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Kapitel 45

Zur Hölle mit den Randalls

Der Rückweg nach Schottland war eine Tortur. Immer wieder mussten wir ausweichen und uns verstecken. Stets in Angst, als Highlander erkannt zu werden, konnten wir weder Nahrung kaufen noch darum betteln und waren gezwungen, hier und da einen Bissen aus einer unbeobachteten Scheune zu stehlen oder uns an den wenigen essbaren Wurzeln zu bedienen, die ich noch auf den Feldern finden konnte.

Langsam, langsam schlugen wir uns nach Norden durch. Wir hatten keine Ahnung, wo sich die schottische Armee inzwischen befand, daher beschlossen wir, Edinburgh anzusteuern; dort würde es zumindest Neuigkeiten über den Feldzug geben. Wir waren seit Wochen von allem abgeschnitten; ich wusste, dass es den Engländern nicht gelungen war, die Festung von Stirling an sich zu bringen; Jamie wusste, dass die Schlacht von Falkirk mit einem Sieg für die Schotten geendet hatte. Doch was war danach gekommen?

Als wir endlich auf das graue Kopfsteinpflaster der Royal Mile einbogen, begab sich Jamie auf der Stelle zum Hauptquartier der Jakobiten, während ich mit Mary zu Alex Randall ging. Wir hasteten gemeinsam über die Straße und sprachen kaum ein Wort; zu sehr fürchteten wir uns beide vor dem, was wir womöglich vorfinden würden.

Er war dort, und ich sah Marys Knie nachgeben, als sie das Zimmer betrat und an seinem Bett zusammenbrach. Aus dem Halbschlaf aufgeschreckt, öffnete er die Augen und blinzelte, dann entflammte Alex Randalls Gesicht, als hätte ihn der Himmel heimgesucht.

»O Gott!«, murmelte er unablässig mit gebrochener Stimme in ihr Haar. »O Gott, ich dachte … o Herr, wie ich darum gebetet habe … dich noch einmal zu sehen. Einmal nur. O Gott!«

Einfach den Blick abzuwenden, erschien mir unzureichend; ich ging hinaus in den Flur, setzte mich eine halbe Stunde auf die Treppe und legte den Kopf erschöpft auf meine Knie.

Als mir der Anstand die Rückkehr zu gestatten schien, ging ich wieder in das kleine Zimmer, das während Marys wochenlanger Abwesenheit sein schmutziges, freudloses Aussehen wieder angenommen hatte. Ich untersuchte ihn und tastete mit sanfter Hand über seinen ausgemergelten Körper hinweg. Ich war überrascht, dass er so lange überlebt hatte; viel länger konnte es nicht mehr dauern.

Er sah die Wahrheit in meinem Gesicht und nickte kaum überrascht.

»Ich habe gewartet«, sagte er leise und legte sich entkräftet in seine Kissen zurück. »Ich habe gehofft … sie würde noch einmal kommen. Ich hatte keinen Grund … aber ich habe gebetet. Und jetzt bin ich erhört worden. Nun kann ich in Frieden sterben.«

»Alex!« Marys Ausruf entfuhr ihr so gequält, als hätten seine Worte sie körperlich getroffen, doch er lächelte und drückte ihr die Hand.

»Wir wissen es doch schon lange, mein Herz«, flüsterte er ihr zu. »Verzweifle nicht. Ich werde immer bei dir sein, über dich wachen, dich lieben. Nicht weinen, meine Liebste.« Sie strich sich gehorsam über die geröteten Wangen, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen darüber strömten. Trotz ihrer offensichtlichen Verzweiflung hatte sie noch nie so blühend ausgesehen.

»Mrs. Fraser«, sagte Alex, der all seine Kraft zu sammeln schien, um mich um einen letzten Gefallen zu bitten. »Ich muss Euch das fragen … morgen … würdet Ihr wiederkommen und Euren Ehemann mitbringen? Es ist wichtig.«

Ich zögerte einen Moment. Was auch immer Jamie vorfand, er würde Edinburgh auf der Stelle verlassen wollen, um wieder zum Heer zu stoßen und den Rest seiner Männer zu finden. Aber ein Tag konnte gewiss nichts am Ausgang dieses Krieges ändern – und den beiden Augenpaaren, die mich so hoffnungsvoll anblickten, konnte ich die flehende Bitte nicht ausschlagen.

»Wir kommen«, sagte ich.

»Ich bin ein Narr«, murmelte Jamie, während er die steile gepflasterte Straße zu der Seitengasse hinaufstieg, wo Alex Randall wohnte. »Wir hätten gestern auf der Stelle aufbrechen sollen, sobald wir deine Perlen bei dem Pfandleiher ausgelöst hatten! Weißt du denn nicht, wie weit es nach Inverness ist? Und dann auch noch mit diesen Kleppern?«

»Ich weiß«, sagte ich ungeduldig. »Aber ich habe es ihm versprochen. Und wenn du ihn gesehen hättest … nun, du wirst ihn ja gleich sehen, dann verstehst du es schon.«

»Mpfm.« Doch er hielt mir die Haustür auf und folgte mir ohne weitere Klagen die verwinkelte Treppe des altersschwachen Gebäudes hinauf.

