»Ich zweifle sehr daran, Sassenach. Sie hat geschrien wie am Spieß und mir das Knie in die Eier gerammt und hätte mir dann um ein Haar einen Kerzenständer über den Schädel gebrummt, während ich mich stöhnend zusammenkrümmte.«
»Was hast du getan?«
»Ihr eine anständige Ohrfeige verpasst – mir war zu diesem Zeitpunkt nicht nach Ritterlichkeit zumute – und sie mit den Schleifen ihrer Nachthaube gefesselt. Dann habe ich ihr ein Handtuch in den Mund gestopft, um ihren Beschimpfungen Einhalt zu gebieten, und ihr Zimmer durchsucht, bis ich die Schlüssel gefunden habe.«
»Gut gemacht«, sagte ich, doch dann kam mir ein Gedanke, »aber woher wusstest du denn, wo die Haushälterin schlief?«
»Ich wusste es nicht«, sagte er gelassen. »Die Wäscherin hat es mir verraten – nachdem ich ihr erzählt habe, wer ich war, und ihr angedroht habe, sie auszunehmen und am Spieß zu braten, wenn sie mir nicht sagte, was ich wissen wollte.« Er lächelte mich ironisch an. »Wie gesagt, Sassenach, manchmal hat es auch Vorteile, wenn man für einen Barbaren gehalten wird. Ich vermute, inzwischen haben sie alle vom Roten Jamie Fraser gehört.«
»Und wenn nicht, dann bald«, sagte ich. Ich betrachtete ihn, so gut ich es in der Dunkelheit konnte. »Was, und die Wäscherin hat nicht zugelangt?«
»Sie hat mich an den Haaren gezogen«, erinnerte er sich. »Hat mir ein Büschel an den Wurzeln ausgerissen. Ich sage dir, Sassenach, wenn ich je das Bedürfnis verspüre, mir ein anderes Tagewerk zu suchen, glaube ich nicht, dass ich anfange, mich an Frauen zu vergreifen – schwerer kann man sich sein Geld kaum verdienen.«
Kurz vor Tagesanbruch setzte heftiger Eisregen ein, doch wir ritten noch eine Weile weiter, bis Ewan Gibson sein Pony unsicher zum Halten durchparierte und sich unbeholfen in die Steigbügel stellte, um sich umzusehen. Dann zeigte er auf den Hang, der sich links von uns erhob.
Es war zu dunkel, um bergauf zu reiten. Wir mussten absteigen und die Pferde führen, Huf um schlurfenden Huf über den beinahe unsichtbaren Pfad, der sich im Zickzack durch Heide und Granit zog. Allmählich erhellte die Dämmerung den Himmel, als wir auf der Hügelkuppe hielten, um Atem zu schöpfen. Der Horizont war zwar mit dichten Wolken verhangen, doch ein dumpfes Grau ohne erkennbaren Ursprung begann, an die Stelle des dunkleren Graus der Nacht zu treten. Jetzt konnte ich die kalten Rinnsale, in denen ich einsank, wenigstens sehen und den schlimmsten Fußangeln aus Stein und Brombeeren ausweichen.
Am Fuß des Hügels befand sich eine kleine Talmulde mit sechs Häusern – obwohl »Haus« eine übertriebene Bezeichnung für die einfachen Hütten war, die dort unter den Lärchen kauerten. Die Rietdächer senkten sich bis dicht über den Boden, so dass von den Steinmauern kaum etwas zu sehen war.
Vor einer dieser Hütten hielten wir an. Ewan richtete den Blick auf Jamie, zögerte, als hätte er den Weg vergessen, dann duckte er sich auf Jamies Nicken hin und verschwand unter dem niedrigen Dachbalken der Hütte. Ich schmiegte mich dichter an Jamie und legte ihm die Hand auf den Arm.
»Das ist Hugh Munros Haus«, sagte er leise zu mir. »Ich habe ihn seiner Frau heimgebracht. Der Junge ist nach innen gegangen, um es ihr zu sagen.«
Ich blickte von der dunklen, niedrigen Tür der Hütte zu dem schlaffen Bündel in seinem Plaid, das zwei der Männer jetzt von dem Pferd losschnallten. Ich spürte, wie ein leises Beben Jamies Arm durchlief. Er schloss einen Moment die Augen, und ich sah, wie sich seine Lippen bewegten, dann trat er vor und streckte die Arme nach dem Bündel aus. Ich holte tief Luft, strich mir das Haar aus dem Gesicht und folgte ihm gebückt durch die Tür.
Es war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte, obwohl es schlimm genug war. Die Frau, Hughs Witwe, nahm Jamies gälische Beileidsworte lautlos und mit gesenktem Kopf entgegen, und die Tränen liefen ihr wie Regen über das Gesicht. Sie griff zögernd nach dem verhüllenden Plaid, als wollte sie es beiseiteziehen, doch dann versagte ihr der Mut, und sie erhob sich wieder. Eine Hand ruhte beklommen auf der Rundung unter dem Leichentuch, die andere zog ein kleines Kind eng an ihren Oberschenkel.
