»Sag es noch einmal, Kind«, ordnete er an. »Aber richtig. Ich möchte nicht, dass du hier herumstammelst. Hol tief Luft, konzentriere dich. Jetzt. Noch einmal.«
Mary holte gehorsam Luft, bis sich die Schnüre ihres Mieders über ihrer knospenden Brust anspannten. Ihre Finger gruben sich auf der Suche nach Unterstützung in den Seidenbrokat ihres Rockes.
»Es w-war eine Maus, Papa. Mrs. Fr … äh, diese Dame hat sich vor einer Maus erschrocken.«
Der Baronet tat diesen Versuch als hinlänglich zufriedenstellend ab und trat vor, um mich neugierig zu betrachten.
»Oh? Und wer seid Ihr, Madam?«
Hauptmann Mainwaring, der nach der Suche nach der mythischen Maus jetzt etwas verspätet eintraf, trat an meine Seite und stellte mich vor. Auch Oberst MacLeishs Schreiben reichte er weiter.
»Hm. Anscheinend wird Seine Durchlaucht also Euer Gastgeber sein, zumindest vorübergehend.« Er reichte dem wartenden Butler den Brief und nahm den Hut, den dieser von einem Ständer gehoben hatte.
»Ich bedaure, dass unsere Bekanntschaft nur so kurz sein kann, Mrs. Beauchamp. Ich war gerade im Aufbruch begriffen.« Er blickte sich nach einer kleinen Treppe um, die von der Eingangshalle abging und die der Butler mit wiederhergestellter Würde bereits erklomm. Dabei trug er die schmierige Note auf einem Silbertablett vor sich her. »Wie ich sehe, ist Walmisley bereits unterwegs, um Seine Durchlaucht von Eurem Eintreffen zu unterrichten. Ich muss gehen, sonst versäume ich die Postkutsche. Adieu, Mrs. Beauchamp.«
Er wandte sich an Mary, die sich an der hölzernen Wandverkleidung herumdrückte.
»Leb wohl, meine Tochter. Versuch doch bitte … nun ja.« Seine Mundwinkel hoben sich zu etwas, das als väterliches Lächeln gedacht war. »Leb wohl, Mary.«
»Leb wohl, Papa«, murmelte sie und blickte zu Boden. Ich ließ meinen Blick von der Tochter zum Vater schweifen. Was in aller Welt machte ausgerechnet Mary Hawkins hier? Anscheinend wohnte sie im Haus; der Besitzer musste also ein Bekannter ihrer Familie sein.
»Mrs. Beauchamp?« Ein kleiner, rundlicher Hausdiener verneigte sich vor mir. »Seine Durchlaucht erwartet Euch, Madam.«
Marys Hände klammerten sich an meinen Ärmel, als ich mich abwandte, um dem Bediensteten zu folgen.
»Ab-Ab-Aber …«, begann sie. Ich war so nervös, dass ich nicht glaubte, genügend Geduld aufbringen zu können, um ihr zuzuhören. Ich lächelte vage und tätschelte ihr die Hand.
»Jaja«, sagte ich. »Keine Sorge, es wird alles gut.«
»Ab-Aber es ist mein …«
Der Diener verbeugte sich und drückte eine Tür am Ende des Korridors auf. Im Inneren ergoss sich Licht auf herrlichen Brokat und glänzendes Holz. Der Sessel, den ich auf der einen Seite sehen konnte, war auf dem Rücken mit dem Familienwappen bestickt; eine deutlichere Version des verwitterten Steinschildes, den ich im Freien gesehen hatte.
Ein schlafender Leopard, der ein Sträußchen Lilien in der Pfote hielt – oder waren es Krokusse? Alarmglocken schrillten in meinem Kopf, als sich der Insasse erhob, um sich umzuwenden, und seinen Schatten auf den Eingang warf. Mary brachte ihr letztes gequältes Wort im selben Moment heraus, in dem der Hausdiener seinen Herrn ankündigte.
»Mein P-P-Patenonkel!«, sagte sie.
»Seine Durchlaucht, der Herzog von Sandringham«, sagte der Diener.
»Mrs. … Beauchamp«, sagte der Herzog, dem vor Erstaunen der Mund aufklappte.
»Nun ja«, sagte ich schwach. »Oder so ähnlich.«
Die Tür des Wohnzimmers schloss sich hinter mir, und ich blieb allein mit dem Herzog zurück. Das Letzte, was ich von Mary sah, war, wie sie mit Augen wie Untertassen draußen im Flur stand und lautlos den Mund öffnete und wieder schloss wie ein Goldfisch.
Die Fenster waren von riesigen chinesischen Vasen flankiert, unter denen herrliche Intarsientischchen standen. Eine bronzene Venus posierte kokett auf dem Kaminsims, begleitet von zwei goldgeränderten Porzellanschüsseln und silbernen Kandelabern, in denen Bienenwachskerzen brannten. Ein kurzfloriger Teppich, den ich als außerordentlich guten Kermanshah identifizierte, bedeckte den Großteil des Bodens, und in der Ecke hockte ein Spinett; das bisschen Platz, das noch übrig war, wurde von zierlichen Holzmöbeln und der einen oder anderen Statue eingenommen.
