Einer der Stallburschen hüpfte nebenher und trug triumphierend eine dicke Lederbrieftasche an einem Riemen vor sich hin. Ich war zu weit oben, um die kleinen Metallornamente an dem Riemen klirren zu hören, doch sie glitzerten im Fackelschein, und vor Entsetzen und Verzweiflung wich mir die Kraft aus den Armen.
Die kleinen Metallgegenstände waren Münzen und Knöpfe. Und Gaberlunzies. Kleine Bleisiegel, die einem Bettler die Genehmigung erteilten, in einer bestimmten Gemeinde um Almosen zu bitten. Hugh Munro besaß vier davon, eine besondere Vergünstigung für das, was er durch die Hände der Türken erlitten hatte. Nicht Jamie, sondern Hugh.
Ich zitterte so heftig, dass mich meine Beine kaum noch trugen, doch ich rannte zur Tür und hämmerte mit aller Kraft dagegen.
»Lasst mich hinaus!«, kreischte ich. »Ich muss den Herzog sprechen! Lasst mich hinaus, sage ich!«
Es kam keine Antwort auf mein fortgesetztes Schreien und Hämmern, und ich hastete wieder zum Fenster. Die Szene unten hätte nicht friedlicher sein können; ein Junge stand mit einer Fackel da und leuchtete einem der Gärtner, der am Rand des Rasens kniete und liebevoll die Grasstücke zurücklegte, die bei dem Kampf umgepflügt worden waren.
»Heh!«, brüllte ich. Dank des Gitters konnte ich das Fenster nicht öffnen. Ich lief durch das Zimmer, um einen der schweren Silberkerzenleuchter zu holen, rannte zurück und schlug eine Glasscheibe ein, ohne auf die fliegenden Scherben zu achten.
»Hilfe! Hallo, da unten! Sagt dem Herzog, ich will ihn sprechen. Sofort! Hilfe!« Ich hatte zwar das Gefühl, dass mir eine der Gestalten den Kopf zuwandte, doch keiner der beiden tat auch nur einen Schritt auf das Haus zu, sondern sie fuhren mit ihrer Arbeit fort, als hätte nur der Ruf eines Nachtvogels die Dunkelheit ringsum gestört.
Wieder rannte ich zur Tür, hämmerte und schrie, und wieder zum Fenster, und wieder zur Tür. Ich rief, flehte und drohte, bis meine Kehle wund und heiser war, und hämmerte gegen die massive Tür, bis meine Fäuste rot und blau wurden, doch es kam niemand. Innen im Flur herrschte dieselbe tiefe Stille wie draußen in der Nacht; die Stille eines Grabs. Die Kontrolle über meine Angst war dahin, und schließlich sank ich an der Tür auf die Knie und schluchzte hemmungslos.
Ich erwachte durchgefroren, steif und mit dröhnenden Kopfschmerzen, weil ich spürte, wie ich über den Boden geschoben wurde. Ich wurde ruckartig wach, weil mich die Unterkante der sich öffnenden Tür mit dem Oberschenkel an den Boden klemmte.
»Au!« Ungeschickt drehte ich mich um, dann rappelte ich mich auf alle viere hoch, und das Haar hing mir ins Gesicht.
»Claire! Oh, sei doch b-bitte still! Liebe, bist du verletzt?« Gestärkter Batist raschelte, als sich Mary neben mir auf die Knie sinken ließ. Hinter ihr schwang die Tür zu, und ich hörte das Schloss über uns klicken.
»Ja – ich meine, nein. Mir fehlt nichts«, sagte ich benommen. »Aber Hugh …« Ich presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. »Was zum Teufel tust du hier, Mary?«
»Ich habe die Haushälterin b-bestochen, damit sie mich hineinlässt«, flüsterte sie. »Musst du so laut sprechen?«
»Es spielt keine große Rolle«, sagte ich in normalem Ton. »Diese Tür ist so dick, dass man höchstens ein Fußballspiel hindurchhören könnte.«
»Ein was?«
»Egal.« Meine Gedanken klärten sich allmählich, obwohl meine Augen verklebt und geschwollen waren und mein Kopf noch immer dröhnte wie eine Pauke. Ich schob mich zum Stehen hoch und stolperte auf die Schüssel zu, um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen.
»Du hast die Haushälterin bestochen?«, sagte ich und wischte mir mit einem Handtuch über das Gesicht. »Aber wir sind doch noch eingesperrt, oder? Ich habe den Schlüssel im Schloss gehört.«
Mary war bleich im schlechten Licht des Zimmers. Die Kerze war erloschen, während ich auf dem Boden schlief, und das einzige Licht kam von der tiefroten Glut der Holzkohle im Kamin. Sie biss sich auf die Unterlippe.
»Mehr k-konnte ich nicht tun. Mrs. Gibson hatte zu viel Angst vor dem Herzog, um mir einen Schlüssel zu geben. Sie war nur einverstanden, mich mit dir einzusperren und mich morgen früh wieder hinauszulassen. Ich dachte, du hättest vielleicht g-gern Gesellschaft«, fügte sie schüchtern hinzu.
»Oh«, sagte ich. »Nun … danke. Das war lieb von dir.« Ich holte eine frische Kerze aus der Schublade und ging zum Kamin, um sie anzuzünden. Der Kerzenhalter war mit dem Wachs der heruntergebrannten Kerze verklumpt; ich goss eine kleine Pfütze aus geschmolzenem Wachs auf die Tischplatte und drückte die frische Kerze hinein, ohne mich an etwaigen Schäden am Mobiliar des Herzogs zu stören.
»Claire«, sagte Mary. »Bist du … bist du in Schwierigkeiten?«
Ich biss mir auf die Lippe, um nicht vorschnell zu antworten. Sie war schließlich erst siebzehn, und ihre politische Ahnungslosigkeit war vermutlich noch größer, als es ihre Unkenntnis in Bezug auf Männer gewesen war.
»Äh, ja«, sagte ich. »In ziemlichen Schwierigkeiten, fürchte ich.« Mein Gehirn funktionierte allmählich wieder. Selbst wenn Mary mir auf der Flucht keine praktische Hilfe sein konnte, so konnte sie mir vielleicht doch zumindest Informationen über ihren Patenonkel und den Alltag seines Haushalts liefern.
»Hast du vorhin den Lärm im Park gehört?«, fragte ich. Sie schüttelte den Kopf. Sie fing jetzt an zu zittern; in einem derart großen Zimmer verlor sich die Hitze des Feuers, lange bevor sie die Plattform mit dem Bett erreichte.
»Nein, aber ich habe gehört, wie eine der Küchenmägde gesagt hat, die Aufseher hätten einen Wilderer im Park erwischt. Es ist furchtbar kalt. Können wir nicht ins Bett gehen?«
Sie krabbelte bereits über die Bettdecke hinweg und grub unter der Matratze nach dem Rand des Lakens. Ihr Hintern malte sich rund und ebenmäßig wie der eines Kindes unter dem weißen Nachthemd ab.
»Das war kein Wilderer«, sagte ich. »Oder er war zwar einer, aber er war auch mein Freund. Er war unterwegs, um Jamie zu suchen und ihm zu sagen, dass ich hier bin. Weißt du, was passiert ist, nachdem sie ihn gefangen haben?« Mary fuhr herum, ihr Gesicht ein weißer Fleck im Schatten des Himmelbetts. Selbst bei diesem Licht konnte ich sehen, dass ihre dunklen Augen riesig geworden waren.
»Oh, Claire! Es tut mir so leid!«
»Nun, mir auch«, sagte ich ungeduldig. »Aber weißt du, wo der Wilderer ist?« Wenn sie Hugh an einem zugänglichen Ort eingesperrt hatten, zum Beispiel im Stall, war es ja vielleicht möglich, dass ihn Mary am Morgen befreite.
Das Zittern ihrer Lippen, das ihr übliches Stottern vergleichsweise verständlich erscheinen ließ, hätte mich warnen sollen. Aber als sie die Worte endlich herausbekam, trafen sie mich mitten ins Herz, scharf und plötzlich wie ein fliegender Dolch.
»S-Sie h-h-haben ihn gehängt«, sagte sie. »An der Pforte zum P-Park.«
Es dauerte eine Weile, bis ich meine Umgebung wieder wahrnehmen konnte. Eine Flut aus Schrecken, Schmerz, Angst und zerschlagener Hoffnung spülte über mich hinweg, so dass ich beinahe unterging. Ich war mir dumpf bewusst, dass Marys Hand mir schüchtern die Schulter tätschelte und dass mir ihre Stimme Taschentücher und Wasser zum Trinken anbot, doch ich verharrte zu einer Kugel zusammengerollt, wortlos, aber zitternd, und wartete darauf, dass sich die atemberaubende Verzweiflung legte, die mir den Magen zusammenballte wie eine Faust. Irgendwann war wenigstens die Panik erschöpft, und ich öffnete verschwommen die Augen.
»Es geht gleich wieder«, sagte ich schließlich. Ich richtete mich zum Sitzen auf und wischte mir wenig elegant die Nase am Ärmel ab. Ich ergriff das Handtuch, das sie mir entgegenhielt, und betupfte mir die Augen damit. Mary blickte sorgenvoll auf mich hinunter, und ich streckte den Arm aus und drückte ihr beruhigend die Hand.
»Wirklich«, sagte ich. »Es geht schon wieder. Und ich bin sehr froh, dass du hier bist.« Mir kam ein Gedanke, und ich ließ das Handtuch sinken und sah sie neugierig an.
»Apropos, warum bist du eigentlich hier?«, fragte ich. »In diesem Haus, meine ich.«