Mehrere Kinder scharten sich um das Feuer – Hughs Stiefkinder –, und in der einfachen Wiege vor dem Herd lag ein kleines Bündel. Ich empfand eine Spur von Trost, als ich das Baby sah, zumindest war das von Hugh geblieben. Dann wurde der Trost von kalter Angst überwältigt, als ich die Kinder betrachtete, deren schmutzige Gesichter mit den Schatten verschmolzen. Hugh war ihr wichtigster Ernährer gewesen. Ewan war zwar tapfer und willig, aber er war höchstens vierzehn, und das nächstältere Kind war ein Mädchen von etwa zwölf. Wie sollten sie zurechtkommen?
Das Gesicht der Frau war müde, faltig und beinahe zahnlos. Erschrocken begriff ich, dass sie nur ein paar Jahre älter sein konnte als ich. Sie wies kopfnickend auf das Bett, und Jamie legte den Toten sanft darauf ab. Wieder sagte er etwas auf Gälisch zu ihr; sie schüttelte hoffnungslos den Kopf, ohne den Blick von dem Umriss auf ihrem Bett abzuwenden.
Jamie kniete sich vor das Bett, senkte den Kopf und legte eine Hand auf den Leichnam. Seine Worte waren leise, aber deutlich, und selbst mit meinem beschränkten Gälisch konnte ich ihnen folgen.
»Ich schwöre dir, mein Freund, und möge der allmächtige Gott mein Zeuge sein. Um der Liebe willen, die du mir entgegengebracht hast, soll es den Deinen niemals an etwas mangeln, solange ich etwas zu geben habe.« Einen langen Moment kniete er reglos da, und in der Kate war nichts zu hören als das Knistern des Torfs im Kamin und das leise Prasseln des Regens auf dem Dach. Die Feuchtigkeit verdunkelte Jamies gesenkten Kopf; kleine Tropfen glitzerten wie Juwelen in den Falten seines Plaids. Dann spannte sich seine Hand zu einem letzten Lebewohl an, und er erhob sich.
Jamie verneigte sich vor Mrs. Munro und wandte sich ab, um meinen Arm zu nehmen. Doch ehe wir gehen konnten, wurde das Kuhfell, das den niedrigen Eingang verdeckte, beiseitegeschoben, und ich trat zurück, um Mary Hawkins einzulassen, gefolgt von Murtagh.
Mary sah mitgenommen und verwirrt aus. Sie hielt sich ein feuchtes Plaid um die Schultern, und ihre matschigen Pantoffeln ragten unter dem nassen Saum ihres Nachtrocks hervor. Als sie mich erspähte, presste sie sich an mich, als sei sie dankbar für meine Gegenwart.
»Ich w-wollte nicht hereinkommen«, flüsterte sie mir zu und warf einen schüchternen Blick auf Hugh Munros Witwe, »aber Mr. Murtagh hat darauf bestanden.«
Jamie hatte die Brauen fragend hochgezogen, und Murtagh nickte Mrs. Munro respektvoll zu und sagte etwas auf Gälisch zu ihr. Der schmächtige Schotte sah genauso aus wie immer, mürrisch und zu allem imstande, doch ich hatte das Gefühl, dass seine Haltung einen besonderen Hauch von Würde an sich hatte. Er trug eine der Satteltaschen vor sich her, in der sich ein schwerer Gegenstand befand. Vielleicht ein Abschiedsgeschenk für Mrs. Munro, dachte ich.
Murtagh legte die Tasche zu meinen Füßen auf den Boden, dann richtete er sich auf und ließ den Blick von mir zu Mary schweifen, zu Hugh Munros Witwe und schließlich zu Jamie, der so verwundert aussah, wie ich mich fühlte. Nachdem er sich so seiner Zuhörerschaft vergewissert hatte, verbeugte sich Murtagh formell vor mir, und eine nasse dunkle Strähne fiel ihm lose in die Stirn.
»Ich bringe Euch Eure Rache, Mylady«, sagte er so leise, wie ich ihn noch nie sprechen gehört hatte. Er richtete sich auf und neigte den Kopf nacheinander Mary und Mrs. Munro zu. »Und Vergeltung für das, was Euch angetan wurde.«
Mary nieste und wischte sich hastig mit dem Plaid über die Nase. Sie starrte Murtagh mit großen, verblüfften Augen an. Ich richtete den Blick auf die gerundete Satteltasche und empfand eine plötzliche Eiseskälte, die nicht dem Wetter geschuldet war. Doch es war Hugh Munros Witwe, die auf die Knie sank und mit sicherer Hand die Tasche öffnete, um den Kopf des Herzogs von Sandringham herauszuziehen.