»Hübsch habt Ihr es hier«, bemerkte ich großmütig an den Herzog gewandt, der vor dem Feuer stand und die Hände unter dem Rockschoß gefaltet hatte, während er mich beobachtete, eine Miene argwöhnischer Belustigung in seinem kräftigen, geröteten Gesicht.
»Danke«, sagte er in dem pfeifenden Tenor, der sich aus dieser kräftigen Brust so seltsam anhörte. »Eure Gegenwart trägt das Ihre dazu bei, meine Liebe.« Die Belustigung besiegte den Argwohn, und er lächelte, ein breites, entwaffnendes Grinsen.
»Warum denn Beauchamp?«, fragte er. »Das ist doch nicht zufällig Euer richtiger Name, oder?«
»Mein Mädchenname«, erwiderte ich so verdattert, dass ich die Wahrheit sagte.
»Dann seid Ihr Französin?«
»Nein, Engländerin. Fraser konnte ich aber wohl nicht nehmen, oder?«
»Ich verstehe.« Mit immer noch hochgezogenen Augenbrauen wies er kopfnickend auf ein kleines Brokatsofa und lud mich zum Sitzen ein. Das Möbelstück war herrlich geschreinert und passte perfekt, ein Museumsstück wie alles andere in diesem Zimmer auch. Ich schlug meine nassen Röcke zur Seite, so anmutig ich es konnte, obwohl sie voller Schlamm und Pferdehaare waren, und ließ mich grazil auf den gelben Satin sinken.
Der Herzog schritt langsam vor dem Kamin hin und her und beobachtete mich immer noch mit einem kleinen Lächeln. Ich kämpfte gegen das zunehmende Gefühl der Wärme und Entspannung an, das sich in meinen schmerzenden Beinen ausbreitete und mich in den Abgrund der Erschöpfung zu reißen drohte, der zu meinen Füßen gähnte. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, in meiner Wachsamkeit nachzulassen.
»Was seid Ihr?«, erkundigte sich der Herzog plötzlich. »Eine englische Geisel, eine fanatische Jakobitin oder eine französische Agentin?«
Ich rieb mit zwei Fingern über die schmerzende Stelle zwischen meinen Augenbrauen. Die korrekte Antwort lautete »Nichts von alldem«, doch ich glaubte nicht, dass sie mir weiterhelfen würde.
»Die Gastfreundschaft dieses Hauses scheint im Gegensatz zu seiner Ausstattung ein wenig zu wünschen übrigzulassen«, sagte ich, so herablassend ich es unter den Umständen zuwege brachte – also nicht übermäßig. Dennoch, Louises Vorbild einer Grande Dame war nicht völlig vergeblich gewesen.
Der Herzog lachte, ein schrilles, kicherndes Lachen wie eine Fledermaus, die gerade einen guten Witz gehört hat.
»Verzeihung, Madame. Ihr habt vollkommen recht. Ich hätte daran denken sollen, Euch etwas anzubieten, ehe ich Euch verhöre. Wie gedankenlos von mir.«
Er murmelte dem Diener etwas zu, der auf sein Klingeln hin erschien, dann wartete er in aller Ruhe vor dem Feuer auf das Eintreffen des Tabletts. Ich saß schweigend da, sah mich im Zimmer um und warf hin und wieder einen verstohlenen Blick auf meinen Gastgeber. Keiner von uns hatte Interesse an harmloser Konversation. Trotz seiner äußerlichen Jovialität war dies nur ein Waffenstillstand, das war uns beiden klar.
Was ich wissen wollte, war, warum. Ich sah mich zwar nicht zum ersten Mal jemandem gegenüber, der sich fragte, wer zum Teufel ich war, doch ich fragte mich doch meinerseits sehr, wo der Herzog tatsächlich stand. Oder was er glaubte, wo ich stand. Zweimal war er mir jetzt als Mrs. Fraser begegnet, der Frau des Herrn von Lallybroch. Jetzt war ich in der Rolle einer englischen Geisel namens Beauchamp vor seiner Tür aufgetaucht, die man vor kurzem vor einer Bande schottischer Jakobiten gerettet hatte. Jeder hätte sich gewundert, was dahintersteckte. Doch was er mir gegenüber an den Tag legte, war weit mehr als simple Neugier.
Der Tee traf ein, komplett mit Scones und Kuchen. Der Herzog griff nach seiner Tasse, wies mit hochgezogener Augenbraue auf die meine, und wir tranken Tee, ohne das Schweigen zu brechen. Irgendwo auf der anderen Seite des Hauses konnte ich gedämpftes Klopfen hören, als ob gehämmert würde. Das leise Klirren der Tasse des Herzogs auf der Untertasse war das Signal für die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten.