Die Männer ringsum schienen ebenfalls Erleichterung zu empfinden; es gab einen kleinen Ausbruch geflüsterter Bemerkungen und gedämpften Gelächters, den Jamie rasch zum Schweigen brachte. Einer nach dem anderen huschten die Männer über die freie Fläche vor dem Haus, nicht mehr als Schatten unter dem tanzenden Mond. Neben mir sah Jamie zu, wie sie zwischen den Bäumen des Parks verschwanden.
»Wo ist Murtagh?«, murmelte er wie zu sich selbst, während er dem letzten seiner Männer stirnrunzelnd nachblickte. »Sucht wahrscheinlich Hugh«, sagte er als Antwort auf seine eigene Frage. »Weißt du, wo er sein könnte, Sassenach?«
Ich schluckte und spürte den kalten Biss des Windes unter meinem Umhang, als die Erinnerung den plötzlichen Rausch der Freiheit beendete.
»Ja«, sagte ich und erzählte ihm die traurige Neuigkeit, so schnell ich es konnte. Seine Miene verfinsterte sich unter ihrer Maske aus Blut, und als ich fertig war, war sein Gesicht versteinert.
»Habt Ihr vor, einfach nur die ganze Nacht dazustehen«, erkundigte sich eine Stimme neben uns, »oder sollten wir Alarm geben, um ihnen mitzuteilen, wo sie zuerst suchen müssen?«
Jamies Miene erhellte sich ein wenig, als Murtagh neben uns aus dem Schatten trat, lautlos wie ein Geist. Er hatte ein in Stoff gewickeltes Bündel unter einem Arm; vermutlich eine Keule aus der Küche, dachte ich, als ich den dunklen Blutfleck auf dem Tuch sah. Dieser Eindruck wurde durch den großen Schinken bekräftigt, den er sich unter den anderen Arm geklemmt hatte, und die Würstchenketten an seinem Hals.
Jamie rümpfte mit einem kleinen Lächeln die Nase.
»Du riechst wie ein Metzger, Mann. Kannst du denn nirgendwo hingehen, ohne an deinen Magen zu denken?«
Murtagh legte den Kopf zur Seite und betrachtete Jamies blutbespritzte Erscheinung.
»Lieber wie der Metzger als wie seine Ware, Junge«, sagte er. »Gehen wir?«
Der Weg durch den Park war dunkel und gespenstisch. Die Bäume waren hier groß und wuchsen mit großen Zwischenräumen, doch dazwischen ließ man Schösslinge stehen, die sich in dem ungewissen Licht abrupt in die bedrohlichen Umrisse von Wildhütern verwandelten. Immerhin nahm die Bewölkung jetzt zu, und der Vollmond zeigte sich seltener, was ein Grund zur Dankbarkeit war. Als wir das andere Ende des Parks erreichten, begann es zu regnen.
Sie hatten drei Mann bei den Pferden zurückgelassen. Mary saß bereits vor einem von Jamies Männern im Sattel. Die Notwendigkeit, rittlings auf dem Pferd zu sitzen, war ihr sichtbar peinlich, denn sie steckte sich ständig die Falten ihres Nachtrocks unter die Oberschenkel, ein vergeblicher Versuch zu verbergen, dass sie Beine hatte.
Ich hatte zwar mehr Erfahrung, fluchte aber trotzdem über das Gewicht meines Rocks, als ich ihn jetzt raffte und den Fuß in Jamies bereitgehaltene Hand stellte, um mich mit einer geübten Bewegung in den Sattel zu schwingen. Das Pferd schnaubte, als ich auf seinem Rücken landete, und legte die Ohren an.
»Tut mir leid, Kumpel«, sagte ich ohne Mitgefühl. »Wenn du das schon schlimm findest, warte nur, bis er wieder aufsteigt.«
Ich schaute mich nach dem fraglichen »er« um und sah ihn unter einem der Bäume stehen, die Hand auf der Schulter eines unbekannten Jungen von etwa vierzehn.
»Wer ist denn das?«, fragte ich und beugte mich aus dem Sattel, um Geordie Paul Fraser auf mich aufmerksam zu machen, der neben mir seinen Sattel festgurtete.
»Häh? Oh, er.« Er richtete den Blick stirnrunzelnd auf den Jungen, dann wieder auf seinen widerspenstigen Sattelgurt. »Sein Name ist Ewan Gibson. Hugh Munros ältester Stiefsohn. Er war anscheinend bei seinem Pa, als die Wildhüter des Herzogs sie entdeckt haben. Der Junge ist entwischt, und wir haben ihn am Rand des Moors gefunden. Er hat uns hergeführt.« Mit einem letzten unnötigen Ruck funkelte er den Sattelgurt an, als wollte er ihn warnen, nur ja nichts zu sagen, dann blickte er zu mir auf.
»Wisst Ihr, wo der Vater des Jungen ist?«, fragte er abrupt.
