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»Mutter, ich finde wirklich, du solltest nach oben gehen und dich hinlegen.« Sie erhob sich halb von ihrem Sessel. »Ich könnte Fiona holen …«

Roger legte ihr die Hand auf den Arm, um sie aufzuhalten.

»Nein, warte.« Er sah mich mit dieser Art unterdrückter Neugier an, die Wissenschaftler an den Tag legen, wenn sie einen neuen Objektträger unter das Mikroskop schieben. »Erzähl weiter«, sagte er zu mir.

»Danke«, sagte ich trocken. »Keine Sorge, ich werde nicht anfangen, über Elfen zu fantasieren; ich dachte nur, du wüsstest vielleicht gern, dass die Legenden einen wahren Kern haben. Ich habe keine Ahnung, was sich tatsächlich da oben befindet oder wie es funktioniert, doch es ist so …« Ich holte tief Luft. »Es ist so, dass ich 1946 durch einen verflixten gespaltenen Stein in diesem Kreis geschritten bin und ein Stück tiefer auf dem Hang im Jahr 1743 rausgekommen bin.«

Genau so hatte ich es Frank gesagt. Er hatte mich einen Moment lang wütend angestarrt, eine Blumenvase von meinem Nachttisch ergriffen und sie zu Boden geschleudert.

Roger sah aus wie ein Wissenschaftler, dessen neue Mikrobe sich als das große Los entpuppt hat. Ich fragte mich zwar, warum, war aber zu sehr damit beschäftigt, um Worte zu ringen, die einigermaßen luzide klangen.

»Der erste Mensch, dem ich begegnet bin, war ein englischer Dragoner in voller Montur«, sagte ich. »Was mich schon auf die Idee gebracht hat, dass irgendetwas nicht stimmte.«

Rogers Gesicht wurde von einem plötzlichen Lächeln erhellt, doch Briannas Miene blieb entsetzt. »Das kann ich mir vorstellen«, sagte er.

»Das Problem war, dass ich nicht zurückkonnte.« Ich hatte das Gefühl, dass es besser war, wenn ich Roger ansprach, der zumindest geneigt schien, mir zuzuhören, ob er mir nun glaubte oder nicht.

»Es war damals nicht üblich, dass eine Dame ohne Begleitung unterwegs war, erst recht nicht mit einem bedruckten Sommerkleid und flachen Halbschuhen«, erklärte ich. »Jeder, dem ich begegnet bin, angefangen mit diesem Dragonerhauptmann, wusste, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte – aber sie wussten nicht, was. Wie auch? Ich konnte es ja damals auch nicht besser erklären als jetzt – und die Irrenhäuser waren in dieser Zeit noch unangenehmer als heute. Da wurden keine Körbe geflochten«, versuchte ich es mit einem Scherz. Es war kein großer Erfolg; Brianna verzog das Gesicht und sah noch besorgter aus als vorher.

»Dieser Dragoner«, sagte ich, und ein Schauder durchfuhr mich bei der Erinnerung an Jonathan Wolverton Randall, Hauptmann des Achten Dragonerregiments Seiner Majestät. »Erst dachte ich, ich hätte eine Halluzination, weil der Mann Frank so ähnlich sah; auf den ersten Blick habe ich gedacht, er wäre es.« Ich warf einen Blick zum Tisch, wo eines von Franks Büchern lag – mit diesem Einbandfoto eines dunkelhaarigen, gutaussehenden Mannes mit einem schmalen Gesicht.

»Was für ein Zufall«, sagte Roger. Seine Augen waren hellwach auf die meinen gerichtet.

»Nun, ja und nein«, sagte ich und zwang mich, den Blick von den Büchern loszureißen. »Ihr wisst ja, dass er Franks Vorfahr war. Die Männer in dieser Familie sind sich alle sehr ähnlich – zumindest körperlich«, fügte ich hinzu, weil ich an die deutlichen nicht-körperlichen Unterschiede denken musste.

»Wie – wie ist er denn gewesen?« Brianna schien sich zumindest ein wenig aus ihrer Betäubung zu lösen.

»Er war ein perverser Widerling«, sagte ich. Zwei Augenpaare weiteten sich abrupt und sahen einander mit identischen Mienen der Bestürzung an.

»Ihr braucht gar nicht so zu schauen«, sagte ich. »Im achtzehnten Jahrhundert gab es schon Perverse; sie sind schließlich nichts Neues. Nur ist es damals möglicherweise schlimmer gewesen, weil sich eigentlich niemand dafür interessiert hat, solange es nicht auffiel und an der Oberfläche weiter Anstand herrschte. Und Black Jack Randall war Soldat; er hatte das Kommando über eine Garnison in den Highlands und den Auftrag, unter den Clans für Ruhe zu sorgen. Er hatte beträchtlichen Spielraum für seine Umtriebe, alles mit offiziellem Segen.« Ich trank einen kräftigenden Schluck Whisky aus dem Glas, das ich nach wie vor in der Hand hatte.

