!«, schrie ich. »Ihr Schufte! Das ist eine Kirche! Habt Ihr denn noch nie von Kirchenasyl gehört?«

»Wer ist da?«, kam die scharfe Stimme von draußen. »Ist da eine Engländerin in der Kirche?!«

»Ja!«, rief Dougal und sprang zur Tür. Er öffnete sie einen Spaltbreit und brüllte den englischen Soldaten unten auf dem Hügel zu: »Ja! Wir haben eine Engländerin als Geisel! Wenn Ihr das Dach anzündet, stirbt die mit uns!«

Am Fuß des Hügels erhob sich Stimmengewirr, und die Männer in der Kirche wurden plötzlich wach. Jamie fuhr mit finsterer Miene zu Dougal herum und sagte: »Was …!«

»Es ist die einzige Chance!«, gab Dougal zischend zurück. »Wir überlassen sie ihnen im Tausch gegen unsere Freiheit. Sie werden ihr nichts tun, wenn sie glauben, dass sie unsere Geisel ist, und wir holen sie später zurück, sobald wir frei sind!«

Ich kam aus meinem Versteck hervor, trat zu Jamie und nahm ihn beim Ärmel.

»Tu es!«, drängte ich. »Dougal hat recht, es ist die einzige Chance!«

Er blickte hilflos auf mich hinunter, und Wut und Angst vermischten sich in seinem Gesicht. Und unter alldem eine Spur von Humor angesichts der Ironie der gesamten Situation.

»Ich bin schließlich eine Sassenach«, sagte ich, denn ich sah sie ebenfalls.

Mit einem reumütigen Lächeln berührte er flüchtig mein Gesicht.

»Aye, a nighean donn. Aber du bist meine Sassenach.« Er wandte sich Dougal zu und richtete sich auf. Dann holte er tief Luft und nickte.

»Also schön. Sag ihnen, wir haben sie«, er überlegte schnell und fuhr sich mit der Hand durch das Haar, »gestern Abend auf der Straße nach Falkirk erwischt.«

Dougal nickte, und ohne weiter abzuwarten, schlüpfte er aus der Kirchentür und hielt sich ein weißes Taschentuch als Parlamentärsflagge über den Kopf.

Jamie sah mich stirnrunzelnd an, dann wandte er sich der Kirchentür zu, hinter der immer noch englische Stimmen erklangen, auch wenn wir keine Worte ausmachen konnten.

»Ich weiß nicht, was du ihnen am besten erzählst, Claire; vielleicht stellst du dich so schockiert, dass du nicht darüber reden kannst. Das ist besser, als ihnen ein Märchen zu erzählen, denn wenn ihnen klar wird, wer du bist …« Er hielt plötzlich inne und rieb sich das Gesicht.

Wenn ihnen klar wurde, wer ich war, bedeutete das London und den Tower – höchstwahrscheinlich gefolgt von einer zügigen Exekution. Doch die Flugblätter hatten sich zwar ausführlich über »Die Stuart-Hexe« ausgelassen, aber soweit ich wusste, hatte niemand begriffen oder gedruckt, dass die Hexe Engländerin war.

»Keine Sorge«, sagte ich. Mir war bewusst, was für ein alberner Satz das war, doch etwas Klügeres fiel mir nicht ein. Ich legte ihm die Hand auf den Ärmel und spürte den raschen Puls in seinem Handgelenk. »Du holst mich zurück, ehe sie dazu kommen, irgendetwas zu merken. Glaubst du, sie bringen mich zum Callendar House?«

Er nickte und hatte sich wieder im Griff. »Aye, ich glaube schon. Wenn du kannst, versuch, dich kurz nach Anbruch der Dunkelheit allein an einem Fenster aufzuhalten. Dann hole ich dich.«

Für mehr war keine Zeit. Dougal glitt wieder durch die Tür und schloss sie sorgfältig hinter sich.