Ich nickte, und anscheinend stand mir die Antwort ins Gesicht geschrieben, denn er wandte sich nach dem Jungen um. Jamie hielt ihn im Arm, drückte ihn fest an seine Brust und klopfte ihm auf den Rücken. Dann hielt er den Jungen vor sich hin und sagte etwas, während er ihm konzentriert ins Gesicht sah. Ich konnte nicht hören, was es war, doch im nächsten Moment richtete sich der Junge auf und nickte. Jamie nickte ebenfalls, klopfte ihm noch einmal auf die Schulter und schob den Jungen auf eins der Pferde zu, wo George McClure bereits die Hand nach ihm ausstreckte. Jamie schritt mit gesenktem Kopf auf uns zu und ließ das Ende seines Plaids trotz des kalten Windes und des prasselnden Regens hinter sich herflattern.
Geordie spuckte auf den Boden. »Armer Kerl«, sagte er, ohne zu spezifizieren, wen er meinte, und schwang sich seinerseits in den Sattel.
Am südöstlichen Ende des Parks machten wir halt. Die Pferde scharrten zuckend mit den Hufen, während zwei der Männer noch einmal in den Bäumen verschwanden. Es kann nicht mehr als zwanzig Minuten gedauert haben, doch es kam uns doppelt so lange vor, bis sie endlich zurückkehrten.
Die Männer saßen jetzt zu zweit auf einem Pferd, und das zweite Pferd trug einen langen Umriss, der ihm in ein Fraser-Plaid geschlungen quer über den Sattel gebunden worden war. Das gefiel den Pferden gar nicht; das meine riss mit aufgerissenen Nüstern den Kopf hoch, als sich das Pferd mit Hugh Munros Leichnam näherte. Aber Jamie ruckte am Zügel und sagte etwas Harsches auf Gälisch, und das Pferd kam zur Ruhe.
Ich konnte spüren, wie sich Jamie hinter mir in die Steigbügel stellte und sich umsah, als zählte er die verbleibenden Mitglieder seines Trupps. Dann legte sich sein Arm um meine Taille, und wir traten den Weg nach Norden an.
Wir ritten die ganze Nacht durch und legten nur kurze Atempausen ein. Während einer dieser Pausen streckte Jamie unter einer Rosskastanie die Hand nach mir aus, um mich zu umarmen, dann hielt er plötzlich inne.
»Was ist denn?«, fragte ich lächelnd. »Hast du etwa Angst, deine Frau vor den Augen deiner Männer zu küssen?«
»Nein«, sagte er und bewies es mir, dann trat er lächelnd zurück. »Nein, einen Moment lang hatte ich Angst, du würdest schreien und mir das Gesicht zerkratzen.« Vorsichtig betastete er die Spuren, die Mary in seinem Gesicht hinterlassen hatte.
»Du Armer«, sagte ich lachend. »Nicht der Empfang, den du erwartet hattest, wie?«
»Nun, zu diesem Zeitpunkt eigentlich doch«, sagte er und grinste. Er hatte sich zwei Würstchen von Murtaghs Kette genommen und reichte mir jetzt eines davon. Ich hatte keine Ahnung mehr, wann ich zuletzt etwas gegessen hatte, doch es musste eine Weile her sein, denn nicht einmal die Angst vor Botulismus konnte verhindern, dass das fettige, würzige Fleisch köstlich schmeckte.
»Was meinst du denn damit. Dachtest du, nach nur einer Woche erkenne ich dich nicht mehr?«
Immer noch lächelnd, schüttelte er den Kopf und schluckte seinen Bissen hinunter.
»Nein, aber ich wusste schon beim Betreten des Hauses mehr oder weniger, wo du warst, wegen der Gitter vor deinem Fenster.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Allem Anschein nach musst du ziemlichen Eindruck auf Seine Durchlaucht gemacht haben.«
»Das stimmt«, sagte ich knapp, denn ich wollte nicht an den Herzog denken. »Erzähl weiter.«
»Nun«, sagte er. Er biss noch einmal in die Wurst und schob sich den Bissen beim Reden geschickt in die Wange. »Ich kannte das Zimmer, aber ich brauchte den Schlüssel, nicht wahr?«
»Oh, stimmt«, sagte ich. »Das wolltest du mir ja erzählen.«
Er kaute kurz und schluckte.
»Ich habe ihn von der Haushälterin bekommen, aber nicht ohne Widerstand.« Er rieb sich vorsichtig ein paar Zentimeter unterhalb der Gürtellinie. »Allem Anschein nach ist die Frau schon öfter aus dem Bett geholt worden – und war nicht begeistert darüber.«
»Oh, ja«, sagte ich amüsiert über das Bild, das seine Worte in meinem Kopf auslösten. »Nun, vermutlich hat sie auch in dir keine seltene und erfrischende Frucht gesehen.«