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Korporal Rowbotham hatte die Geschichten mit Sicherheit ebenfalls gehört, doch er verhielt sich weiter freundlich, nicht wie die anderen Soldaten, die ich hin und wieder mit einer Miene spöttischer Spekulation überraschte. Wäre ich ein Mensch gewesen, der vor dem Schlafengehen betete, so hätte ich seinen Namen in meine Gebete eingeschlossen.

Ich erhob mich, schlug mir den Staub von meinem Umhang und ging zu meinem Zelt. Korporal Rowbotham, der mich gehen sah, erhob sich ebenfalls. Diskret umrundete er das Feuer und setzte sich wieder zu seinen Kameraden, so dass sich sein Rücken zwischen ihnen und dem Eingang meines Zeltes befand. Ich wusste, dass er sich einen Schlafplatz in respektvollem Abstand, aber in Rufweite suchen würde, wenn sich die anderen schlafen legten. Das hatte er an den letzten drei Abenden auch getan, ob wir in einem Gasthaus schliefen oder unter freiem Himmel.

Drei Nächte zuvor hatte ich noch einmal einen Fluchtversuch unternommen. Hauptmann Mainwaring wusste genau, dass ich ihn unter Zwang begleitete, und er war zwar nicht begeistert darüber, mich aufgebürdet bekommen zu haben, doch er war ein viel zu gewissenhafter Soldat, um seine Verantwortung auf die leichte Schulter zu nehmen. Ich hatte zwei Bewacher, die mich nicht aus den Augen ließen und tagsüber rechts und links von mir ritten.

Nachts entspannten sich die Wachen, da der Hauptmann es wohl für unwahrscheinlich hielt, dass ich mich zu Fuß mitten im Winter über menschenleere Moore davonmachen würde. Der Hauptmann hatte recht. Ich hatte kein Interesse daran, Selbstmord zu begehen.

An dem fraglichen Abend jedoch hatten wir etwa zwei Stunden, ehe wir unser Lager aufschlugen, ein kleines Dorf durchquert. Ich war mir sicher, dass ich unsere Spur auch zu Fuß zurückverfolgen und das Dorf vor dem Morgengrauen erreichen konnte. In dem Dorf gab es eine kleine Destillerie, von der aus sich mit Fässern beladene Wagen in die umliegenden Ortschaften aufmachten. Ich hatte die Berge von Fässern auf dem Hof gesehen und glaubte, mich dort verstecken und mit dem ersten Wagen aufbrechen zu können.

Nachdem es also im Lager still geworden war und die Soldaten schnarchend um das Feuer lagen, war ich aus meiner Decke herausgekrochen, die ich mit Bedacht an den Rand eines Weidenwäldchens gelegt hatte, und hatte mich durch die tiefhängenden Wedel geschoben, leise wie der raschelnde Wind.

Am anderen Ende des Wäldchens hatte ich immer noch geglaubt, was hinter mir raschelte, wäre der Wind, bis sich eine Hand um meine Schulter schloss.

»Nicht schreien. Ihr wollt doch nicht, dass der Hauptmann hört, dass Ihr unerlaubt hier draußen seid.« Ich schrie auch nicht, aber nur, weil mir der Schreck den Atem verschlagen hatte. Der Soldat, ein hochgewachsener Mann, den seine Kameraden »Jessie« nannten, weil er sich die blonden Locken stets mit großer Sorgfalt kämmte, lächelte mich an, und ich lächelte etwas unsicher zurück.

Sein Blick senkte sich auf meinen Busen. Er seufzte, sah mir wieder in die Augen und trat einen Schritt auf mich zu. Ich trat drei Schritte zurück, und zwar schnell.

»Eigentlich spielt es doch keine Rolle, oder, Schätzchen?«, sagte er und lächelte mich immer noch lässig an. »Nicht nach allem, was schon passiert ist. Was bedeutet da schon einer mehr, wie? Außerdem bin ich Engländer«, sagte er schmeichelnd. »Kein dreckiger Schotte.«

»Lass die arme Frau in Ruhe, Jess«, sagte Korporal Rowbotham, der jetzt lautlos aus den tiefhängenden Weiden trat. »Sie hat schon genug hinter sich.« Er sprach leise, doch Jessie funkelte ihn an. Dann überlegte er es sich anscheinend anders, wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und verschwand im Weidengeäst.

Der Korporal hatte wortlos gewartet, bis ich meinen zu Boden gefallenen Umhang wieder aufgehoben hatte, und war mir zurück ins Lager gefolgt. Er hatte seine Decke geholt, mich mit einer Geste angewiesen, mich hinzulegen, und sich zwei Meter neben mich gesetzt, die Decke wie ein Indianer auf den Schultern. Wann immer ich im Lauf der Nacht erwachte, hatte ich ihn dort sitzen und kurzsichtig in das Feuer blicken gesehen.