»Er hat es genossen, Menschen weh zu tun«, sagte ich. »Sehr genossen.«

»Hat er … dir weh getan?« Roger stellte seine Frage mit großer Vorsicht nach einer merklichen Pause. Brianna schien sich in sich selbst zurückzuziehen, und die Haut spannte sich fester über ihre Wangenknochen.

»Nicht direkt. Zumindest nicht sehr.« Ich schüttelte den Kopf und spürte eine kalte Stelle in meiner Magengrube, die der Whisky nicht auftauen konnte. Jack Randall hatte mir einen Fausthieb an diese Stelle versetzt. In meiner Erinnerung spürte ich ihn wie den Schmerz einer längst verheilten Wunde.

»Seine Vorlieben waren recht vielseitig. Aber es war Jamie, den er … wollte.« Unter keinen Umständen hätte ich das Wort »liebte« benutzt. Ich hatte einen Kloß im Hals und trank die letzten Tropfen Whisky. Roger hob die Karaffe und zog fragend die Augenbraue hoch, und ich hielt ihm nickend mein Glas entgegen.

»Jamie. Jamie Fraser? Und er war …«

»Er war mein Mann«, sagte ich.

Brianna schüttelte den Kopf wie ein Pferd, das Fliegen vertreibt.

»Aber du hattest doch einen Mann«, sagte sie. »Du konntest doch … selbst wenn … ich meine … das konntest du doch gar nicht.«

»Ich musste es tun«, sagte ich tonlos. »Es war bestimmt keine Absicht.«

»Mutter, eine Heirat passiert einem doch nicht einfach so!« Brianna verlor jetzt diesen Ton einer liebenswürdigen Krankenschwester, die es mit einer Irren zu tun hat. Ich ging davon aus, dass das gut war, auch wenn Wut die Alternative war.

»Nun, es ist ja auch nicht einfach so passiert«, sagte ich. »Aber es war die beste Alternative dazu, Black Jack Randall ausgeliefert zu werden. Jamie hat mich geheiratet, um mich zu beschützen – und das war verdammt großzügig von ihm«, schloss ich und funkelte Brianna über mein Glas hinweg an. »Er hätte es nicht tun müssen, aber er hat es getan.«

Ich kämpfte gegen die Erinnerung an unsere Hochzeitsnacht an. Es war sein erstes Mal gewesen; seine Hände hatten gezittert, als er mich berührte. Auch ich hatte Angst gehabt – und viel mehr Grund dazu. Und im Morgengrauen hatte er mich festgehalten, nackter Rücken an bloßer Brust, seine Oberschenkel warm und kräftig hinter den meinen, und mir in die Wolken meines Haars gemurmelt: »Hab keine Angst. Wir sind jetzt zu zweit.«

Ich wandte mich wieder an Roger. »Ich konnte doch nicht zurück. Ich war auf der Flucht vor Hauptmann Randall, als mich die Schotten gefunden haben. Sie waren Viehdiebe. Jamie war bei ihnen; sie waren Verwandte seiner Mutter, die MacKenzies aus Leoch. Sie wussten nicht, was sie von mir halten sollten, aber sie haben mich als Gefangene mitgenommen. Und ich konnte ihnen nicht entwischen.«

Ich dachte an meine misslungenen Fluchtversuche aus Leoch. Und dann an den Tag, an dem ich Jamie die Wahrheit erzählt hatte. Er hatte mir zwar auch nicht mehr geglaubt als Frank, war aber zumindest bereit gewesen, so zu tun – und hatte mich zu dem Hügel und den Steinen zurückgebracht.

»Er hat gedacht, ich wäre vielleicht eine Hexe«, sagte ich mit geschlossenen Augen und lächelte schwach bei diesem Gedanken. »Heutzutage halten sie einen für verrückt; damals hielten sie einen für eine Hexe. Alles eine Frage des kulturellen Umfelds«, erklärte ich und öffnete die Augen. »Psychologie ist nur das Wort, das man heute anstelle von Magie benutzt. Aber der Unterschied ist nicht besonders groß.« Roger, der ein wenig verdattert zu sein schien, nickte.

»Sie haben mir als Hexe den Prozess gemacht«, sagte ich. »In Cranesmuir, einem Dorf gleich unterhalb der Burg. Aber Jamie hat mich gerettet, und dann habe ich es ihm erzählt. Und er hat mich zu dem Hügel gebracht und gesagt, ich sollte zurückgehen. Zurück zu Frank.« Ich hielt inne und holte tief Luft, während ich mich an jenen Nachmittag im Oktober erinnerte, an dem mir die Kontrolle über mein Schicksal, die mir so lange geraubt gewesen war, plötzlich wieder in die Hand gelegt wurde und mir die Wahl nicht gelassen, sondern abverlangt wurde.