Halb sitzend, halb liegend wiegte ihn Mary auf dem Bett an ihrer Brust. Auch jetzt trug sie ihre zerschlissene Reisekleidung noch; sie musste die ganze Nacht so bei ihm geblieben sein.

Bei meinem Anblick befreite er sich sacht aus ihrer Umarmung und liebkoste ihre Hände, ehe er sie beiseitelegte. Er richtete sich auf einen Ellbogen auf, doch sein Gesicht war blasser als die Leinentücher, auf denen er lag.

»Mrs. Fraser«, sagte er. Er lächelte schwach, trotz des ungesunden Schweißfilms und der grauen Gesichtsfarbe, die einen schlimmen Anfall verrieten.

»Es war sehr gut von Euch zu kommen«, sagte er und keuchte leise. Er blickte an mir vorbei. »Euer Mann … er ist mitgekommen?«

Wie als Antwort trat Jamie hinter mir in das Zimmer. Mary, die durch die Geräusche unseres Eintretens aus ihrem Elend gerissen wurde, blickte von mir zu Jamie, dann erhob sie sich und legte ihm schüchtern die Hand auf den Arm.

»Ich … wir … b-brauchen Euch, Lord Tuarach.« Ich glaubte, dass es eher das Stottern als die Verwendung seines Titels war, das ihn rührte. Seine Miene blieb zwar grimmig, doch seine Anspannung ließ nach. Er neigte ihr höflich den Kopf zu.

»Ich habe Eure Frau gebeten, Euch mitzubringen, Mylord. Wie Ihr seht, liege ich im Sterben.« Alex Randall hatte sich aufgerichtet und saß auf der Bettkante. Seine schmalen Schienbeine glänzten weiß wie blanke pure Knochen unter dem ausgefransten Saum seines Nachthemds. Die Zehen, lang, schmal und blutleer, trugen den blauen Schatten seiner schlechten Durchblutung.

Ich hatte den Tod schon oft gesehen, in all seinen Formen, doch diese war immer die schlimmste – und die beste: ein Mann, der dem Tod bewusst und mutig entgegentrat, während die Kunst des Heilers in der Nutzlosigkeit versank. Nutzlos oder nicht, ich durchsuchte den Inhalt meines Koffers nach dem Digitalin, das ich für ihn aufgebrüht hatte. Ich hatte mehrere Fläschchen in verschiedenen Stärken, ein Spektrum brauner Flüssigkeiten. Ohne zu zögern, wählte ich das dunkelste; ich konnte hören, wie das Wasser in seinen Lungen Blasen schlug, wenn er atmete.

Es war nicht das Digitalin, sondern sein Ziel, das ihn jetzt aufrecht hielt und ihn mit einem Leuchten überzog, als ob eine Kerze hinter der wächsernen Haut seines Gesichts brannte. Auch das hatte ich schon öfter gesehen; den Mann – oder die Frau –, dessen Wille so stark war, dass er die Gebote des Körpers eine Zeitlang außer Kraft setzen konnte.

Ich glaubte, dass manche Geister so entstanden – wo ein Wille und ein Ziel überdauerten, ohne sich daran zu stören, dass der gebrechliche Körper das Leben nicht länger erhalten konnte und auf der Strecke blieb. Ich wollte nicht gern, dass mich Alex Randall heimsuchte; das war einer der Gründe, warum ich Jamie überredet hatte, mich heute zu begleiten.

Jamie schien zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen zu gelangen.

»Aye«, sagte er leise. »ich sehe es. Braucht Ihr etwas von mir?«

Alex schloss kurz die Augen und nickte. Er hob das Fläschchen, das ich ihm reichte, und trank. Der bittere Geschmack ließ ihn sacht erschauern. Er öffnete die Augen und lächelte Jamie an.

»Nur die Güte Eurer Anwesenheit. Ich verspreche Euch, dass wir Euch nicht lange aufhalten werden. Wir warten nur noch auf eine weitere Person.«

Während wir warteten, tat ich für Alex Randall, was ich konnte, was angesichts der Umstände nicht viel war. Ein weiteres Mal Fingerhutkraut und ein wenig Kampfer, um ihm das Atmen zu erleichtern. Danach schien es ihm ein wenig besserzugehen. Doch als ich ihm mein improvisiertes Stethoskop an die eingesunkene Brust hielt, konnte ich seinen mühseligen Herzschlag hören, der derart oft von Flattern und Rasen unterbrochen wurde, dass ich jede Sekunde erwartete, dass er ganz aussetzen würde.