In Tavistock gab es tatsächlich ein Gasthaus. Ich hatte allerdings nicht viel Zeit, seine Annehmlichkeiten zu genießen. Wir erreichten die Ortschaft gegen Mittag, und Hauptmann Mainwaring brach augenblicklich auf, um seine jüngsten Depeschen auszuliefern. Doch nach einer Stunde kam er zurück und sagte mir, ich sollte meinen Umhang holen.

»Warum?«, fragte ich verwirrt. »Wohin gehen wir?«

Er sah mich gleichgültig an und sagte: »Bellhurst Manor.«

»Aha«, sagte ich. Zumindest klang es eindrucksvoller als meine gegenwärtige Umgebung, die mit mehreren Soldaten aufwartete, die auf dem Fußboden würfelten, einem verlausten Köter, der am Feuer schlief, und kräftigem Hopfengeruch.

Das Herrenhaus strafte die natürliche Schönheit seines Standortes Lügen, indem es den offenen Wiesen hartnäckig den Rücken zukehrte und stattdessen die kahlen Felsen ansah.

Die Auffahrt war gerade, kurz und schmucklos, ganz anders als die hübschen geschwungenen Wege, die auf französische Herrenhäuser zuführten. Doch der Eingang war von zwei nüchternen Steinsäulen eingerahmt, die das Wappen des Eigentümers trugen. Eine schlafende Katze – möglicherweise ein Leopard – mit einer Lilie in der Pfote. Ich wusste genau, dass ich es schon einmal gesehen hatte. Doch wo?

In der Nähe der Pforte regte sich etwas im langen Gras, und mein Blick fiel flüchtig auf zwei hellblaue Augen, als ein Lumpenbündel vor den Hufen des Pferdes in den Schatten davonhuschte. Auch der zerlumpte Bettler kam mir irgendwie bekannt vor. Vielleicht hatte ich ja auch einfach nur Halluzinationen und griff nach jedem Strohhalm, der mich nicht an englische Soldaten erinnerte.

Die Eskorte wartete vor der Eingangstür, ohne abzusteigen, während ich mit Hauptmann Mainwaring die Stufen emporstieg und wartete, während er an die Tür hämmerte. Ich fragte mich sehr, was sich auf der anderen Seite befinden mochte.

»Mrs. Beauchamp?« Der Butler, wenn er das denn war, sah aus, als erwartete er das Schlimmste. Da hatte er gewiss recht.

»Ja«, sagte ich. »Äh, wessen Haus ist das?«

Doch noch während ich diese Frage stellte, hob ich den Kopf und blickte in das Zwielicht der Eingangshalle. Dort starrte mir ein Gesicht mit großen, erschrockenen Rehaugen entgegen.

Mary Hawkins.

Das Mädchen öffnete den Mund, und ich tat es ihr nach. Und schrie, so laut ich konnte. Der Butler, der darauf nicht vorbereitet war, trat einen Schritt zurück, stolperte über eine Bank und kippte zur Seite wie ein Kegel. Ich konnte die verblüfften Stimmen der Soldaten hören, die draußen die Treppe heraufkamen.

Ich raffte meine Röcke, kreischte »Eine Maus! Eine Maus!« und flüchtete schreiend auf den Salon zu.

Angesteckt von meiner scheinbaren Hysterie, fiel Mary in das Kreischen ein und klammerte sich an meiner Taille fest, als ich mit ihr zusammenprallte. Ich schob sie vor mir her in den Salon und packte sie bei den Schultern.

»Sag niemandem, wer ich bin«, hauchte ich ihr in das Ohr. »Niemandem! Mein Leben hängt davon ab!« Eigentlich fand ich meine Worte theatralisch, doch während ich sie sprach, kam mir der Gedanke, dass es möglicherweise exakt die Wahrheit war. Mit dem Roten Jamie Fraser verheiratet zu sein, war vermutlich eine knifflige Sache.

Mary konnte nur benommen nicken, ehe sich die Tür am anderen Ende des Zimmers öffnete und ein Mann eintrat.

»Was ist das für ein fürchterlicher Lärm, Mary?«, wollte er wissen. Er war ein untersetzter Mann mit einer selbstgefälligen Miene und dem festen Kinn und den zufrieden geschlossenen Lippen eines Mannes, der deshalb so selbstgefällig ist, weil er im Allgemeinen seinen Willen bekommt.

»N-Nichts, Papa«, stotterte Mary nervös. »Nur eine M-M-Maus.«

Der Baronet schloss angestrengt die Augen und holte tief Luft, als ränge er um Geduld. Als er etwas Ähnliches erreicht hatte, öffnete er sie wieder und betrachtete seine Tochter.